Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 4/2021)
Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld wird verlängert
Schon einmal wurden die Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld aufgrund der andauernden COVID-19-Pandemie verlängert, nämlich bis zum 31.12.2021. Hierzu gehören insbesondere die Zugangserleichterungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes. Diese Regelungen umfassen den Verzicht auf den Aufbau von negativen Arbeitssalden, die Absenkung des sogenannten Mindesterfordernisses, wonach wenigstens ein Drittel der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sein müssen, auf zehn Prozent, sowie die Möglichkeit, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern Kurzarbeitergeld zu zahlen, wenn der Verleihbetrieb Kurzarbeit einführt.
Durch diese Regelungen sollte während der COVID-19-Pandemie der Zugang zur Kurzarbeit und zur Zahlung von Kurzarbeitergeld für Beschäftigte und Betriebe erleichtert bzw., im Falle der Leiharbeit, ermöglicht werden. Sie waren bis zum 31.12.2021 befristet und galten nur, soweit die Betriebe bis zum 31.03.2021 Kurzarbeit eingeführt haben.
Für Betriebe, die ab 01.04.2021 neu oder nach einer mindestens dreimonatigen Unterbrechung der Kurzarbeit erneut in Kurzarbeit gehen (würden), galten diesbezüglich wieder die allgemeinen Voraussetzungen. Da die pandemiebedingten Einschränkungen weiterhin und über den 31.03.2021 hinaus Bestand haben, hat der Gesetzgeber die Sonderregelungen verlängert. Die Zugangserleichterungen werden verlängert und auch für Fälle angewandt, in denen Kurzarbeit (anstatt wie bislang bis zum 31.03.2021) bis spätestens zum 30.06.2021 neu oder nach einer Unterbrechung von mindestens drei Monaten erneut eingeführt wird. Damit werden die Zugangserleichterungen um drei Monate verlängert.
Mit der Verordnung werden die folgenden Regelungen getroffen:
- Die bis zum 31.12.2021 befristeten Erleichterungen für den Zugang zum Kurzarbeitergeld hinsichtlich des Mindesterfordernisses für die vom Arbeitsausfall betroffenen Beschäftigten und des Verzichts auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden gelten nun auch für Betriebe, die bis zum 30.06.2021 Kurzarbeit eingeführt haben.
- Die befristete Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bis zum 31.12.2021 gilt auch für Verleihbetriebe, die bis zum 30.06.2021 Kurzarbeit eingeführt haben.
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) durch Corona stärker akzeptiert
Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie nutzen Patienten und Rheumatologen vermehrt digitale Gesundheitsanwendungen. Wie Autoren der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) in einer aktuellen Studie publiziert haben, hat sich eine positive Einstellung gegenüber digitalen Gesundheitsanwendungen während der Pandemie verbreitet. Die Autoren folgern, dass DiGAs in Zukunft eine sinnvolle Rolle beim Management von rheumatologischen Erkrankungen spielen könnten.
Menschen mit rheumatischen Erkrankungen müssen ihren Gesundheitsstatus, ihre Medikation sowie deren Wirkung regelmäßig überprüfen und dazu meist einen Rheumatologen konsultieren. Aus Sorge vor einer Ansteckung mit COVID-19 haben viele Patienten während der Pandemie verstärkt digitale Gesundheitsanwendungen genutzt, beispielsweise Videosprechstunden zur Verlaufskontrolle.
In welchem Ausmaß dies stattfand und wie Patienten und Ärzte die neuen digitalen Möglichkeiten beurteilen, haben die Arbeitsgemeinschaft Junge Rheumatologen (AGJR) und der Bundesverband der Patientenorganisation Deutsche Rheuma-Liga e.V. analysiert.
Ihre Publikation „Digital rheumatology in the era of COVID-19: Results of a national patient and physician survey“ ist nun in RMD Open erschienen. Die Wissenschaftler entwickelten einen Fragebogen und verteilten ihn über soziale Medien und per E-Mail an Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis sowie an Rheumatologen. 299 Patienten und 129 Rheumatologen haben an der Befragung teilgenommen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 49 Jahre, fast 80 Prozent waren Frauen. Bei den Ärzten nahmen fast gleich viele Männer wie Frauen teil, drei Viertel arbeiten an einem Krankenhaus, ein Viertel ist niedergelassen.
Viele Patienten und Ärzte waren positiv eingestellt und nutzten DiGAs während der Pandemie verstärkt: 74 Prozent der Patienten und 76 Prozent der Rheumatologen empfanden DiGAs beim Management ihrer rheumatischen Erkrankung als hilfreich. Vor allem virtuelle Monitoringmöglichkeiten wie die Videosprechstunden wurden als sinnvoll erachtet, weil sie zeit- und ortsunabhängig stattfinden können und damit mehr Flexibilität bieten.
Als Haupthindernis für den Nutzen von DiGAs gelten bei 58,5 Prozent der Patienten und bei 41,9 Prozent der Ärzte mangelnde Informationen über nützliche und verfügbare DiGAs. 42,1 Prozent der Patienten beklagen mangelnde Benutzerfreundlichkeit und 23,2 Prozent der Ärzte vermissen einen Beweis für die Nützlichkeit von DiGAs. Weniger als zehn Prozent der Befragten in beiden Gruppen – 0,7 Prozent der Patienten und 8,5 Prozent der Ärzte – betrachten DiGAs als negativ für das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Inzwischen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen eine Reihe von geprüften und zugelassenen DiGAs auf ärztliche Verordnung.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme von DiGAs sind das Vorliegen von gesetzlich festgelegten Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit sowie ein Nachweis positiver Versorgungseffekte. Die Prüfung und Zertifizierung erfolgt über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).Sind die Kriterien erfüllt, werden die DiGAs in dem „Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen“ gelistet.
Das Verzeichnis ist im Internet zu finden unter:
Erneute Sonderregelung für kurzfristige Beschäftigungen
Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn sie innerhalb eines Jahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage befristet ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Dann ist sie sozialversicherungsfrei.
Aufgrund der Corona-Pandemie wurden schon im vergangenen Jahr die Zeitgrenzen befristet angehoben. Für kurzfristige Beschäftigungen galten in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 besondere Grenzen von fünf Monaten bzw. 115 Arbeitstagen (die Berechnung nach Arbeitstagen erfolgt bei Beschäftigungen von weniger als fünf Arbeitstagen wöchentlich).
Für denselben Zeitraum werden 2021 die Zeitgrenzen wiederum erhöht, dieses Mal allerdings nur auf vier Monate bzw. 102 Arbeitstage.
Die erneute, wenn auch geringere Erweiterung geschieht in erster Linie mit Blick auf die landwirtschaftlichen Saisonarbeiter, die wegen der Corona-Einschränkungen oft nur in geringerer Zahl zur Verfügung stehen und dafür länger beschäftigt werden können.**
Analog dazu gilt die Zeitgrenze von vier Monaten auch für ein vorübergehendes unvorhersehbares Überschreiten der Entgeltgrenze bei geringfügig entlohnten Beschäftigungen (Minijobs).
Tipp:
Die Verlängerung der zulässigen Überschreitung wirkt sich auch auf die Familienversicherung aus. Hier ist ein Überschreiten der Entgeltgrenze für die kostenfreie Mitversicherung von maximal vier Monaten ebenfalls unschädlich (im genannten Zeitraum).
Besonders beachtet werden müssen wieder Übergangsfälle, also befristete Beschäftigungen, die vor dem 01.03.2021 begonnen haben oder nach dem 31.10.2021 enden. Hier ist zum Stichtag das jeweils geltende Recht zu berücksichtigen, sodass es innerhalb der befristeten Beschäftigung zu einer Änderung der versicherungsrechtlichen Beurteilung kommen kann.
Beispiel 1:
Eine Hausfrau nimmt am 01.02.2021 eine Beschäftigung als Aushilfsverkäuferin gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.300 Euro (Fünf-Tage-Woche) auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 31.05.2021 befristet. Vorbeschäftigungszeiten liegen nicht vor.
Die am 01.02.2021 aufgenommene Beschäftigung ist nicht kurzfristig und damit versicherungspflichtig in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, weil zu ihrem Beginn feststeht, dass die am 01.02.2021 geltende Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen von drei Monaten überschritten wird.
Für die Zeit ab dem 01.03.2021 ist die Beschäftigung neu zu beurteilen, weil aufgrund der gesetzlichen Neuregelung eine Änderung in den Verhältnissen eintritt. Ab diesem Zeitpunkt liegt eine kurzfristige Beschäftigung vor, weil die Beschäftigungsdauer seit ihrem Beginn (01.02.2021) nicht mehr als vier Monate beträgt.
Die Beschäftigung ist vom 01.03.2021 bis 31.05.2021 versicherungsfrei in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie nicht versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung, da sie auch nicht berufsmäßig ausgeübt wird.
Beispiel 2:
Eine Hausfrau nimmt am 01.08.2021 eine Beschäftigung als Fahrerin eines Lieferservices gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.200 Euro (Fünf-Tage-Woche) auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 30.11.2021 befristet. Vorbeschäftigungszeiten liegen nicht vor.
Die am 01.08.2021 aufgenommene Beschäftigung ist kurzfristig und daher versicherungsfrei in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie nicht versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung, weil zu ihrem Beginn feststeht, dass die am 01.08.2021 geltende Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen von vier Monaten nicht überschritten und die Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird.
Für die Zeit ab dem 01.11.2021 ist die Beschäftigung neu zu beurteilen, weil aufgrund der Beendigung der gesetzlichen Übergangsregelung zum 31.10.2021 eine Änderung in den Verhältnissen eintritt. Ab dem 01.11.2021 liegt keine kurzfristige Beschäftigung mehr vor, weil die (ab diesem Zeitpunkt wieder geltende) Zeitdauer von drei Monaten ausgehend vom Beschäftigungsbeginn im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses überschritten wird.
Ab dem 01.11.2021 liegt aufgrund der Höhe des erzielten Arbeitsentgelts eine versicherungspflichtige Beschäftigung vor.
Meldungen für kurzfristig Beschäftigte
Kurzfristige, versicherungsfreie Beschäftigungen sind vom Arbeitgeber bei der Minijobzentrale anzumelden. Die Meldepflicht wird erweitert um die Angabe der Art der Absicherung des Beschäftigten im Krankheitsfall. Dadurch soll sichergestellt werden, dass jeder versicherungsfreie kurzfristig Beschäftigte über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt. Das kann durch eine eigene anderweitige gesetzliche Versicherung, eine Versicherung im Rahmen der Familienversicherung, eine im Ausland bestehende Versicherung oder eine Privatversicherung der Fall sein. Zur letzteren Variante gehören in diesem Fall auch vom Arbeitgeber für die Zeit der Beschäftigung abgeschlossene Gruppenversicherungen.
Neu eingeführt wird die Rückmeldung der Minijobzentrale über dort bereits bekannte Vorbeschäftigungszeiten. Die Rückmeldung soll automatisch, also nicht auf Anfrage, erfolgen. So hat der Arbeitgeber eine größere Sicherheit, ob und welche vorherigen Beschäftigungen ausgeübt wurden, und ist nicht allein auf die Information seitens des Beschäftigten angewiesen. So kann der Arbeitgeber die versicherungsrechtliche Beurteilung mit größerer Sicherheit vornehmen.
Einkommensanrechnung auf Altersruhegeld
Altersrentner, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, können ohne Einschränkung Geld hinzuverdienen. Für jüngere ist die Hinzuverdienstgrenze zu beachten. Diese beläuft sich gesetzlich auf 6.300 Euro jährlich. Darüber hinausgehende Einkünfte aus Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit werden – teilweise – auf die Rente angerechnet und diese wird dadurch gekürzt.
Im Rahmen der Corona-Regelungen wurde die Zuverdienstgrenze für diese Rentner schon für 2020 kräftig erhöht, nämlich auf 44.590 Euro. Die Erhöhung gilt auch 2021, angepasst an die Steigerungsraten der Sozialversicherungsgrenzen, mit 46.060 Euro für das Kalenderjahr.
Diese Ausnahmeregelung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Sozialversicherungspflicht einer solchen Beschäftigung.
Identifikationsnummer für Datensätze
Im Meldeverfahren mit den Krankenkassen kommt es gelegentlich vor, dass eine Meldung irrtümlich oder falsch abgegeben wurde und deshalb storniert werden muss. In vielen Fällen funktioniert das auch problemlos, der Abgleich erfolgt über die ursprünglich gemeldeten Daten, sodass die Stornierung der zugrunde liegenden – fehlerhaften – Meldung zugeordnet werden kann. Gelegentlich kam es aber – schon aufgrund der großen Zahl an Meldungen (rund 100 Millionen jährlich) – dabei zu Problemen. Deshalb wurde zum 01.01.2021 eine neue, eindeutige Datensatz-ID (Identifikationsnummer) eingeführt. In den Datensatz Meldungen (DSME) wurde dafür das Feld „Datensatz-ID Ursprungsmeldung“ neu aufgenommen. Das Feld hat 32 Stellen. Die Datensatz-ID muss ab dem 01.01.2021 für alle Meldungen, die einen Zeitraum ab dem 01.01.2021 betreffen, verpflichtend angegeben werden.
Jürgen Heidenreich