Wandel im Blick – Arbeitswelten der Zukunft : Arbeitsschutz und Sicherheit für den Arbeitnehmer schaffen
Wirtschaft und Arbeitswelt befinden sich in einem dynamischen und strukturellen Veränderungsprozess. Der Wandel der Arbeitswelt wird insbesondere durch die Digitalisierung angetrieben, welche die Arbeitswelt vor neue Herausforderungen stellt. Flexible Arbeitsformen gewinnen zunehmend an Bedeutung und beeinflussen das Arbeitsleben.
Hieraus erwachsen Chancen, um Verbesserungen für die Arbeitswelt und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erreichen.
Arbeitsschutz
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber, Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und über notwendige Schutzmaßnahmen zu entscheiden. Eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation im Betrieb erfordert eine konsequente Einbindung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in die Strukturen und Abläufe eines Unternehmens. Ferner unterweist der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und trifft Vorkehrungen für besonders gefährliche Arbeitsbereiche und Arbeitssituationen.
Bei der Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen gibt das Arbeitsschutzgesetz den Unternehmen Gestaltungsspielräume, um den betrieblichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Bestimmungen werden durch eine Reihe von Arbeitsschutzverordnungen konkretisiert, die z. B. Maßnahmen für eine sichere Arbeitsstätten- und Arbeitsplatzgestaltung, einen sicheren Arbeitsmitteleinsatz, für Lärmschutz, zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, zur Lastenhandhabung oder für den Umgang mit Gefahr- oder Biostoffen enthalten. Die technische Sicherheit von Geräten, Produkten und Anlagen, die auf dem Markt bereitgestellt werden, ist Gegenstand des Produktsicherheitsgesetzes. Zentrale Pflicht des Arbeitgebers ist die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Sie dient der Erkennung vorhandener Gefährdungen und psychischer Belastungsfaktoren, damit geeignete Schutzmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten zu unterweisen, sodass sie Gesundheitsgefährdungen erkennen und darauf sachgerecht reagieren können. Voraussetzung für eine regelkonforme Unterweisung ist eine Ausrichtung auf die jeweilige Arbeitssituation im Betrieb. Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) ergänzt durch die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) verpflichtet Arbeitgeber, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Diese beraten und unterstützen den Arbeitgeber beim Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie bei der Unfallverhütung.
Arbeitszeitschutz
Den gesetzlichen Rahmen für Arbeitnehmer bildet das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Weitere Regelungen gibt es daneben in den Bundes- und Landesgesetzen für Beamtinnen und Beamte, im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArb-SchG) sowie im Mutterschutzgesetz (MuSchG) für Schwangere und werdende Mütter. Das Arbeitszeitgesetz regelt die maximalen Arbeitszeiten und macht Vorgaben für Pausen sowie für Schicht-, Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit. Diese Vorgaben sind auch bei modernen Arbeitszeitmodellen wie flexibler Arbeitszeit mit Arbeitszeitkonten oder bei Vertrauensarbeitszeit zu beachten. Wie differenziert in dieser Hinsicht Reisezeiten zu bewerten sind, hat die Rechtsprechung mehrfach entschieden. Die Arbeitszeit an einzelnen Tagen und die maximale Wochenarbeitszeit ergeben sich in der Regel aus dem Arbeitsvertrag, dem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Ist die Verteilung der wöchentlichen bzw. monatlichen Arbeitszeit nicht durch Gesetz, Vertrag oder Vereinbarung geregelt, unterliegt sie nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen (§ 2 ArbZG). Nach dem Arbeitszeitgesetz ist Arbeitszeit, die regelmäßig mehr als acht Stunden pro Tag überschreitet, zu dokumentieren und die Arbeitszeitnachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Dasselbe gilt für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Auch das Mindestlohngesetz (MiLoG) schreibt in bestimmten Fällen Arbeitszeitnachweise vor. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2019 festgestellt, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten vollständig erfassen müssen, und den Mitgliedstaaten aufgegeben, entsprechende Regelungen zur Arbeitszeiterfassung zu schaffen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich dafür verantwortlich, dass die Arbeitszeitvorgaben in seinem Betrieb eingehalten werden (§§ 22, 23 ArbZG). Die Einhaltung wird vom Gewerbeaufsichtsamt bzw. dem Amt für Arbeitsschutz überwacht. Die Aufsichtsbehörde darf vom Arbeitgeber die für die Überprüfung notwendigen Auskünfte und Unterlagen verlangen. Bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz ist ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro vorgesehen.
Arbeitszeitmodelle
Das Arbeitszeitgesetz lässt Raum für eine Vielzahl von Arbeitszeitmodellen. Verbreitet sind solche mit flexibler Arbeitszeit. Dabei ist die Arbeitsleistung nach bestimmten Regeln innerhalb eines vereinbarten Zeitraums zu erbringen. Zur Sicherstellung werden Arbeitszeitkonten geführt. Zu den flexiblen Arbeitszeitmodellen gehören die gleitende Arbeitszeit mit und ohne Kernzeit sowie die Funktions- oder Servicezeit. Der Arbeitnehmer bestimmt bei der Gleitzeit den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit in einem vorgegebenen Rahmen nach eigenen Wünschen. Bei der Funktions- oder Servicezeit wird ein täglicher Zeitrahmen vereinbart, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringen kann. Dies ermöglicht eine Mindestbesetzung, um den zu leistenden Service oder das Erreichen von Arbeitszielen zu gewährleisten.
Arbeitszeitkonto
Die Vereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit enthält meist Regelungen zu möglichen Zeitsalden. So wird etwa festgelegt, wie viel Guthaben bzw. Zeitschuld ein Mitarbeiter in einem bestimmten Zeitraum höchstens ansammeln darf oder verbraucht werden darf. Bei Jahresarbeitszeitvereinbarungen muss die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von z. B. 39 Stunden im Jahresdurchschnitt erbracht werden. Damit können Unternehmen durch gezielten Personaleinsatz flexibel auf Arbeitsspitzen und -flauten reagieren.
Vertrauensarbeitszeit
Bei der Vertrauensarbeitszeit wird z. B. nur eine regelmäßige 39-Stunden-Woche vereinbart, die in einem bestimmten Rahmen zu erbringen ist, etwa montags bis freitags zwischen 7 und 19 Uhr. Die genaue Lage der Arbeitszeit sowie den Auf- und Abbau von Zeitguthaben gestaltet der Arbeitnehmer selbst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 2019 beschlossen, dass die Regelung mit Vertrauensarbeitszeiten nicht automatisch dazu führt, dass Überstunden unbezahlt sein müssen. Hinzu kommt das oben erwähnte Urteil des EuGH aus dem Jahr 2019, welches fordert, dass Unternehmen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten vollständig zu erfassen haben. Dies soll verhindern, dass Überstunden und Mehrarbeit geleistet und nicht vergütet werden.
Abrufarbeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
Soll ein Arbeitnehmer nach Arbeitsanfall auf Abruf eingesetzt werden, ist nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine wöchentliche oder tägliche Arbeitszeit zu vereinbaren, die Grundlage für die Vergütung ist. Fehlt es an einer solchen Festlegung, gelten automatisch 20 Stunden pro Woche und mindestens drei Stunden am Stück als vereinbart. Ein Einsatz ist dem Arbeitnehmer mindestens vier Tage im Voraus mitzuteilen, sonst ist er nicht zur Arbeit verpflichtet. Bei Rufbereitschaft darf der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort frei wählen und muss bei Bedarf erreichbar sein, um die Arbeit aufzunehmen. Rufbereitschaft zählt grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit. Wenn allerdings die erlaubte Reaktionszeit so kurz bemessen ist, dass sich der Arbeitnehmer nur in geringer Entfernung zum Betrieb aufhalten kann, dann handelt es sich um Arbeitszeit. Jedenfalls hat das der EuGH im Fall eines Feuerwehrmannes entschieden, der innerhalb von acht Minuten in der Feuerwache zu sein hatte. Der Bereitschaftsdienst, bei dem sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort im Betrieb (z. B. im Krankenhaus) zur Verfügung halten muss, ist als schützenswerte Arbeitszeit zu behandeln und nach der Rechtsprechung des BAG mindestens mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.
Datenschutz
Seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) herrscht Unsicherheit im Hinblick auf den Auskunfts- und Herausgabeanspruch betroffener Personen gemäß Art. 15 Abs. 1, 3 DS-GVO. So ist fraglich, ob auch Dokumente herausgegeben werden müssen, in denen personenbezogene Daten enthalten sind, und in welchem Umfang dies geschehen muss. Diese Fragen hat das BAG in seinem Urteil vom 27.04.2021, Az. 2 AZR 342/20 beantwortet. Die Herausgabe sämtlicher den Arbeitnehmer betreffenden internen Dokumente ist nicht erforderlich. So verarbeitet der Arbeitgeber als Verantwortlicher im Sinne der DS-GVO die Daten seiner Beschäftigten. Dies geschieht etwa im Rahmen der Lohnbuchhaltung oder bei der Speicherung von Kontaktdaten.
Folglich kann der Auskunftsanspruch auch durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Dieser umfasst neben Informationen zu den weiteren Betroffenenrechten, der geplanten Speicherdauer und den Verarbeitungszwecken auch die Information über die Kategorien der verarbeiteten personenbezogenen Daten. Neben dem Auskunftsanspruch kann der Betroffene gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO die Herausgabe einer Kopie der ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch den Verantwortlichen verlangen. Dieser Anspruch muss innerhalb eines Monats erfüllt werden (Art. 12 Abs. 3 DS-GVO), ausnahmsweise ist eine Verlängerung auf bis zu drei Monate möglich. Werden die Betroffenenrechte nicht, in unzureichendem Umfang oder nicht fristgemäß erfüllt, kann der Betroffene gemäß Art. 82 DS-GVO Schadensersatz auch für die immaterielle Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts verlangen. Außerdem können gemäß Art. 83 Abs. 5 DS-GVO Bußgelder von bis zu 20 Mio. Euro bzw. bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden. Die Erfurter Richter entschieden, dass der Arbeitgeber lediglich die personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers zur Verfügung stellen muss. Ein pauschaler Anspruch des Arbeitnehmers auf Erstellung einer umfassenden Datenkopie unter Bereitstellung sämtlicher ihn betreffenden Dokumente besteht nicht. Vielmehr müsse der Anspruch bzw. das Klagebegehren für bestimmte E-Mails oder Dokumente konkretisiert werden.
Es ist damit zu rechnen, dass (ehemalige) Mitarbeiter auch in Zukunft von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen werden. Damit keine Risiken durch die Offenlegung interner Daten oder durch die Verletzung von Vorschriften der DS-GVO entstehen, sollten die folgenden wichtigen Punkte befolgt werden.
Intern sollten klare Zuständigkeiten zur schnellen Beantwortung von Betroffenenanfragen definiert werden. Es bedarf außerdem Verfahren zur schnellen internen Abfrage von personenbezogenen Daten und zur schnellen Verifizierung der Identität der anfragenden Betroffenen. Es sollte zudem ein Leitfaden zum Erkennen entgegenstehender Rechte und Freiheiten natürlicher Personen gemäß Art. 15 Abs. 4 DS-GVO vorliegen, wobei dies nicht dazu führen darf, dass jegliche Auskunft verweigert wird. Dokumente sollten schon bei der Speicherung kategorisiert werden, um dem Betroffenen mitteilen zu können, in welchen Kategorien von Speicherorten sich seine personenbezogenen Daten befinden.
Die Bereitstellung der Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO sollte in einem verbreiteten und durch den Betroffenen lesbaren Format erfolgen. Zwar ist dies auch per Fernzugriff (Online-Portal) möglich, dieser sollte aber nur erfolgen, wenn sich der Betroffene zuvor hiermit einverstanden erklärt hat. Außerdem sind alle Prozessschritte im Zusammenhang mit Betroffenenanfragen revisionssicher zu dokumentieren.
Die Zukunft der Arbeit
Mit neuen technologischen Entwicklungen im IT- und Telekommunikationsbereich haben sich die Arbeitsstrukturen in der Arbeitswelt verändert. Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Arbeitnehmer viele berufliche Tätigkeiten mithilfe von mobilen Endgeräten (Laptops, Tablets oder Smartphones) ortsunabhängig von zu Hause oder von einem anderen Ort erbringen können.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, mobile Arbeit zu fördern und hierfür einen rechtlichen Rahmen in Form des Mobilen-Arbeits-Gesetzes (MAG) zu schaffen. Mobile Arbeit kann die Motivation und die Arbeitszufriedenheit von Arbeitnehmern steigern. Damit bietet sie Unternehmen die Möglichkeit, ihre Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen und Fachkräfte an sich zu binden. Mobile Arbeit trägt außerdem zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei und kann Pendelzeiten reduzieren. Obwohl mobile Arbeit bei immer mehr Tätigkeiten möglich ist, nutzen Arbeitgeber dieses Potenzial noch zu wenig. Denn mobile Arbeit wird dort optimal eingesetzt, wo ein einheitlicher und verbindlicher Rechtsrahmen zum Beispiel auf betrieblicher Ebene besteht.
Derzeit ist ein solcher Rechtsrahmen nicht gewährleistet. Künftig muss der Arbeitgeber den Wunsch auf mobile Arbeit mit dem Arbeitnehmer erörtern. Im Fall der Ablehnung muss der Arbeitgeber die Gründe form- und fristgerecht darlegen, denn sonst gilt der Antrag für die Dauer von sechs Monaten als genehmigt (= Zustimmungsfiktion).
Die oben beschriebenen Regelungen des Arbeitsschutzes bleiben unberührt. Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die bei mobiler Arbeit auftretenden Gefährdungen zu beurteilen, Schutzmaßnahmen festzulegen und die Arbeitnehmer im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu unterweisen. Für Arbeitnehmer, die regelmäßig mobil arbeiten, ist künftig die gesamte Arbeitszeit tagesgenau und vollständig zu erfassen.
Raschid Bouabba, MCGB GmbH