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Sag es in SAP : Umsetzung der Lohn- und Gehaltspfändung in SAP

Erforderliche Vergleichsrechnung bei Unterhaltspfändung Pfändbarer Betrag laut Tabelle vs. pfändbarer Betrag laut Beschluss

Lesezeit 3 Min.

Die Vorschriften zur bevorrechtigten Pfändung (Unterhaltspfändung) finden Sie in § 850d der Zivilprozessordnung (ZPO). Hierüber wurde bereits ausführlich in den letzten Ausgaben der LOHN+GEHALT (L+G) berichtet. Dieser Artikel befasst sich mit der Besonderheit des § 850d Abs. 1
S. 3 ZPO. Dort heißt es: „Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte.“ Darauf wird auch auf Seite 9 des Unterhaltspfändungsformulars zu § 2 Nr. 1 der Zwangsvollstreckungsfomular-Verordnung (ZVFV) ausdrücklich hingewiesen (s. Abb. 1). Anders ausgedrückt bedeutet das, sofern der pfändbare Betrag gem. 850c ZPO (Pfändungstabelle) höher ist als der sich ergebende pfändbare Betrag laut Beschluss, ist abweichend vom Beschluss der pfändbare Betrag nach der Pfändungstabelle zu ermitteln. Diese gesetzliche Norm soll sicherstellen, dass der Gläubiger nicht schlechter gestellt wird, als wenn er die Pfändung nach § 850c ZPO beantragt hätte.

Wie kann es überhaupt zu solchen Fallkonstellationen kommen?

In der Praxis findet die Vorschrift Anwendung, wenn ein hohes Arbeitseinkommen (Pfändungsnetto) bezogen wird, da der gesamte Betrag über 3.475,75 Euro in voller Höhe der Pfändung unterliegt (vgl. § 850c Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Beispiel

Das Nettoeinkommen des verheirateten Arbeitnehmers S. beträgt 6.500,30 Euro (davon sonstiger Bezug 3.397,69 Euro netto). Ein „uneheliches“ Kind pfändet wegen Unterhaltsrückständen in Höhe von 2.400 Euro sowie laufenden Unterhalt von 400 Euro. Darstellung im SAP-Protokoll und kurze Erläuterung siehe Abb. 3. Der Beschluss lautet: Selbstbehalt 930 Euro, Mehrbetrag ist zur Hälfte unpfändbar.

Pfändbarer Betrag

Pfändungsnetto

6.500,30 Euro

./. Freibetrag (Selbstbehalt)

930,00 Euro

= Mehrbetrag

5.570,30 Euro

./. unpfändbarer Mehrbetrag
(1/2 des Mehrbetrags)

2.785,15 Euro

= pfändbarer Betrag laut Beschluss

2.785,15 Euro

Pfandfreier Betrag

Vergleichsrechnung – pfändbarer Betrag nach § 850c ZPO

Pfandbarer betrag
Pfändbarer Betrag

Pfändbarer Betrag bei > 3.475,79 Euro und einer unterhaltsberechtigten Personen

954,75 Euro

Betrag über 3.475,79 Euro voll pfändbar

3.024,51 Euro

= insgesamt pfändbarer Betrag laut Tabelle

3.979,26 Euro

*Es ist von einer unterhaltsberechtigten Person auszugehen, der Ehefrau. Das vollstreckende „uneheliche“ Kind bleibt unberücksichtigt.

„Dabei sind als unterhaltsberechtigte Personen alle Personen zu berücksichtigen, denen der Schuldner kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet ist und auch Unterhalt leistet, und nicht nur die, die dem pfändenden Unterhaltsgläubiger gegenüber vor- oder gleichrangig sind.“ (Hock nach Zöller/Stöber in Hock/Hock, 2014, Lohnpfändung und Verbraucherinsolvenz, 2. Auflage, Verlag C.H. Beck, Seite 77, Randnummer 439).

„Der Drittschuldner muss daher prüfen, welcher Betrag pfändbar wäre, wenn der Unterhaltsgläubiger die Vollstreckung als Normalgläubiger betreiben würde. Bei dieser Feststellung darf der pfändende Unterhaltsgläubiger nicht berücksichtigt werden, weil ihm der Unterhaltsschuldner keinen Unterhalt leistet.“ (Dietrich Bower, 2015, Handbuch Lohnpfändung und Lohnabtretung, 3. Auflage, Verlag DATAKONTEXT, Seite 231, Randnummer 776)

 

Da der pfändbare Betrag laut Tabelle höher ist als der pfändbare Betrag laut Beschluss, ist der pfändbare Betrag zwingend nach § 850c ZPO zu ermitteln und damit 3.979,26 Euro einzubehalten.

Wie sage ich es SAP?

Im Infotyp (IT) 0114 (pfändbarer Betrag) ist im Reiter „Sonderfälle“ der Sonderfall „04: Der größere Betrag B1/B2 zieht“ zu erfassen. Hierdurch wird der pfändbare Betrag nach § 850c ZPO (Block 1) mit dem pfändbaren Betrag nach § 850d ZPO (Block 2) verglichen und der höhere Wert einbehalten. Durch Erfassen des Sonderfalls 04 erscheint die Aufforderung, dass – ausnahmsweise – beide Blöcke, eins und zwei, gepflegt werden müssen. Zusammengefasst ergibt sich die Vorgehensweise aus Abb. 2.

Ein digitales Formular mit Feldern für Name, Nummer, Datum und Anmerkungen zu Sonderfällen im Zusammenhang mit Lohn- und Gehaltspfändung. Einige Felder sind rot eingekreist. Ein Textfeld am unteren Rand hebt zusätzliche Informationen hervor, die für den Sonderfall 04 erforderlich sind.
Eine Finanztabelle mit detaillierten Bruttolöhnen, Abzügen und Nettoeinkommen. Es umfasst die Kategorien „Laufendes Arbeitseinkommen“ und „Sonstige Bezüge“, mit Angaben zu Lohn- und Gehaltspfändungsabzügen und Nettoauszahlungen in Euro, gekennzeichnet mit „Abb. 3.
SAP2

Ohne Erfassung des Sonderfalls 04 ergibt sich laut Protokoll entsprechend ein pfändbarer Betrag von 2.785,15 Euro (s. Abb. 4).

Darstellung und Nachvollziehen im SAP-Protokoll

Nach Erfassen des Sonderfalls 04 im IT 0114 sowie den zusätzlichen Eingaben im Block 1 ergibt sich nunmehr folgende korrekte Berechnung (s. Abb. 5a, 5b).

Fazit

Der Arbeitgeber hat in den Fällen von hohen Arbeitseinkommen von sich aus die Vergleichsrechnung durchzuführen. Obwohl es sich um eine grundlegende gesetzliche Vorschrift in § 850d Abs. 1 Satz 3 ZPO handelt, auf die auch explizit im Unterhaltspfändungsformular hingewiesen wird, erfolgt in SAP keine automatische Parallel- bzw. Vergleichsrechnung.

Um den korrekten pfändbaren Betrag zu erhalten, ist zwingend im IT 0114 bei den Sonderfällen der Sonderfall 04 zu erfassen, damit abrechnungstechnisch geprüft werden kann, nach welcher Berechnungsmethode sich ein höherer pfändbarer Betrag ergibt (§ 850c ZPO oder § 850d ZPO).

Vielleicht können Mitglieder den Sachverhalt in einer der Arbeitsgemeinschaften (ARGE) SAP von DATAKONTEXT diskutieren.

Ein deutsches Dokument enthält eine Tabelle mit Berechnungen mit der Bezeichnung „Abb. 5a“. Darin sind verschiedene Finanzzahlen im Zusammenhang mit der Lohn- und Gehaltspfändung aufgeführt. Die endgültige Summe von 9.979,26 ist deutlich durch einen roten Kreis hervorgehoben.
Screenshot einer Berechnungstabelle mit dem Titel „Ermittlung Pfandbarer Betrag nach Sonderfall“. Es beschreibt Vorgänge mit Werten und einem hervorgehobenen Ergebnis, „Ergebnis der Regel: 3.979,41“. Der Kontext der Tabelle dreht sich um die Besonderheiten der Lohn- und Gehaltspfändung und zeigt „Pfandbarer Betrag“ und „Pfandfreier Betrag“.

Frage an die Leser/innen

Gibt es ein besonderes Thema aus dem Bereich der Lohn- und Gehaltspfändung, über das Sie in der Zeitschrift LOHN+GEHALT mehr erfahren möchten? Dann schreiben Sie Ihre Vorschläge gerne an Herrn Markus Matt, matt@datakontext.com.

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