Baulohnspezifische Besonderheiten : Lohnabrechnung im Dachdeckerhandwerk
Das Dachdeckerhandwerk ist zwar ein Bestandteil des Bauhauptgewerbes, hat aber eigenständige Tarifverträge und eine eigene Sozialkasse, die SOKA-DACH. Tarifvertragspartner sind auf der Arbeitgeberseite der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks e. V. (ZVDH) und auf der Arbeitnehmerseite die IG BAU.
Für die gewerblichen Arbeitnehmer (Vorarbeiter, Gesellen, Helfer, Lageristen, Reinigungskräfte) gibt es zurzeit insgesamt elf verschiedene Tarifverträge. Sie gelten zwingend nur dann, wenn beide Parteien organisiert sind oder wenn sie im Arbeitsvertrag vereinbart wurden.
Tarifverträge müssen auch zwingend eingehalten werden, wenn sie durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt wurden.
Im Dachdeckerhandwerk sind sieben der elf Tarifverträge allgemeinverbindlich. Dazu gehören insbesondere der Rahmentarifvertrag, der Mindestlohntarifvertrag, der Tarifvertrag Beschäftigungssicherung und der Tarifvertrag Altersversorgung.
Auch der Tarifvertrag Berufsbildung, der die wesentlichen Inhalte der Berufsbildung regelt, ist allgemeinverbindlich.
Sozialkasse DACH
Die SOKA-DACH mit Sitz in Wiesbaden ist eine gemeinsame Einrichtung der beiden Tarifvertragsparteien, des ZVDH und der IG BAU.
Sie ist u. a. für folgende Leistungen zuständig:
- Gewährung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für gewerbliche Arbeitnehmer
- Zahlung eines Ausfallgeldes an gewerbliche Arbeitnehmer
- Sicherung der Arbeitszeitguthaben bei Insolvenz
- Gewährung der Rentenbeihilfe für gewerbliche Arbeitnehmer
- Durchführung der betrieblichen Altersversorgung
- Förderung der Berufsbildung
Finanziert werden die Leistungen durch den SOKA-Beitrag, der von allen Betrieben monatlich zu zahlen ist. Dieser beträgt zurzeit 12,4 Prozent der Bruttolohnsumme aller gewerblichen Arbeitnehmer des Betriebes.
Besonderheiten im Dachdeckerhandwerk
Die Tarifverträge des Dachdeckerhandwerks beinhalten eine Reihe von Regelungen, die in der Wirtschaftselten oder gar nicht vorkommen.
- Zahlung eines Ausfallgeldes
Wird die Arbeit in den Monaten April bis November aus Witterungsgründen (z. B. Regen, Hitze, Sturm) an einem Tag für mindestens eine Stunde eingestellt, erhält der betroffene Mitarbeiter ein Ausfallgeld in Höhe von 75 Prozent des Stundenlohns. Diese Leistungen, die über die SOKA abgewickelt wird, sind im Kalenderjahr auf 53 Stunden begrenzt. Gerade unter dem Aspekt zunehmender Hitzetage im Sommer ist dieses ein Beitrag, um die Attraktivität des Dachdeckerhandwerks zu erhöhen.
- Betriebliche Altersversorgung
Gewerbliche Arbeitnehmer, die am 30.11. ununterbrochen das ganze Jahr über im Dachdeckerhandwerk beschäftigt sind, erhalten ein anteiliges 13. Monatseinkommen. Dieses beträgt das 119-Fache des durchschnittlichen Stundenlohns der Monate April bis September. Von diesen 119 Stunden kommen aber nur 81 Stunden mit der Novemberabrechnung zur Auszahlung. Das 38-Fache des Stundenlohns ist ein Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersvorsorge, der auf das individuelle Versicherungskonto des Mitarbeiters bei der SOKA-DACH, eingezahlt wird. Die Versorgungsleistung wird als regelmäßige lebenslange Rente ab dem Bezug der Altersrente gezahlt. Im Todesfall erfolgt eine einmalige oder dauerhafte Zahlung an die Hinterbliebenen. Die Mitarbeiter erhalten von der SOKA jährlich eine Renteninformation.
- Rentenbeihilfe
Der gewerbliche Arbeitnehmer erhält eine Beihilfe zur Altersrente oder Erwerbsminderungsrente von der SOKA, die vom Arbeitgeber finanziert ist. Der Vollanspruch (mindestens 240 Monate im Dachdeckerhandwerk beschäftigt) beträgt zurzeit 93,40 Euro/Monat. Im Todesfall wird ein Sterbegeld in Höhe von 511,52 Euro gezahlt. Alle Betriebsrenten, die über die SOKA abgewickelt werden, müssen vom Arbeitnehmer dort beantragt werden.
- Finanzierung der Winterbeschäftigungsumlage
Die Winterbeschäftigungsumlage dient zur Finanzierung von Mehraufwands-Wintergeld (MWG), Zuschuss-Wintergeld (ZWG) und der Beitragserstattung bei Bezug von Saison-Kurzarbeitergeld. Diese beträgt monatlich 2,0 Prozent der Lohnsumme aller gewerblichen Arbeitnehmer. Im Dachdeckerhandwerk gibt es zwei Varianten zur Finanzierung. Bei der ersten Option zahlt der Arbeitgeber 2,0 Prozent allein und der Arbeitnehmer verliert zwei Urlaubstage. Bei der zweiten Option zahlt der Arbeitgeber 1,2 Prozent und der Arbeitnehmer 0,8 Prozent.
Förderung der Berufsbildung
Im SOKA-Beitrag, der von allen Betrieben mit gewerblichen Arbeitnehmern zu zahlen ist, ist auch die Umlage für die Berufsbildung enthalten.
Somit werden alle Betriebe, unabhängig davon, ob sie Lehrlinge beschäftigen oder nicht, an den Kosten der Ausbildung beteiligt.
Nach Beendigung des ersten Lehrjahres wird dem Betrieb das Siebenfache der Ausbildungsvergütung erstattet, nach Beendigung des zweiten Lehrjahres wird ihm das Fünffache der Vergütung erstattet, nach Beendigung des dritten Lehrjahres das Einfache der Vergütung.
Auch die Kosten für die überbetriebliche Ausbildung und gegebenenfalls für die Internatsunterbringung trägt in Grenzen die SOKA.
Wird ein Lehrling nach erfolgreicher Gesellenprüfung vom Ausbildungsbetrieb nahtlos übernommen, so erhält der Betrieb nach zwölf Monaten eine Übernahmeprämie in Höhe eines Monatslohns.
Arbeitszeitflexibilisierung
Als modernes Handwerk haben die Tarifvertragsparteien schon 2001 die Möglichkeit zur Arbeitszeitflexibilisierung im Rahmentarifvertrag geregelt.
So können in einem Ausgleichszeitraum von zwölf Monaten bis zu 150 Stunden auf einem Zeitkonto angespart werden. Die angesparten Stunden lassen sich dann hauptsächlich in den Monaten Dezember bis März verwenden, um Saison-Kurzarbeitsstunden zu verringern. Für jede dieser eingebrachten Stunden erhält der Mitarbeiter ein steuer- und beitragsfreies Zuschuss-Wintergeld in Höhe von 2,50 Euro.
Auch kommt es durch die Arbeitszeitflexibilisierung zur Zahlung von verstetigten Monatslöhnen. In den Monaten Mai bis November kommen jeweils 174 Stunden pro Monat zur Auszahlung, von Dezember bis April je 162 Stunden.
Somit erhalten die Mitarbeiter auch eine größere Planungssicherheit.
Dipl.-Handelslehrer Peter Welter, Dozent am Bundesbildungszentrum des Deutschen Dachdeckerhandwerks
