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Corona : Reboarding einmal anders

Niemand weiß genau, wann, aber irgendwann wird es vorbei sein – ganz oder zumindest teilweise. Immer mehr Menschen und Unternehmen richten sich in der Corona-Welt ein. Damit kehren auch immer mehr Mitarbeiter aus dem Homeoffice oder der Kurzarbeit „null“ zurück ins Unternehmen. Teilweise seit vielen Wochen oder sogar Monaten von der „normalen“ Arbeit entwöhnt. War die plötzliche und ungeplante „Versetzung“ ins Homeoffice oder in die gefühlte Arbeitslosigkeit ein Schock, geht es jetzt um die Rückkehr. Ebenfalls ein kleiner „Kultur-Schock“, der eine gewisse Eingewöhnung erfordert.

Lesezeit 4 Min.
Zwei moderne, minimalistische Schreibtischlampen mit einander zugewandten Gelenkarmen in einem hellen Büroraum mit großen Fenstern im Hintergrund.

Unternehmen und Führungskräfte sollten die damit verbundenen Schwierigkeiten nicht unterschätzen. Helfen kann bei der Wiedereingewöhnung ein geplantes und strukturiertes „Reboarding“, also ein Onboarding nach längerer Abwesenheit. In einigen Betrieben wird dieses schon bei Rückkehrern nach Elternzeit oder längerer Krankheit praktiziert – mit gutem Erfolg. Die Eingewöhnung geht schneller und reibungsloser und führt zu einer schnelleren Rückkehr zur gewohnten Produktivität. Bekannt ist das Onboarding sonst eher bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. Ganz besonders wichtig bei Mitarbeitern, die aus dem Ausland erstmalig nach Deutschland kommen und somit in ein völlig neues Umfeld geraten. Aber auch für alle anderen ist der Wechsel in ein neues Unternehmen nicht ohne Probleme. Es ist einfach eine neue, unbekannte Welt. Beim Reboarding ist das nicht ganz so dramatisch. Immerhin kennt der Mitarbeiter das Unternehmen, im Wesentlichen auch die Abläufe und Zuständigkeiten und auch noch viele Kollegen. Trotzdem: Bei einer längeren Abwesenheit sind zwischenzeitlich viele Veränderungen eingetreten. Für die durchgehend tätigen Kollegen ist alles inzwischen normal, ihnen ist die Vielzahl der eingetretenen Änderungen gar nicht mehr präsent. Es geht also darum, den Rückkehrer möglichst schnell über alles zu informieren, was sich in der Zwischenzeit verändert hat, und ihn möglichst schnell wieder zu integrieren. Dafür gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln und Strategien.

Der Neu-Start

Zuallererst muss der Rückkehrer wissen, welche Aufgabe er ab sofort übernimmt, welche Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse er hat und wie sich das Team zusammensetzt, in das er jetzt (wieder) eingebunden ist. Gerade durch die Corona-Pandemie werden sich zahlreiche Regelungen und Abläufe im Unternehmen verändert haben. Insbesondere zwischenzeitliche Schutzmaßnahmen und einschränkende Verhaltensvorschriften müssen sofort vermittelt werden – zum Schutz des Mitarbeiters und anderer Kollegen oder der Kunden.

Der Empfang

Ein neuer Mitarbeiter sollte zumindest mit einem Blumenstrauß begrüßt werden – warum nicht auch der Rückkehrer? Als Zeichen, dass man sich freut, dass er wieder zurück ist und das Team unterstützen kann.

Ganz wichtig: Vor Beginn sollte geprüft werden, ob der Arbeitsplatz entsprechend eingerichtet ist. Nicht nur der PC und das Telefon sollten vorhanden und angeschlossen sein – auch die richtige Beleuchtung ist zu prüfen. Und falls der Mitarbeiter besondere Anforderungen an Schreibtisch und/oder Bürostuhl hat, müssen diese ebenso berücksichtigt werden. Soweit das Büro nicht ohnehin ausschließlich über höhenverstellbare Schreibtische verfügt, muss ein solcher bei Bedarf eben rechtzeitig herbeigeschafft werden. Selbstverständlich sollten die üblichen Arbeitsmaterialien wie Locher, Hefter, Ablagemappen usw. vorhanden sein – wenn diese für die Arbeit notwendig sind.

Gerade bei längeren Abwesenheiten können sich die Zugriffsrechte in der Datenverarbeitung geändert haben oder müssen neu vergeben werden. Das gilt insbesondere, wenn jetzt andere Aufgaben übernommen werden sollen. Dies sollte unbedingt im Vorfeld geprüft und ggf. umgesetzt werden, um einen reibungslosen Start zu ermöglichen.

Die Startphase

Die Umstellung vom Homeoffice auf den „normalen“ Bürobetrieb kann durchaus herausfordernd sein. Deshalb kann in der Anfangsphase eine enge Begleitung durch den Vorgesetzten sinnvoll und notwendig sein. Sicherlich nicht ganz so eng wie bei einem ganz neuen Mitarbeiter, aber intensiver als sonst.

Für die Führung ist es wichtig, die Befindlichkeiten der Mitarbeiter gut zu kennen (das gilt ganz allgemein). Deshalb sollten in Gesprächen die im Homeoffice gemachten Erfahrungen thematisiert werden. Was war gut? Was ist schlecht gelaufen? Freut sich der Mitarbeiter, wieder im Büro sein zu können, oder gefiel es ihm im Homeoffice besser? Kann in diesem Fall künftig vielleicht ein Teil der Arbeit dorthin verlagert werden? Diese und viele weitere Fragen sollte der Vorgesetzte offen mit dem Mitarbeiter besprechen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Wertschätzung.

Ein moderner Büroarbeitsplatz mit einem sauberen Holzschreibtisch mit einem grünen Bürostuhl, einem Desktop-Computer mit einem Monitorständer mit zwei Armen, Arbeitsbeleuchtung und einem Fenster mit Blick auf Stadtgebäude im Hintergrund.

Wieder an die Arbeit gewöhnen

War der Mitarbeiter nicht im Homeoffice aktiv (mit welchen Problemen und Einschränkungen auch immer), sondern konnte wegen der Pandemie gar nicht arbeiten (Kurzarbeit „null“ oder Freistellung), kann sich bei einer längeren Abwesenheit die Einstellung zur Arbeit grundlegend verändert haben (ging ja auch ohne ganz gut). Vielleicht haben aber auch finanzielle Probleme (Kurzarbeitergeld 60 bis 67 Prozent des Nettogehalts, teilweise etwas höher durch Zuschüsse/Zuschläge) die Zeit geprägt. Das sollte die Führungskraft wissen und berücksichtigen. Und – nicht nur eine Frage des Alters: Bei einer mehrwöchigen Abstinenz von der Arbeit können durchaus Wissens- und Erinnerungslücken auftreten. Das ist vom Mitarbeiter nicht gewollt und keine böse Absicht – muss aber bei der Aufgabenverteilung ggf. berücksichtigt werden.

Aufgaben anders lösen

Selbst wenn es plötzlich kein Corona und keine Einschränkungen mehr geben würde, wären manche Entwicklungen kaum noch rückgängig zu machen. Ein Beispiel sind die Dienstreisen: Während der Pandemie und der Kontaktsperren wurde – notgedrungen – alles per Video-Konferenz gemacht. Das war sicher nicht immer glücklich und nicht optimal, aber in vielen Fällen ohne inhaltliche Verluste machbar. Ja, in vielen Fällen ist ein direkter, persönlicher Austausch besser – manchmal unumgänglich –, aber insgesamt wird sich die Notwendigkeit von Dienstreisen verringern. Auch das ist ein Führungsthema für die Zeit danach.

Jürgen Heidenreich, Fachautor und Fachjournalist

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