Lohnsteuer kompakt für die Personalpraxis
Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung
Wird im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung das aufnehmende inländische Unternehmen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber i. S. von § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt, der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt, der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 04.11.2021 zum Aktenzeichen VI R 22/19 in dieser Frage geurteilt.
Sachverhalt
Die in der Schweiz ansässige A AG als Arbeitgeberin war die alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Die AG und die Klägerin schlossen im Jahr 2009 eine „Dienstleistungsvereinbarung“ (DV), wonach die AG der Klägerin den Arbeitnehmer als Geschäftsführer zur Verfügung stellte. Der Arbeitnehmer, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte, war gleichzeitig Verwaltungsrat der AG und CEO der Unternehmensgruppe.
Die Klägerin hatte der AG dafür einen pauschalen monatlichen Betrag zu zahlen. Die Vergütung entsprach derjenigen, die auch an einen unabhängigen Dritten zu zahlen gewesen wäre. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Zahlungen, die die Klägerin an die AG gemäß der DV für die Tätigkeit des Arbeitnehmers geleistet habe, seien dem deutschen Lohnsteuerabzug zu unterwerfen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz beim Finanzgericht Thüringen keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts ist grundsätzlich derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisung er zu befolgen hat (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung – LStDV). Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag.
Die Beteiligten sind sich einig, dass die Klägerin nicht zivilrechtliche Arbeitgeberin des Arbeitnehmers war. Zwischen ihr und dem Arbeitnehmer bestand kein (abhängiges) Beschäftigungsverhältnis.
Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ist inländischer Arbeitgeber in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung auch das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt. Voraussetzung hierfür ist nicht, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt. Im Falle einer konzerninternen internationalen Arbeitnehmerentsendung wird das aufnehmende inländische Unternehmen nicht allein schon dadurch zum wirtschaftlichen Arbeitgeber, dass es dem entsendenden Unternehmen den Arbeitslohn erstattet, der auf die im Inland ausgeübte Tätigkeit entfällt.

Diese Regelungen gelten nach Auffassung der Richter insbesondere auch im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern zwischen verbundenen Unternehmen. Sie greifen auch dann ein, wenn ein Arbeitnehmer bei einem verbundenen Unternehmen (entsendendes Unternehmen) angestellt ist und abwechselnd sowohl für dieses als auch für ein weiteres verbundenes Unternehmen (aufnehmendes Unternehmen) arbeitet, wobei das aufnehmende dem entsendenden Unternehmen den von diesem gezahlten Arbeitslohn anteilig ersetzt. In einem solchen Fall sind ggf. sowohl das entsendende als auch das aufnehmende Unternehmen (lohnsteuerrechtlich) Arbeitgeber des betreffenden Arbeitnehmers, sodass dessen Arbeitslohn anteilig von den verschiedenen Arbeitgeber-Unternehmen gezahlt wird.
Voraussetzung für die wirtschaftliche Arbeitgeberstellung i. S. von § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ist außerdem, dass der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem aufnehmenden Unternehmen in dessen Interesse erfolgt und dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des aufnehmenden Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist. Das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ersetzt in den Fällen des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG die für den zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff erforderliche arbeits- bzw. dienstvertragliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf der die Zahlung des lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohns (zivilrechtlich) im Regelfall beruht.
Unbeschadet dessen muss die entsandte Person nach allgemeinen Grundsätzen, als Arbeitnehmer des wirtschaftlichen Arbeitgebers anzusehen sein. Das Finanzgericht hat den Inhalt des zwischen der AG und dem Arbeitnehmer abgeschlossenen Arbeitsvertrags nicht festgestellt. Es steht folglich, so die Richter, weder fest, welche Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer der AG schuldete, noch, in welcher genauen Höhe er von der AG hierfür Arbeitslohn bezog.
Darüber hinaus hat das Finanzgericht keinerlei Feststellungen zu den Tätigkeiten und deren zeitlichem Umfang getroffen, die der Arbeitnehmer als Geschäftsführer der Klägerin im Streitzeitraum ausgeübt hatte. Damit lässt sich auch nicht feststellen, ob und, falls ja, in welchem Umfang die Klägerin mit den von ihr an die AG gezahlten Monatspauschalen denjenigen Teil des von der AG an den Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslohns ersetzt hat, der wirtschaftlich auf die Arbeit des Arbeitnehmers als Geschäftsführer der Klägerin entfiel. Dies muss folglich noch nachgeholt werden.
Autorin: Daniela Karbe-Geßler