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Datenschutz : Wann ist ein Videointerview im Bewerbungsverfahren zulässig?

Lesezeit 6 Min.

Zur Unterstützung des Bewerbungsprozesses werden zunehmend Videointerviews eingesetzt. Im Unterschied zum Telefoninterview vermitteln Videointerviews auch den visuellen Eindruck über die Mimik und Gestik des Bewerbers. Damit stehen dem Interviewer ähnlich viele Eindrücke wie in einem Präsenzinterview zur Verfügung. Dem Bewerber wird indes die Anreise zum Interview erspart. Vom Videointerview ist die Videobewerbung zu unterscheiden. Hier stellt sich der Bewerber per Video in einem Monolog vor. Eine Befragung erfolgt nicht. Der folgende Beitrag konzentriert sich auf das Videointerview und beleuchtet, unter welchen Voraussetzungen ein Videointerview aus Datenschutzsicht zulässig ist. Weitergehende Analysen von aufgezeichneten Videos oder Sprachaufnahmen wie Keyword Spotting oder Stimmanalysen bedürfen einer gesonderten Betrachtung, weshalb sie an dieser Stelle außen vor bleiben.

Videointerview

In einem Videointerview werden im Vergleich zu einem Präsenzinterview zusätzliche Daten verarbeitet. Welche Daten konkret verarbeitet werden, hängt von der eingesetzten Lösung ab. Auf jeden Fall werden Videobilder, Sprachaufnahmen, Zeitstempel des Interviewbeginns und des Interviewendes sowie die IP-Nummer verarbeitet. Manche Lösungen erheben vom Bewerber noch dessen Standort, Namen oder auch den Status der Bewerbung. Werden weitere Analysen beabsichtigt, wie die automatische Bewertung des emotionalen Zustands oder der verwendeten Wörter, kommen weitere Daten hinzu. Im Rahmen der Informationspflicht nach Art. 13 und 14 DS-GVO muss das Unternehmen den Bewerber und die am Interview beteiligten Mitarbeiter (Interviewer) vollständig über alle verarbeiteten Daten informieren, d. h. auch über die im Zuge der technischen Übertragung verarbeiteten Daten. Die folgende Betrachtung konzentriert sich auf die Zulässigkeit der auf jeden Fall verarbeiteten Daten. Vereinfacht gesagt, ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn

  • ein oder mehrere Zwecke vorhanden sind,
  • eine Rechtsgrundlage die Verarbeitung legitimiert,
  • nur die Personen auf die Interviewdaten zugreifen dürfen, die die Daten unbedingt benötigen, und
  • die Daten gelöscht werden, sobald diese nicht mehr zur Zweckerreichung benötigt werden.

Die gesetzliche Anforderung, dass nur die Personen Zugriff auf die Videodaten haben dürfen, die diese für ihre Aufgabenerfüllung unbedingt benötigen, lässt sich einfach umsetzen. Zu diesem Personenkreis werden die Interviewer sowie die an der Entscheidung beteiligten Personen gehören. Die Zugriffsrechte sind entsprechend einzurichten. Maßstab ist die konkret zu besetzende Stelle, d. h. nicht jede Führungskraft darf pauschal auf alle Videointerviews Zugriff haben, sondern nur auf diese, die für eine Stelle geführt worden sind, an deren Besetzungsentscheidung die jeweilige Führungskraft mitwirkt. Sobald die Videodaten für die Zwecke nicht mehr benötigt werden, sind sie zu löschen. Das wird im Regelfall spätestens nach Treffen der Entscheidung über die konkrete Bewerbung der Fall sein. Ggf. empfiehlt es sich, die Verjährung der Ansprüche aus dem AGG abzuwarten. Es darf bezweifelt werden, dass eine Übernahme eines gespeicherten Videointerviews in die Personalakte des eingestellten Bewerbers zulässig ist. Werden Videointerviews über Plattformen von Dienstleistern durchgeführt, liegt regelmäßig eine Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DS-GVO vor. Folglich ist der Anbieter sorgfältig auszuwählen und seine Geeignetheit zu dokumentieren sowie mit diesem eine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung abzuschließen. Bietet der Dienstbetreiber keine Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung an, darf der Dienst regelmäßig nicht eingesetzt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der Dienstleister keine Daten speichert, ohne dass diese Speicherung für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Eine Datenverarbeitung ohne Erforderlichkeit stellt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Die Berliner Aufsichtsbehörde empfiehlt deshalb, Skype nicht zu verwenden (Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (2017): Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2016, S. 116 f.).

Zwecke

Der offensichtliche Zweck eines Videointerviews dürfte die Durchführung eines Vorstellungsgesprächs zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses sein. Wenn das Interview aufgezeichnet werden soll, kommen weitere Zwecke hinzu. Welche das konkret sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Denkbar wäre bspw. eine spätere automatische Analyse oder nachträgliche Betrachtung durch nicht anwesende Entscheider.

Rechtsgrundlagen

Das Videointerview dient der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, d. h. § 26 Abs. 1 BDSG kommt zur Anwendung. Nach § 26 Abs. 1 BDSG dürfen die personenbezogenen Daten verarbeitet werden, die für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Die Zulässigkeitsprüfung konzentriert sich auf die Frage: Ist die konkrete Verarbeitung erforderlich oder nur nützlich? An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Grenzen des § 26 BDSG nicht durch Einwilligungen erweitert werden können. Diese Einwilligungen sind unwirksam.

Vor Wirksamwerden der DS-GVO und des neuen BDSG haben sich verschiedene Datenschutzaufsichtsbehörden mit der Zulässigkeitsfrage beschäftigt. Da sich der Kern des damaligen § 32 BDSG-alt im neuen § 26 BDSG wiederfindet, lassen sich die Antworten der Aufsichtsbehörden auch im Lichte der heutigen Rechtslage anwenden. Gleichwohl stellt § 26 BDSG keinen Freibrief dar. Vielmehr wird gemäß BAG-Rechtsprechung im Kern eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmens an Verarbeitung und dem gegenläufigen Interesse des Bewerbers verlangt. Dabei steht die Frage nach der „Erforderlichkeit“ im Zentrum der Betrachtung.

Die Aufsichtsbehörden von Berlin und NRW halten Videointerviews für unzulässig. Die LDI NRW bemängelte u. a.:

  • die Verpflichtung zur Teilnahme und
  • die sich durch die beliebig häufige Abspielbarkeit der aufgezeichneten Videointerviews ergebende höhere Eingriffstiefe (LDI NRW (2017): Datenschutz und Informationsfreiheit, 23. Bericht 2017, S. 52 ff.).

Weiterhin seien Entlastungseffekte im Recruitingprozess für den Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen, da sie für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich seien. Entlastungseffekte begründen keine Erforderlichkeit, sondern beschreiben lediglich eine Nützlichkeit. Auch die Berliner Aufsichtsbehörde sieht die Erforderlichkeit für die höhere Eingriffstiefe durch Bild- und Tonaufnahmen nicht gegeben, da es mildere Mittel wie bspw. Fragebögen gebe (Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (2017): Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2016, S. 117 f.). In der Literatur wurde zwar versucht, die Erforderlichkeit durch eine höhere Aussagekraft von Interviews zu belegen (so Nina Diercks (2017): Video-Interviews in Personalauswahlverfahren. Erforderlichkeit nach § 32 BDSG (§ 26 BDSG-Neu), DuD 12/2017, S. 750-756). Da die dort vorgebrachte Argumentation sich auf Interviews per se, d. h. auch Präsenzinterviews, bezieht, lässt sich keine Erforderlichkeit für eine Aufzeichnung des Videointerviews ableiten.

Die bayerische Datenschutzaufsichtsbehörde für die Privatwirtschaft betrachtet ein Videointerview insbesondere unter den folgenden Umständen (Tätigkeitsbericht für 2017/18, S. 89):

  1. Information der Betroffenen vor dem Interview,
  2. als Alternative ein Präsenzinterview anbieten (ohne Nachteile für den Bewerber),
  3. Live-Interviews ohne Aufzeichnung,
  4. Verschlüsselung des Transportweges,
  5. Sichtbarkeit aller Gesprächsteilnehmer auf Seiten des Arbeitgebers aus Transparenzgründen.

Der entscheidende Unterschied liegt in dem Verzicht auf die Aufzeichnung. Aus aufsichtsbehördlicher Sicht wäre ein per Video geführtes Interview ohne Aufzeichnung und als freiwilliges Zusatzangebot zulässig. Eine Aufzeichnung jedoch nicht. Die Verschlüsselung des Transportweges ist unverzichtbar.

Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes

Zusätzlich ist zu beachten, dass die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eine Straftat darstellt (§ 201 StGB). Das führt zu der auf den ersten Blick überraschenden Situation, dass eine Einwilligung für das Videointerview benötigt wird, obwohl eine Einwilligung aus Datenschutzsicht ein Videointerview nicht legitimiert. Datenschutzrecht und Strafrecht wirken nebeneinander, d. h. beide Vorschriften sind zusammen zu erfüllen. Aus Datenschutzsicht muss – wie in Abschnitt 4 dargestellt – das Videointerview zulässig sein; hier legitimiert durch die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses. In einem zweiten Schritt muss die Strafvorschrift beachtet werden. Diese verlangt in der Konsequenz eine Einwilligung von allen am Videointerview beteiligten Personen für die Aufnahme – auch bei kurzzeitiger Speicherung – des gesprochenen Wortes (Gola (2018), RDV 1/2018, S. 24 ff.). Diese Einwilligung erlaubt die Aufnahme, weitet aber weder das Fragerecht des Arbeitgebers aus, noch ersetzt sie die datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage. Konkret ist eine Einwilligung vom Bewerber und den am Videointerview teilnehmenden Mitarbeitern erforderlich. Das bedeutet auch, dass eine heimliche Aufnahme unzulässig ist. Da eine Einwilligung freiwillig erteilt werden muss, sind regelmäßig Alternativen wie z.B. ein Präsenzinterview anzubieten. Die Einwilligung ist grundsätzlich schriftlich zu erteilen und sollte aufbewahrt werden, um die Zulässigkeit beweisen zu können.

Fazit

Ob Videointerviews zulässig sind, hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung ab. Es bietet sich an, den oben genannten Empfehlungen der bayrischen Datenschutzaufsichtsbehörde für die Privatwirtschaft zu folgen. Auch wenn das Videointerview auf § 26 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann, wird zusätzlich eine Einwilligung benötigt, um die Strafbarkeit der Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes zu vermeiden. Aufzeichnungen werden von Datenschutzaufsichtsbehörden ablehnend betrachtet. Weiterhin sind die üblichen Anforderungen einzuhalten, wie Abschluss einer Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung, vollständige Information der Bewerber sowie Beschränkung der Daten auf das für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderliche Maß.

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