Statusfeststellung : Lehrer oder Dozenten: Abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig?
In der Praxis ist es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Personal- oder Steuerbüros nicht immer leicht, sicher zu beurteilen, ob Coaches, Dozenten oder Lehrer, die für ein Honorar für Bildungseinrichtungen arbeiten, abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sind.
Bei einer Falschbeurteilung drohen nach Betriebsprüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung immer öfter hohe Nachforderungen, die bei Unternehmen zu einer Insolvenz führen können. Auch die bisherige Rechtsprechung der Sozialgerichte sorgt für Unklarheit und Verwirrung. Nachfolgend verraten wir Ihnen, worauf es bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Coaches, Dozenten oder Lehrern ankommt.
Folgt man der gesetzlichen Grundlage (§ 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV) liegt eine Beschäftigung vor, wenn es sich um eine nicht selbstständige Arbeit handelt. Das bedeutet, es muss ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Von einer Beschäftigung ist auszugehen, wenn der Coach, Dozent oder Lehrer seine Tätigkeit nach Weisungen erledigt und in die Organisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Ferner ist von einer Beschäftigung auszugehen, wenn der Betroffene von seinem Arbeitgeber oder Auftraggeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit ist gegeben, wenn der betroffene Beschäftigte seine Tätigkeit nicht frei gestalten kann. Eine freie Gestaltung ist nicht gegeben, wenn jemand in einem fremden Betrieb eingegliedert ist und er einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers oder Auftraggebers unterliegt. Das bedeutet in der Praxis, dem Betroffenen wird vom Arbeitgeber vorgeschrieben, wann er die Tätigkeit und wo er die Arbeit auszuführen hat. Der Arbeitgeber schreibt ihm auch vor, wie lange die Tätigkeit andauert und wie er sie auszuführen hat. Bei Diensten höherer Art kann die Weisungsgebundenheit schon einmal eingeschränkt sein. Vor allem dann, wenn jemand als Coach, Dozent oder Lehrer auf seinem Gebiet ein Spezialist ist.
Dagegen ist von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, wenn der Coach, Dozent oder Lehrer ein eigenes Unternehmerrisiko trägt oder eine eigene Betriebsstätte hat. Von einer selbstständigen Tätigkeit ist auch auszugehen, wenn der Betroffene über die eigene Arbeitskraft selbst verfügen und im Wesentlichen seine Tätigkeit und Arbeitszeit frei gestalten kann.
Entscheidend ist am Ende, welche Merkmale überwiegen, die für eine abhängige Beschäftigung oder die für eine selbstständige Tätigkeit. Hier ist eine Gesamtabwägung durchzuführen.
Auf den Umfang kommt es an Verfolgt man in den letzten Jahren die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), haben die Richter durch ihre Entscheidungen die betriebliche Eingliederung immer mehr in den Vordergrund gestellt. So haben die Richter aufgrund des Umfangs der betrieblichen Eingliederung und der damit einhergehenden Einschränkung der freien Gestaltung der Erwerbstätigkeit für Selbstständige ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt.
War es bei Coaches, Dozenten und Lehrern bisher so, dass von einer abhängigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung ausgegangen wurde, wenn diese durch die Übernahme weiterer Nebenpflichten in den Schulbetrieb eingegliedert waren und nicht nur stundenweise Unterricht erteilten, hat sich das aufgrund der Rechtsprechung der Sozialgerichte in den letzten Jahren geändert. Von einer selbstständigen Tätigkeit ist man bei Dozenten oder Lehrbeauftragten an Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen oder Musikschulen ausgegangen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut waren und weitere Pflichten von ihnen nicht zu übernehmen waren.
Folgt man einem Urteil des BSG vom 28.06.2022 (Az.: B 12 R 3/20 R) stand eine Musiklehrerin, die an einer städtischen Musikschule tätig war und Unterricht erteilte, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung, weil sie persönlich in den Räumen der Arbeitgeberin ihre Arbeit ableisten musste. Für eine abhängige Beschäftigung sprach, so die Richter, dass die Lehrerin in die Organisationsabläufe der Musikschule eingebunden gewesen war. Die Räume, in denen der Unterricht stattfand, gehörten der Musikschule. Auch die Musikinstrumente gehörten der Schule. Die Musiklehrerin hatte keine unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen könnten.
Festlegungen getroffen
Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Rechtsprechung haben sich die Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung (Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit) am 04.05.2023 (Tagesordnungspunkt 1) auch mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Coaches, Dozenten und Lehrern befasst. Nach diesem Besprechungsergebnis ist bei Dozenten, Lehrbeauftragten und Lehrern, die an Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen oder Musikschulen tätig sind, von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, wenn sie in den Betrieb eingegliedert sind.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Verpflichtung für den Betroffenen besteht, die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen. Was für die Praxis bedeutet, er darf keinen Vertreter entsenden, der für ihn die Tätigkeit verrichtet.
Von einer abhängigen Beschäftigung ist auszugehen, wenn die Unterrichtszeiten und Unterrichtsräume durch die Schule oder die Bildungseinrichtung festgelegt werden. Was in der Praxis bedeutet, dass der Coach, Dozent oder Lehrer kein Mitspracherecht bezüglich der Unterrichtszeiten hat.
Von einer Eingliederung in den Betriebsablauf ist ferner auszugehen, wenn der betroffene Dozent keinen Einfluss auf die zeitliche Gestaltung der Lehrtätigkeit hat.
Beispiel:
Die Bildungseinrichtung legt die Unterrichtszeiten fest. Die Bildungseinrichtung spricht mit dem
Dozenten die Unterrichtszeiten ab.
Ferner ist von einer Eingliederung in den Betriebsablauf auszugehen, wenn für den Coach, Dozenten oder Lehrer eine Meldepflicht besteht, wenn er wegen einer eigenen Erkrankung den Unterricht nicht durchführen kann.
Beispiel:
Der Dozent kann das Seminar aus gesundheitlichen Gründen nicht durchführen. Aus einer schriftlichen Vereinbarung geht hervor, dass der Dozent verpflichtet ist, sich wegen einer Erkrankung zu melden.
Die Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung gehen ferner von einer Eingliederung in den Betriebsablauf aus, wenn der Dozent für einen unverschuldeten Unterrichtsausfall ein Ausfallhonorar von der Bildungseinrichtung erhält.
Für eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung spricht auch, wenn die Coaches, Dozenten oder Lehrer einer Bildungseinrichtung verpflichtet sind, regelmäßig an Konferenzen oder Dienstbesprechungen der Bildungseinrichtung teilzunehmen.
Beispiel:
Aus einer schriftlichen Vereinbarung geht hervor, dass der Dozent verpflichtet ist, regelmäßig an Dienstbesprechungen der Bildungseinrichtung teilzunehmen.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist