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Folgen falscher Beurteilung : Betriebsprüfung bei internationaler Beschäftigung

Besuche von Betriebsprüfern sind nie gern gesehen. Sie machen Arbeit, und unter Umständen kostet das auch noch eine ganze Stange Geld, wenn Fehler aufgedeckt werden und es zu Nachzahlungen kommt.

Lesezeit 4 Min.
Ein Geschäftsmann analysiert schwankende Wachstumsdiagramme an einer Tafel mit Schwerpunkt auf Personalmanagement.

Das gilt sowohl für die Prüfer des Finanzamtes, aber auch für die Kollegen der Rentenversicherung. Sie prüfen bekanntermaßen nicht nur die richtige Berechnung und Abführung der Rentenversicherungsbeiträge, sondern des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, also über alle Zweige der Sozialversicherung hinweg.

Eine besondere Spielwiese bietet die internationale Beschäftigung. Nicht umsonst gilt dieses Thema als „Königsklasse“ im HR-Bereich. Die komplizierte Materie bietet vielfach Gelegenheit, etwas falsch zu machen. Die häufigsten Fehlermöglichkeiten haben wir im Folgenden zusammengestellt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Falsche Beurteilung bei Entsendung

Mit Absicht macht das niemand, aber es kann vorkommen, dass fehlerhafte oder unvollständige Angaben beim Antrag auf Ausstellung einer Entsendebescheinigung (z. B. der A1-Bescheinigung) zu einer fehlerhaften Beurteilung seitens der zuständigen Stelle führen. In der Regel ist das die gesetzliche Krankenkasse des Entsandten, mitunter auch die Rentenversicherung oder die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA).

Geht man aufgrund der Angaben davon aus, dass nicht das deutsche Recht weiterhin gilt, sondern die Versicherung nach dem Recht des Beschäftigungsstaates durchgeführt werden muss, kann es zu einer rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht und damit zur Nachzahlung von Beiträgen kommen.

Der umgekehrte Fall ist nicht unbedingt besser. Hat der Arbeitgeber die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung weitergezahlt, obwohl die Voraussetzungen für eine Entsendung nicht erfüllt sind, muss das Versicherungsverhältnis rückabgewickelt werden. In der Rentenversicherung gibt es zwar so etwas wie einen Bestandsschutz, der gilt aber nur, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung keine Beanstandung festgestellt wurde. Eine rückwirkende Änderung kann erhebliche Auswirkungen auf den Schutz des Beschäftigten haben: geringere Rentenansprüche, Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, Aufhebung der Krankenversicherung usw. In solchen Fällen ist in der Regel der Arbeitgeber zum Schadenersatz verpflichtet – das kann schnell teuer werden.

Ein besonderes Kapitel ist die gesetzliche Krankenversicherung. Entsandte Arbeitnehmer sind häufig aufgrund der Höhe des Entgelts krankenversicherungsfrei. Haben sie sich dann für die Absicherung über eine private Krankenversicherung entschieden, kann eine rückwirkende Änderung erhebliche Konsequenzen haben. Verringert sich beispielsweise das von dem deutschen Unternehmen gezahlte Entgelt (weil ein Teil vom Unternehmen vor Ort übernommen wird), kann dadurch Krankenversicherungspflicht eintreten. Im ungünstigsten Fall für die letzten vier Jahre– das ist der übliche Prüfzeitraum. Dann müssen rückwirkend die Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse gezahlt werden, ein Befreiungsrecht ist nur in einigen Fällen und nur unter erschwerten Bedingungen (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) möglich.

Grundsätzlich gilt: Fehlende Nachweise gehen immer zu Lasten des Arbeitgebers – denn dieser trägt die Verantwortung für den Beweis, wenn es sich um eine Abweichung von der Norm handelt. Das gilt für die Versicherungsfreiheit beim Minijob genauso wie bei einer Entsendung.

Falsche Beurteilung bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer

Das Gegenstück zur Ausstrahlung ist die Einstrahlung. Handelt es sich um eine vorübergehende Entsendung eines Mitarbeiters durch einen ausländischen Arbeitgeber, gilt das deutsche Sozialversicherungsrecht nicht. Genau das muss aber ggf. nachgewiesen werden.

Einfach ist die Lage, wenn der Beschäftigte eine A1-Bescheinigung eines ausländischen Versicherungsträgers vorlegt. Diese wird in den Entgeltunterlagen dokumentiert und ist für alle Beteiligten bindend, zumindest so lange, bis sie ggf. formal aufgehoben wird.

Bei einer entsprechenden Bescheinigung aus einem bilateralen Abkommen ist die Situation etwas anders. Hier ist die Verbindlichkeit der Bescheinigung nicht so absolut wie nach dem EU-Recht. Der Prüfer kann also die Wirksamkeit der Bescheinigung in Zweifel ziehen – allerdings trifft ihn dann die Beweislast, was in der Praxis so gut wie nie vorkommt. Allerdings sind bei bilateralen Abkommen ja nicht immer alle Sozialversicherungszweige erfasst. Für die anderen Zweige muss die Einstrahlung geprüft werden – hier liegt die Nachweispflicht wiederum beim Arbeitgeber. Fehlende oder zweifelhafte Unterlagen gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Zudem müssen die Nachweise in den Entgeltunterlagen grundsätzlich in deutscher Sprache vorliegen.

Häufiger Fehler: Es handelt sich zwar um eine Entsendung durch einen ausländischen Arbeitgeber, das deutsche Unternehmen übernimmt aber beispielsweise die Mietkosten oder stellt einen Dienstwagen zur Verfügung. Dann liegt nach deutschem Recht eine Beschäftigung gegen Entgelt vor, die zur Versicherungspflicht führt. In einigen Fällen kann das durch eine Ausnahmevereinbarung vermieden werden, zumindest für die vom Abkommen erfassten Versicherungszweige.

Problematisch kann auch die fehlerhafte Beurteilung der Krankenversicherungspflicht sein. Erkennt der Arbeitgeber auf Krankenversicherungspflicht, das Entgelt liegt aber tatsächlich über der Versicherungspflichtgrenze, besteht unter Umständen gar kein Versicherungsschutz. Ein Beitrittsrecht eines erstmalig in Deutschland tätigen Arbeitnehmers muss aber innerhalb von drei Monaten nach Beschäftigungsbeginn geltend gemacht werden. Danach kann man nur auf die Kulanz der Krankenkasse hoffen.

Man sieht also: Bei einer internationalen Beschäftigung ist besondere Sorgfalt bei der Beurteilung der Sozialversicherung (und natürlich auch bei steuerrechtlichen Fragen!) erforderlich, sonst können erhebliche finanzielle Nachteile eintreten. Immer auf der sicheren Seite ist man mit einer schriftlichen Beurteilung der zuständigen Einzugsstelle. Diese kann, wenn sie trotz richtiger Angaben des Arbeitgebers fehlerhaft sein sollte, nur für die Zukunft aufgehoben werden und schützt so vor finanziellen Nachforderungen durch die Betriebsprüfer der Rentenversicherung.

Jürgen Heidenreich

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