Im Blick: Lohnsteuerrecht
Referentenentwurf für Steuerentlastungsgesetz 2022
Das Bundesfinanzministerium hat einen Referentenentwurf für angekündigte Steuerentlastungen für Verbraucher veröffentlicht. Es hält die Entlastungen vor allem wegen deutlich gestiegener Energiepreise für erforderlich. Das geplante Steuerentlastungsgesetz 2022 enthält eine Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags. Zudem soll die befristete Anhebung der Entfernungspauschale vorgezogen werden.
Laut Bundesfinanzministerium soll das Steuerentlastungsgesetz 2022 insbesondere Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 23.02.2022 umsetzen. Zur Entlastung werde der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei der Einkommensteuer rückwirkend zum 01.01.2022 um 200 Euro auf 1.200 Euro angehoben. Ferner werde der Grundfreibetrag für 2022 rückwirkend ab dem 01.01.2022 von derzeit 9.984 Euro um 363 Euro auf 10.347 Euro erhöht. Zudem werde die bis 2026 befristete Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) auf 38 Cent rückwirkend ab dem 01.01.2022 vorgezogen.
Der Bundestag hat am 08.04.2022 den Entwurf in 1. Lesung beraten. Es liegen einige Änderungsanträge vor.
Neues BMF-Schreiben zur Abgrenzung von Geld- und Sachleistungen
BMF-Schreiben vom 15.03.2022 – IV C 5 – S 2334/19/10007 :007
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) aktualisierte das Anwendungsschreiben zur Abgrenzung von Geldleistung und Sachbezug, welches erstmals am 13.04.2021 veröffentlicht wurde. Die Frage, welche Gutscheine bzw. Geldkarten unter welchen Voraussetzungen steuerfrei gewährt werden können, ist komplex und relevant für den Lohnsteuerabzug sowie für Vergütungsstrukturen. Aktualisierte Passagen des Anwendungsschreibens markierte das BMF.
Mit dem Jahressteuergesetz 2019 beschlossen Bundestag und Bundesrat, die Abgrenzung zwischen einer Geldleistung und einem steuerfreien Sachbezug gesetzlich neu festzulegen. Seit der gesetzlichen Änderung regelt § 8 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtige Geldleistungen (beispielsweise zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate), während § 8 Abs. 1 Satz 3 EStG Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen, als steuerfreie Sachbezüge definiert.
Das BMF-Schreiben enthält u. a. folgende Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Schreiben:
- Aktualisierung des Höchstbetrags der monatlichen Steuerfreigrenze bei Gutscheinen und Geldkarten analog zu der seit dem 01.01.2022 geltenden gesetzlichen Freigrenze von 50 Euro (Rz. 4 auf Seite 2 der Anlage und Rz. 15 auf Seite 6);
- ergänzende Klarstellungen zu den Akzeptanzstellen eines Gutscheins (Rz. 10 ab Seite 3). Eine Voraussetzung für die Steuerfreiheit eines Sachbezugs ist nämlich auch die Akzeptanzstelle des Gutscheins oder der Geldkarte. D. h. Gutscheine oder Geldkarten müssen sich für die Steuerfreiheit zum Beispiel auf Einkaufs- und Dienstleistungsverbünde einer bestimmten inländischen Region (z. B. mehrere benachbarte Städte und Gemeinden im ländlichen Raum) erstrecken.
- Ergänzungen, welche Gutscheine oder Geldkarten als Geldleistung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 EStG zu verstehen sind. Wenn Gutscheine beispielsweise den Erwerb von anderen Gutscheinen oder Geldkarten ermöglichen oder sie für den Erwerb von Devisen (z. B. britisches Pfund, US-Dollar, Schweizer Franken) oder Kryptowährungen (z. B. Bitcoin, Ethereum) verwendet werden können, gelten sie als eine Geldleistung (Rz. 24 auf Seite 8).

BMF-Schreiben zur Unterstützung vom Ukraine-Krieg Geschädigter
BMF-Schreiben vom 17.03.2022 – IV C 4 – S 2223/19/10003 :013
Das Bundesfinanzministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichte am 17.03.2022 ein Anwendungsschreiben zu den steuerlichen Maßnahmen zur Unterstützung der vom Ukraine-Krieg Geschädigten. Mit dem Schreiben gibt das BMF beispielsweise Hinweise zu „Arbeitslohnspenden“, die für viele Arbeitgeber und ihre Beschäftigten in der aktuellen Lage relevant sind. Die Hinweise zur Arbeitslohnspende gleichen größtenteils den entsprechenden Verwaltungsanweisungen zur „Fluthilfe 2021“.
Die Verwaltungsanweisungen gelten für Maßnahmen, die vom 24.02.2022 bis zum 31.12.2022 durchgeführt werden. Im Bereich der Entgeltabrechnung sind die Darstellungen zu Arbeitslohnspenden mit denen der Flutopferhilfe vergleichbar.
Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens entweder zugunsten einer steuerfreien Beihilfe und Unterstützung des Arbeitgebers an vom Krieg in der Ukraine geschädigte Arbeitnehmer des Unternehmens oder Arbeitnehmer von Geschäftspartnern oder zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung (§ 10b Absatz 1 Satz 2 EStG), bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies dokumentiert. Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist im Lohnkonto aufzuzeichnen, außer wenn der Arbeitnehmer seinen Verzicht schriftlich erteilt hat und diese Erklärung zum Lohnkonto genommen worden ist. Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist nicht in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben (vgl. Punkt V auf Seite 5 des BMF-Schreibens).
Weitere Inhalte sind u. a.:
Statt einer Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten beispielsweise auf ein dafür eingerichtetes Sonderkonto einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer inländischen öffentlichen Dienststelle der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts (z.B. der Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking).
Hinweise finden sich zum Beispiel zur vorübergehenden Unterbringung in Einrichtungen steuerbegünstigter Körperschaften, die ausschließlich dem satzungsmäßigen Zweck der Körperschaft dienen, oder in zum Vermögensbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gehörenden Einrichtungen (vgl. Punkt III auf Seite 4 der Anlage).
Konsultationsvereinbarung mit Belgien verlängert
BMF-Schreiben vom 25.03.2022 – IV B 3 – S 1301-BEL/20/10002 :001
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Fortführung der Konsultationsvereinbarung mit Belgien über die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von grenzpendelnden Arbeitnehmern am 25.03.2022 veröffentlicht. Die Regelungen des Abkommens zwischen Deutschland und Belgien laufen grundsätzlich am Ende eines Monats aus, wenn eine Verlängerung nicht spätestens eine Woche vor Ablauf des vorhergehenden Monats schriftlich vereinbart wird. Deutschland und Belgien einigten sich darauf, die Regelungen ihrer Vereinbarung bis zum 30.06.2022 zu verlängern. Dabei handelt es sich um die letzte Verlängerung der Konsultationsvereinbarung. Die Anwendung der Konsultationsvereinbarung ist daher auf den Zeitraum vom 11.03.2020 bis zum 30.06.2022 begrenzt.
Im Gegensatz dazu sehen die Vereinbarungen mit Polen, der Schweiz, Frankreich, Österreich und den Niederlanden eine automatische Verlängerung vor. Grundsätzlich verlängern sich die Regelungen der Konsultationsvereinbarung automatisch, sofern die Vereinbarung nicht mindestens eine Woche vor Ende eines Kalendermonats schriftlich gekündigt wird. Nach Informationen des BMF ist eine Kündigung dieser Konsultationsvereinbarungen zum 30.06.2022 geplant. Für die Verständigungsvereinbarung mit Luxemburg kündigte das BMF bereits die Kündigung der Vereinbarung an.
Konsultationsvereinbarung mit Luxemburg verlängert
BMF-Schreiben vom 25.03.2022 – IV B 3 – S 1301-LUX/19/10007 :004
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Fortführung der Verständigungsvereinbarung mit Luxemburg über die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von grenzpendelnden Arbeitnehmern am 25.03.2022 veröffentlicht. Grundsätzlich verlängern sich die Regelungen der Verständigungsvereinbarung automatisch, sofern die Vereinbarung nicht mindestens eine Woche vor Ende eines Kalendermonats schriftlich gekündigt wird. Die beiden Länder Deutschland und Luxemburg einigten sich darauf, die Regelungen ihrer Vereinbarung zum 30.06.2022 zu kündigen. Die Regelungen der Verständigungsvereinbarung finden damit auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.03.2020 bis zum 30.06.2022 Anwendung.
Eine solche automatische Verlängerung besteht auch in den Vereinbarungen mit Polen, der Schweiz, Frankreich, Österreich und den Niederlanden. Nach Informationen des BMF ist eine Kündigung dieser Konsultationsvereinbarungen zum 30.06.2022 geplant. Im Gegensatz dazu laufen die Regelungen des Abkommens zwischen Deutschland und Belgien (siehe Konsultationsvereinbarung mit Belgien verlängert) grundsätzlich am Ende eines Monats aus, wenn eine Verlängerung nicht spätestens eine Woche vor Ablauf des vorhergehenden Monats schriftlich vereinbart wird. Beide Länder verständigten sich auf eine Verlängerung der Vereinbarung bis zum 31.03.2022. Nach Informationen des BMF ist eine letztmalige Verlängerung dieser Konsultationsvereinbarungen bis zum 30.06.2022 geplant.
Konsultationsvereinbarung mit Österreich
BMF-Schreiben vom 04.04.2022 – IV B 3 – S 1301-AUT/19/10006 :005
Am 04.04.2022 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die letztmalige Fortführung der Konsultationsvereinbarung mit Österreich über die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von grenzpendelnden Arbeitnehmern.
Grundsätzlich verlängern sich die Regelungen der Konsultationsvereinbarung automatisch, sofern die Vereinbarung nicht mindestens eine Woche vor Ende eines Kalendermonats schriftlich gekündigt wird. Deutschland und Österreich einigten sich darauf, die Regelungen ihrer Vereinbarung letztmalig bis zum 30.06.2022 zu verlängern. Die Regelungen der Konsultationsvereinbarung finden auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.03.2020 bis zum 30.06.2022 Anwendung.
Konsultationsvereinbarung mit den Niederlanden
BMF-Schreiben vom 04.04.2022 – IV B 3 – S 1301-NDL/20/10004 :001
Ebenfalls am 04.04.2022 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die letztmalige Fortführung der Konsultationsvereinbarung mit den Niederlanden über die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns von grenzpendelnden Arbeitnehmern.
Grundsätzlich verlängern sich die Regelungen der Konsultationsvereinbarung automatisch, sofern die Vereinbarung nicht mindestens eine Woche vor Ende eines Kalendermonats schriftlich gekündigt wird. Deutschland und die Niederlande einigten sich darauf, die Regelungen ihrer Vereinbarung zum 30.06.2022 zu kündigen. Die Regelungen der Konsultationsvereinbarung vom 06.04.2020 finden damit auf Arbeitstage im Zeitraum vom 06.04.2020 bis zum 30.06.2022 Anwendung.

Entwurf Programmablaufplan veröffentlicht
Bereits im Vorgriff auf die anstehenden Steuerentlastungen im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 2022 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die überarbeiteten Entwürfe der Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2022. Für Arbeitgeber sind die Programmablaufpläne relevant, weil mit dem Steuerentlastungsgesetz eine rückwirkende Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags vorgesehen ist.
Insgesamt veröffentlichte das BMF sowohl einen Entwurf des Programmablaufplans für die maschinelle als auch für die manuelle Berechnung der Lohnsteuer. Die geänderten Programmablaufpläne sind ab dem 01.06.2022 anzuwenden. Die Entwürfe sind rechtlich nicht bindend, geben aber einen Überblick über notwendige Änderungen.
Da allerdings laut dem Koalitionsbeschluss vom 23.03.2022 noch die Auszahlung einer sogenannten Energiepreispauschale über die Arbeitgeber erfolgen soll, ist eine erneute Anpassung der Programmablaufpläne zu erwarten.
Steuerermäßigung für die mehrjährige Zahlung von Überstunden BFH-Pressemitteilung 12/22 vom 24.03.2022
Mit Urteil vom 02.12.2021 (VI R 23/19), veröffentlicht am 24.03.2022, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass nachgezahlte Überstundenvergütungen, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden, mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind.
Mit steigendem Einkommen erhöht sich die Einkommensteuer progressiv. Werden Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit nicht laufend, sondern in einer Summe ausgezahlt, führt der Progressionseffekt zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Steuer(mehr)belastung. Um die progressive Wirkung des Einkommensteuertarifs bei dem zusammengeballten Zufluss von Lohnnachzahlungen zu mildern, sieht das Gesetz die Besteuerung dieser Nachzahlungen mit einem ermäßigten Steuersatz vor. Voraussetzung ist allerdings, dass die Nachzahlung sich auf die Vergütung für eine Tätigkeit bezieht, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Im Streitfall hatte der Kläger über einen Zeitraum von drei Jahren in erheblichem Umfang Überstunden geleistet. Erst im vierten Jahr wurden dem Kläger die Überstunden in einer Summe vergütet. Das Finanzamt unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif.
Der BFH – wie zuvor auch das Finanzgericht – folgte indes dem Antrag des Klägers und wendete auf den Nachzahlungsbetrag den ermäßigten Steuertarif an.
Der BFH hat klargestellt, dass die Tarifermäßigung nicht nur auf die Nachzahlung von Festlohnbestandteilen, sondern auch auf Nachzahlungen von variablen Lohnbestandteilen – hier in Form der Überstundenvergütungen – Anwendung findet. Hier wie dort ist allein entscheidend, ob die nachgezahlte Vergütung für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet worden ist.
Markus Stier