Mitarbeitermotivation geht heute weit über die Bezahlung hinaus : Aus Human Capital Management wird Human Experience Management
Der Bereich Human Capital Management (HCM) hat sich in den letzten Jahren enorm verändert – vorangetrieben vor allem durch die Pandemie. Neben dem Erfassen, Steuern und Analysieren der Fähigkeiten, Entwicklungen und Beurteilungen von Mitarbeitern geht es heute zunehmend auch darum, die Beschäftigten stärker an das Unternehmen zu binden. Das reine Gehalt reicht dafür schon lange nicht mehr aus. Mitarbeiter wünschen sich heute vor allem sinnstiftende Tätigkeiten, Wertschätzung und individuelle Förderung.
Um ihre Beschäftigten zu motivieren, bieten viele Unternehmen deshalb Zusatzleistungen an. Wie der aktuelle GPCI-Report von Alight zeigt, sind vor allem die klassischen Benefits wie Zuschüsse zur Altersvorsorge und technisches Equipment (jeweils 74 Prozent) sowie kostenlose Parkmöglichkeiten (73 Prozent) beliebt. In den Umfragen zeigt sich auch, dass die Attraktivität bestimmter Leistungen abhängig vom Alter oder der persönlichen Lebenssituation stark unterschiedlich beurteilt wird. So interessieren sich jüngere Mitarbeiter noch nicht allzu sehr für ihre Altersvorsorge und in deutschen Großstädten kommen die wenigsten mit dem Auto zur Arbeit. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten, die über die gesamte Belegschaft hinweg gelten: So haben bestimmte Benefits in der Corona-Krise an Attraktivität verloren – etwa der Zuschuss zur Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Stark an Bedeutung gewonnen hat dagegen die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. Die Zahl der Unternehmen, die Homeoffice anbieten, ist von 36 Prozent im Jahr 2019 auf 59 Prozent 2021 gestiegen. Und bei vielen Beschäftigten ist diese Option sehr beliebt. Mehr als die Hälfte möchte auch in Zukunft an mindestens drei Tagen in der Woche von zu Hause arbeiten.

Klar ist heute: An flexiblen Arbeitszeiten kommen Unternehmen nicht mehr vorbei. Und wenn ihre Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Arbeitszeit zu Hause verbringen, stellt sich die Frage, ob Zusatzleistungen wie ein Fahrtkostenzuschuss noch attraktiv sind oder ob ein Bürostuhl für das Homeoffice nicht sinnvoller wäre.
Benefits müssen flexible und individuell sein
Wie der Report zeigt, haben viele Unternehmen während der Pandemie ihre Benefits erhöht. So sind die Leistungen im Bereich der Kinderbetreuung weltweit von 20 auf 40 Prozent gestiegen. Allerdings müssen sich Unternehmen heute die Frage stellen, ob die gewährten Benefits und Vergünstigungen überhaupt noch zeitgemäß sind – auch unabhängig von Corona. Ein entscheidendes Kriterium ist dabei, dass es sich um flexible Angebote handelt, die sich jederzeit an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter anpassen – auch wenn sich deren Lebensumstände ändern. So könnte der Arbeitgeber statt der klassischen Altersvorsorge eine individuelle Beratung anbieten, die die Möglichkeiten der Absicherung im Alter aufzeigt. Denkbar wäre auch eine über das übliche Maß hinausdirekter Link: gehende Flexibilisierung der Arbeitszeiten – etwa ein Modell, bei dem die Beschäftigten nur die Stunden pro Woche arbeiten, die sie für die Erledigung ihrer Aufgaben tatsächlich benötigen. Entscheidend sind individuell anpassbare Angebote, die für alle Mitarbeiter einen Mehrwert darstellen. Dadurch kann der Arbeitgeber ihre Loyalität erhöhen – und auch leichter neue Talente gewinnen.
People Analytics: Mitarbeiterdaten smart auswerten
Um solche maßgeschneiderten Angebote liefern zu können, müssen Unternehmen allerdings erst in Erfahrung bringen, wie ihre Beschäftigten denken, was ihnen wichtig ist und was sie motiviert. Das heißt, sie müssen die über digitale HR- und Payroll-Systeme verfügbaren Personaldaten analysieren. Dabei handelt es sich um Informationen aus verschiedenen abteilungsinternen Quellen wie Recruiting, Talent Management und Payroll sowie aus anderen Geschäftsbereichen – etwa Finance oder Forschung und Entwicklung. Um weitere Details zu erhalten, lassen sich diese Informationen auch mit Drittdaten abgleichen.
Mithilfe von Simulationen können Unternehmen dann herausfinden, an welchen Stellen noch Verbesserungspotenzial besteht – Stichwort People Analytics.
Dadurch lässt sich in Erfahrung bringen, auf welche Benefits die Mitarbeiter wirklich Wert legen. Während der Pandemie haben sich viele Beschäftigte Gedanken darüber gemacht, ob ihnen das Homeoffice wichtiger ist als etwa eine Firmenkantine. Jetzt ist es an den Arbeitgebern, entsprechend zu reagieren. Wer die Wirkungszusammenhänge der verschiedenen Faktoren versteht, kann mit relativer Sicherheit sagen, welcher Effekt sich beispielsweise mit einer Bonus-Zahlung beziehungsweise Bonus-Erhöhung erzielen lässt.
Damit kann ein datenbasierter HR-Ansatz auch dazu beitragen, abwanderungswillige Mitarbeiter zu halten. Denn mit den richtigen Insights lassen sich solche Tendenzen leichter vorhersehen. Wenn beispielsweise ein langjähriger Mitarbeiter trotz guter Leistung über einen längeren Zeitraum keine Gehaltserhöhung erhalten hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er das Unternehmen in absehbarer Zeit verlassen wird. Ein Arbeitgeber, der solche Zusammenhänge aufzeigen kann, ist auch in der Lage, rechtzeitig gegenzusteuern.
Einheitliche Datenplattform
Voraussetzung, um umfassende und relevante Erkenntnisse aus Mitarbeiterdaten zu ziehen, ist eine einheitliche Plattform für das Human Experience Management (HXM). Denn in vielen Unternehmen sind HR-, Payroll- und Finanz-Systeme unterschiedlicher Anbieter im Einsatz – sowohl On-Premises als auch in der Cloud. Dadurch entstehen inkonsistente Datenbestände, die weder die aktuellen HR-Prozesse noch alle Personalinformationssysteme nahtlos abbilden.
Das gilt auch für die Payroll. Sie liefert Personalverantwortlichen besonders wichtige Daten – neben Gehältern und Bonus-Zahlungen etwa Angaben zu Urlaub, Krankheitstagen und anderen Fehlzeiten. Allerdings bieten die meisten HCM-Lösungen die Entgeltabrechnung noch nicht vollständig integriert an. Das liegt vor allem an der Komplexität und an den unterschiedlichen Regelungen auf internationaler Ebene. So variieren die Abgaben für Krankenversicherung, Rentenbeiträge und Kirchensteuer zum Teil erheblich. In Deutschland, Frankreich und Italien beauftragen Firmen zudem oft Drittanbieter mit der Abrechnung. Diese Bedingungen machen es nicht leicht, die Payroll über viele Länder hinweg zu verwalten. Und wenn auch noch die lokalen Daten aus verschiedenen Quellen vergleichbar gemacht werden sollen, erhöht das die Komplexität zusätzlich.
Integrationsplattformen schaffen Abhilfe
Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Unternehmen und von deren HR-Abteilungen kommen mittlerweile immer mehr Lösungen auf den Markt, mit denen sich die Daten vereinheitlichen lassen. Integrationsplattformen führen Informationen aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen – einschließlich Payroll – zusammen und stellen sie in einen logischen Zusammenhang. Daraus lassen sich dann die erforderlichen Erkenntnisse ableiten – zum Beispiel, wie viele Krankenstände eine bestimmte Business-Situation in verschiedenen Ländern zur Folge hat.
Human Experience anstelle von Human Capital
Die Pandemie hat noch einmal deutlich gemacht, dass es heute nicht mehr um das Management von „Human Capital“ geht. Im Fokus stehen vielmehr die tatsächlichen Erfahrungen, die Mitarbeiter im Unternehmen machen. Dazu zählt unter anderem, welche Benefits sie erhalten und ob diese auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Unternehmen, die es schaffen, die Erwartungen ihrer Beschäftigten anhand von Daten zu analysieren, können auf dieser Basis neue Wege finden, um ihre eigenen Mitarbeiter zufrieden zu machen – und um sich neuen Talenten gegenüber als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Joachim Skura, Client Management Leader DACH, Alight
