Arbeitsrecht : Arbeitsrecht im öffentlichem Dienst
In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.
Anrechnung von Vordienstzeiten
Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 23.04.2020 – C-710/18 – (Ersuchen des BAG an den EuGH um Vorabentscheidung) – zitiert nach juris –:
Art. 45 Abs. 1 AUEV [Arbeitnehmerfreizügigkeit] ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Ermittlung der Höhe des Entgelts eines als Lehrer bei einer Gebietskörperschaft beschäftigten Arbeitnehmers die Vordienstzeiten, die von diesem Arbeitnehmer bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Arbeitgeber als dieser Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, nur im Umfang von insgesamt bis zu drei Jahren berücksichtigt, wenn diese Tätigkeit derjenigen gleichwertig ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Tätigkeit als Lehrer auszuüben hat.
Überstundenvergütung; Bereitschaftszeiten in einer integrierten Leitstelle; Abgrenzung zum feuerwehrtechnischen Dienst
Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 30.10.2019 – 6 AZR 16/19 –:
- Beschäftigte in einer Leitstelle im Organisationsbereich einer Feuerwehr gehören zum feuerwehrtechnischen Dienst im Sinne der Anlage D Abschn. D.2 TVöD-V. Folglich richtet sich ihre Arbeitszeit nach den für die entsprechenden Beamten geltenden Bestimmungen (Rn. 26). 2. Dies gilt regelmäßig nicht für Beschäftigte in sog. integrierten Leitstellen, die nicht von einer Feuerwehr betrieben werden. Es fehlt der Bezug zu einer Feuerwehrorganisation, welcher eine Gleichstellung mit Beamten im Feuerwehrdienst rechtfertigt (Rn. 27 ff.).
- Bei solchen integrierten Leitstellen ist bezogen auf die konkrete Tätigkeit in der Leitstelle zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Anfall von Bereitschaftszeiten nach dem Anhang zu § 9 Teil B Abs. 1 TVöD-V erfüllt sind. Beruft sich der Arbeitgeber auf das Vorliegen von Bereitschaftszeiten, die nur zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet werden, trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast (Rn. 39 ff.).
Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung: Zu OS 2.: teilweise Aufgabe von BAG 22.03.1990 – 6 AZR 411/88 –
Eingruppierung während der Freistellungsphase eines Altersteilzeitverhältnisses; Überleitung eines Arbeitnehmers
Anschließend die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 25.06.2019 – 9 AZR 401/18 –:
- Bemisst sich die tarifliche Entgelthöhe nicht nur nach einer Entgeltgruppe, sondern ist sie darüber hinaus von einer Entgeltstufe abhängig, obliegt es dem Arbeitnehmer, der seine tarifgerechte Eingruppierung gerichtlich festgestellt wissen will, im Regelfall, sein Feststellungsbegehren auf die seiner Ansicht nach zutreffende Entgeltstufe zu erstrecken. Etwas anderes gilt, wenn lediglich die Entgeltgruppe, nicht aber die im Falle des Obsiegens zutreffende Entgeltstufe zwischen den Parteien streitig ist (Rn. 15).
- Ein Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet, wird aufgrund der Bestimmung des § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV vom TV-TgDRV auch dann in den TV EntgO-DRV übergeleitet, wenn er zum Zeitpunkt der Überleitung keine tatsächliche Tätigkeit ausübt. § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV, demzufolge ein Arbeitnehmer, der Altersteilzeit im Blockmodell leistet, als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften ergebenden Beträge erhält, fingiert die auszuübende Tätigkeit in der Freistellungsphase (Rn. 20 f.).
Aufrechnung; Pfändungsverbot; Urlaubsentgelt; Erhöhung der Arbeitszeit
Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 20.11.2018 – 9 AZR 349/18 –:
- Nach § 394 Satz 1 BGB ist die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht statthaft, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Wird mit einer Gegenforderung aufgerechnet, ist die Entscheidung, ob die Gegenforderung besteht oder nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft (§ 322 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO) fähig. Der Umfang der Rechtskraft der Entscheidung darf nicht unklar bleiben. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn ein Urteil die Zulässigkeit der Aufrechnung offenlässt (Rn. 17).
- Pflichtumlagebeiträge des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber aufgrund tariflicher Bestimmungen vom Nettoeinkommen des Arbeitnehmers einzubehalten und an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) abzuführen hat, sind nach § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht mitzurechnen (Rn. 20).
- Nach § 29 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 TV-BA hat der Arbeitnehmer während der Dauer seines Urlaubs Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts nach § 16 Abs. 1 und Abs. 3 TV-BA sowie der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Gehaltsbestandteile. Nach den tariflichen Bestimmungen gilt insoweit das Entgeltausfallprinzip. Dies führt bei einer unterjährigen Erhöhung der Arbeitszeit von Teilzeit auf Vollzeit dazu, dass ein Arbeitnehmer, der seinen Urlaub während seiner Vollzeitbeschäftigung nimmt, für den Zeitraum des Urlaubs die Fortzahlung der genannten Vergütungsbestandteile in voller Höhe verlangen kann (Rn. 25).
Claudia Czingon