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Offener Brief – Nachfolgeregelung

Special
Lesezeit 2 Min.

Nachfolgeregelung

Liebe Leserin, lieber Leser,

mein liebster Kollege geht in den Ruhestand. Es sei ihm gegönnt, nach mehr als 45 Jahren im Job hat er es auch verdient. Aber er lässt uns zurück – denn er wird uns fehlen.

Schon seitdem feststeht, dass und wann er geht (bereits seit einem Jahr), wird in der Chefetage über die Nachfolge debattiert. Soll es überhaupt einen Nachfolger geben? Wenn ja, woher nehmen und nicht stehlen? Welche Qualifikation wäre gegebenenfalls erforderlich? Soll man eine Anzeige schalten oder die Arbeitsagentur bemühen?

offener Brief
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Können das nicht die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen mitmachen (Einsparungen!)? Keine Gedanken hat man sich bisher darüber gemacht, dass nicht nur ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt, sondern dass er auch sein ganzes Wissen mitnimmt, das er über viele Jahre erworben hat. Wie kann, soll, muss er das weitergeben, damit die Expertise im Unternehmen bleibt? Das wurde in der ganzen Kostendiskussion nicht bedacht.

Nun ist es so weit: Der Kollege hat in drei Wochen seinen letzten Arbeitstag. Und schon ist die Stelle ausgeschrieben. Aber wann wird sie besetzt? Der Fachkräftemangel trifft auch unsere Branche. Und selbst wenn die Stelle zügig besetzt werden kann – innerhalb von drei Wochen wird es nicht gehen. Also: keine Einarbeitung durch den bisherigen Stelleninhaber, keine Weitergabe von Informationen, die nicht schriftlich dokumentiert sind oder werden können.

Bis der oder die Neue kommt, müssen wir „Hinterbliebenen“ seinen Arbeitsplatz eben mit übernehmen, mehr schlecht als recht, denn er ist ein echter Spezialist. Da jeder von uns macht, was er kann, ist auch für uns eine vernünftige Übergabe schwierig. Die aktuellen Projekte und Aufgaben, das wird schon irgendwie gehen, aber das Wissen und die Erfahrung – das kann er uns in der kurzen Zeit gar nicht mehr vermitteln.

Er reißt eine große Lücke, die zwar durch einen Neuzugang besetzt, aber längst nicht ausgefüllt werden kann. Und die Wissenslücke, die er durch seinen Fortgang verursacht, die kann gar nicht geschlossen werden.

Ich habe gehört, dass das in vielen Unternehmen so läuft – schade eigentlich. Wie viel Wissen da verloren geht und was das das Unternehmen kostet – unglaublich. Unsere Geschäftsleitung hat das jetzt verstanden und den Ausstieg des Kollegen zum Anlass genommen, über ein Wissenstransfer-Management nachzudenken. Also: möglichst viele Informationen auch für andere zugänglich zu dokumentieren und nicht alles nur im Kopf zu behalten. Und: frühzeitige Nachbesetzung der Stelle, idealerweise mindestens ein halbes Jahr parallel für eine vernünftige Einarbeitung und Übergabe. Wobei Nachdenken ja noch nicht umgesetzt heißt. Schauen wir mal – ich plane, in zwei Jahren in Rente zu gehen. Sollte doch eigentlich ausreichend Zeit sein …

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erkenntnisreiche Zeit.

Ihr Felix, der Glückliche

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