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Sozialversicherung : Rentenreform und Grundrente im Blick

Lesezeit 5 Min.

Die Bundesregierung gibt in puncto Rentenreform derzeit richtig Gas. Nach mehreren Gesetzen, die angesichts der demografischen Herausforderungen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren, zuletzt 2017, auf den Weg gebracht wurden, ist zum 01.01.2019 das RV-Leistungsverbesserungs- und -stabilisierungsgesetz in Kraft getreten. Nun steuert die Bundesregierung auf die vielfach diskutierte Grundrente zu, und das ist nicht der letzte Akt.

Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung

Das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) trat soeben in Kraft. Es bringt eine doppelte Haltelinie, Verbesserungen bei Mütter- und Erwerbsminderungsrenten sowie Entlastungen von Geringverdienern. Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung werden weiter verbessert und gleichzeitig wird die Beitragslast für die Sozialpartner stabilisiert. Da die Stabilität des Systems der Altersvorsorge als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet wird, erhöhte der Staat den Zuschuss aus Steuern zuletzt auf 70 Mrd. Euro im Jahr 2018. Weitere Leistungsverbesserungen sieht das Gesetz bei der Erwerbsminderungsrente, der Anerkennung von Kindererziehungszeiten sowie bei niedrigen Arbeitsentgelten vor. Zudem werden niedrige Arbeitsentgelte durch verringerte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung entlastet. Auch die Jüngeren profitieren, weil der Rentenpakt garantiert, dass der Rentenbeitrag nicht über 20 Prozent steigt.

Das Gesetz hat vier Kernelemente: Rentenniveau und Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2025 garantiert

  • Das Sicherungsniveau vor Steuern wird bis zum Jahr 2025 bei 48 Prozent gehalten. Hierfür wird die Rentenanpassungsformel so ergänzt, dass bis zum Jahr 2025 mindestens ein Niveau von 48 Prozent erreicht wird (Haltelinie I).
  • Der Beitragssatz zur Rentenversicherung wird die Marke von 20 Prozent bis zum Jahr 2025 nicht überschreiten (Haltelinie II).
  • Der Staat übernimmt über einen erhöhten Zuschuss aus Steuern zusätzliche Verantwortung. Hierfür wird im Bundeshaushalt ein „Demografiefonds“ von 2021 bis 2024 mit jährlich zwei Milliarden Euro aufgebaut, der die Beitragsobergrenze auch im Fall unvorhergesehener Entwicklungen absichert. Zusätzlich wird eine Beitragssatzuntergrenze von 18,6 Prozent bis zum Jahr 2025 eingeführt, um den Beitragssatz zu verstetigen.
  • Die Absicherung bei Erwerbsminderung wird deutlich verbessert. Die Zurechnungszeit wird für Rentenzugänge im Jahr 2019 in einem Schritt auf 65 Jahre und acht Monate angehoben. Anschließend wird sie in Anlehnung an die Anhebung der Regelaltersgrenze weiter auf 67 Jahre verlängert.
  • Das Gesetz bringt eine bessere Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder
  • Mütter oder Väter erhalten für vor 1992 geborene Kinder ein weiteres halbes Kindererziehungsjahr angerechnet. Davon profitieren schon allein knapp zehn Millionen Rentnerinnen und Rentner.
  • Entlastung von Beschäftigten mit geringem Einkommen. Die bisherige „Gleitzone“ wird auf Arbeitsentgelte von 450,01 Euro bis 1.300 Euro (bisher 850 Euro) zum „Übergangsbereich“ für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet. Beschäftigte in diesem Bereich werden stärker bzw. erstmalig bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Zudem führen die verringerten Rentenbeiträge nicht mehr zu geringeren Rentenansprüchen. Davon profitieren bis zu 3,5 Millionen Beschäftigte.

Demografische Rentenreform

Demografische Rentenreform

In Kraft

Geplant

Alterseinkünftegesetz (nachgelagerte Besteuerung)

Grundrente

Regelaltersrenten-Anpassungsgesetz (Rente mit 67)

Online-Rentencheck

Neue Grundrente ab 2021 geplant

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode sieht die Einführung einer „Grundrente“ vor. Der Vertragstext von 2017 bis 2021 führt aus: „Die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, soll honoriert und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen 10 Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs zugesichert werden. Die Grundrente gilt für bestehende und zukünftige Grundsicherungsbezieher, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweisen. Voraussetzung für den Bezug der ‚Grundrente‘ ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. Die Abwicklung der Grundrente erfolgt durch die Rentenversicherung. Bei der Bedürftigkeitsprüfung arbeitet die Rentenversicherung mit den Grundsicherungsämtern zusammen.“

Modell Grundrente im Blick

Im Modell der Grundrente soll die Lebensleistung durch eine Aufstockung auf 10 Prozent oberhalb des Grundsicherungsniveaus (Sozialhilfe) anerkannt werden. Strittig ist, ob dies mit oder ohne Bedürftigkeitsprüfung erfolgen soll. Hier werden die traditionellen Grenzen der Parteien wieder sichtbar. Die sozialdemokratische Seite favorisiert einen gesetzlichen Anspruch (Rente) ohne Bedürftigkeitsprüfung, wie das im System der sozialen Sicherung (Arbeitslosengeld, Krankengeld) typisch ist. Die christlich-demokratische Seite begreift die Thematik im Sinne einer Fürsorgeleistung, deren Gewährung an den Nachweis der individuellen Bedürftigkeit geknüpft ist.

Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung (Versicherung)

Dagegen bereitet die technische Umsetzung geringe Probleme, denn die Deutsche Rentenversicherung verfügt im erstgenannten Sinne bereits heute über alle Daten, um die Versicherten mit einem grundsätzlichen Anspruch eindeutig zu identifizieren. Sie kennt entsprechend den Vorgaben des Rentenrechts (§ 36 Satz 1 Nr. 2, § 236 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), dass für eine Altersrente für langjährig Versicherte 35 Jahre (das sind 420 Monate) an versicherungsrechtlichen Mindestversicherungszeiten (sog. Wartezeiten) erfüllt sein müssen. Hierunter fallen Beitragszeiten (Arbeitnehmer, pflichtversicherte Selbständige etc.), beitragsfreie Zeiten (Arbeitsunfähigkeit, Mutterschutz etc.) und Berücksichtigungszeiten (Kindererziehung, Pflege etc.).

Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung (Fürsorge)

Der Leistungsbezug im Sozialrecht beinhaltet eine Bedürftigkeitsprüfung. Leistungen der Grundsicherung im Alter setzen das Erreichen der Regelaltersgrenze voraus (2019: 65 Jahre und acht Monate, ab 2031: 67 Jahre für Geburtsjahrgänge ab 1964). Sofern am Ende nicht auch die Grundrentenberechtigung an das Erreichen der Regelaltersgrenze gebunden wird, wäre eine entsprechende Freibetragsregelung auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) sowie im Rahmen des SGB II erforderlich.

Wodurch entstehen niedrige gesetzliche Renten?

Ursächlich für niedrige Renten sind neben fehlenden Versicherungsjahren die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Hierunter fallen die Arbeitslosigkeit, der Niedriglohnsektor sowie die Teilzeitarbeit. In der Diskussion wird deutlich, dass künftig auch die individuelle Arbeitszeit berücksichtigt werden muss und nicht nur die Höhe der Arbeitseinkünfte. So wird bei der Grundrente gefordert, den zeitlichen Umfang der Leistung genauso zu berücksichtigen wie die Jahre der Beitragsleistung. Dies könnte etwa dadurch erfolgen, dass die Arbeitgeber künftig in die Jahresmeldung (DEÜV) nicht nur das beitragspflichtige Entgelt (=Bemessungsgrundlage für Rentenbeiträge), sondern zusätzlich eine Information zur Arbeitszeit übermitteln sollten.

Rente 4.0

Derzeit findet deutschlandweit eine Diskussion in allen Bereichen darüber statt, ob eine von der Mehrheit der Bürger gewünschte Grundrente mit oder ohne Bedürftigkeitsprüfung gewährt werden soll. In dieser Situation plant die Bundesregierung einen Renten-Check im Internet. Mit wenigen Klicks soll jeder erfahren können, wie viel Geld ihm aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge im Alter zur Verfügung steht, und die Rentenlücke soll sich dort berechnen lassen. Derzeit entwickeln die zuständigen Referate im Bundesarbeitsministerium und im Bundesfinanzministerium die konzeptionellen Grundlagen für dieses Portal. Aktuell sind noch viele Fragen zu klären, unter anderem zum Datenschutz. Vielen Bürgern wird beim Betrachten der Zahlen hoffentlich nicht schwarz vor Augen werden.

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