Von Schäublebis Lindner-Rente : Zukunft der betrieblichen Altersversorgung im Dschungel neuer Rentenideen
Die Alterung der Gesellschaft erfordert völlig neue Konzepte in vielen Lebensbereichen: ob bei der Infrastruktur von Städten (z. B. barrierefreie Wege zu Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistern oder Arztpraxen), der Umgestaltung von Arbeitsplätzen in Unternehmen (z. B. um ältere Fachkräfte möglichst lange im Arbeitsprozess zu halten) oder der Anpassung des öffentlichen Personennahverkehrs.
Auch im Bereich der Altersversorgung muss der Staat umdenken, da Langlebigkeit und Pflegebedürftigkeit die neuen Problemfelder für die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland und Europa werden, muss auch im Bereich der Altersversorgung der Staat umdenken. Auch Banken und Versicherungen passen ihre Finanzprodukte an volatile Kapitalmärkte und die ältere Kundenklientel an. Dieser Beitrag beleuchtet die alten und neuen Rentenkonzepte der Politik, die Basis für jede Überlegung des Einzelnen zur privaten und betrieblichen Vorsorge – insbesondere auch die neuen Ideen zur Selbstständigenrente – sowie für Entscheidungen der Personalverantwortlichen für unternehmensspezifische Lösungen sind.
Lebensleistungs- oder Solidarrente
In den letzten Jahrzehnten hatten wir kontinuierliche Rentenreformen, die u. a. bestanden in:
- Abschlägen beim vorzeitigen Renteneintritt (z. B. 0,3 Prozent pro Monat),
- Heraufsetzen des Renteneintrittsalters in der Altersrente auf das 67. Lebensjahr (geplant ist perspektivisch das 69./70. Lebensjahr nach der nächsten Bundestagswahl),
- Einführung des demografischen Faktors, um die Rentnerzahl an die Beitragszahlermenge anzupassen,
- Einführung der Erwerbs- statt der Berufsunfähigkeitsrenten und
- in der Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen.

Die Problemfelder Altersarmut und Fachkräftemangel sind von der Bundesregierung nunmehr erneut ausgemacht. Die Zuschuss- oder Lebensleistungsrente/ neu solidarische Grundrente soll das Problem Altersarmut ab dem 01.01.2021 abmildern und alle bisherigen Zuschüsse (Wohngeld/ Grundsicherung) ablösen. Sie wurde mit folgenden Eckdaten eingeführt:
- ca. 850 Euro im Monat (damit über der Grundsicherungsleistung), d. h. Anhebung des eigenen Rentenkontos auf bis zu 30 Entgeltpunkte – ein maximaler Grundrentenzuschuss von 420 Euro ist möglich;
- Voraussetzung sind 40 Jahre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (dabei zählen auch beitragsfreie Zeiten wie Kindererziehung oder Studium mit), bis zu 5 Jahre Arbeitslosigkeit werden anerkannt (bis 2022 reichen 35 Beitragsjahre);
- 33 Jahre Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt für einen Teilzuschlag, aber maximal 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes lebenslang erhalten;
- staatlich geförderte Altersversorgung wurde abgeschlossen – Riester- oder Betriebsrente –, ab Rentenjahrgang 2023;
- Alt- bzw. Bestandsrenten werden nicht angepasst, was zu Ungleichbehandlung oder, wie es neudeutsch gern formuliert wird, „Gerechtigkeitslücken“ führt.
Das Bundessozialministerium rechnet mit 1,3 Millionen Berechtigten. Auf jeden Fall wird so durch die Hintertür eine Pflicht zur betrieblichen Altersversorgung und/oder zur Riester-Rente eingeführt. Die Einführung dieser Pflicht ist inzwischen auf das Jahr 2023 fixiert. Hier darf man gespannt sein …
Teilrenten
Weiterhin ist ab dem 63. Lebensjahr (das 60. Lebensjahr steht aber auch noch zur Diskussion) der Bezug einer Teilrente möglich, die den schönen Namen „Kombirente“ erhalten hat.
Beispiel: Herr Krause hat vorher 3.000 Euro brutto verdient, kann/will aber aus persönlichen Gründen nur noch halbtags arbeiten und erhält dafür nun 1.500 Euro brutto. Dann soll er, sofern sein Rentenkonto mit persönlichen Entgeltpunkten entsprechend gefüllt ist, eine halbe Altersrente – im Optimalfall 1.500 Euro, beantragen und beziehen dürfen.
Die Bundesregierung erhofft sich zum einen, so dringend benötigte Fachkräfte länger an Bord zu halten, zum anderen aber auch eine Entlastung der Sozialsysteme. Denn was passiert jetzt mit älteren Menschen, die nicht mehr arbeiten können oder wollen: Arbeitslosengeld, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente, Krankengeld oder gar der Bezug der Grundsicherungsleistung, wenn die Rente nicht zum Leben ausreicht.
Die Scholz-Rente: Selbstständige im Fokus
Gemäß Verlautbarung der Bundesregierung ist nur etwa ein Viertel der Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung Mitglied. Dies kann die Zwangsmitgliedschaft (z. B. Hebammen, Handwerker, Lehrer, Journalisten) sein oder die freiwillige Einzahlung.
Die Bundesregierung befürchtet massive Altersarmut und will eine Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung noch vor dem Ende der Legislaturperiode einführen. Viele in der CDU bevorzugen jedoch ein „freiheitliches Modell“ mit Vorsorgepflicht und der Wahl zwischen gesetzlicher oder privater Absicherung. Übersetzt heißt dies, Selbstständige sollten Vorsorge (in der Regel Rürup-/Basis-Versorgung) von mindestens 850 Euro Garantiemonatsrente abschließen, um sich befreien zu können.
Auf jeden Fall tut sich hier bald etwas für die 4,5 Millionen Betroffenen …

Die Nahles-Rente
Immer wenn ein Minister glaubt, er wird nicht dauerhaft in seinem Amt bleiben, braucht er ein Denkmal. Die römischen Kaiser bauten Statuen und prägten Münzen oder erhoben sich zu Göttern. Demokratie versperrt einige Wege und trotzdem bleibt der Ehrgeiz der Sterblichen nach dauerhaftem – manchmal auch zweifelhaftem – Ruhm zur Bestätigung der eigenen Existenz.
Ob Norbert Blüm ewig mit der sicheren Rente verbunden bleibt (an die er selbst nicht mehr glaubte), Walter Riester das gesetzliche Rentenniveau zugunsten einer staatlich subventionierten Privatrente seines Namens (und für seinen späteren Dienstherrn Maschmeyer) senkte oder Daniel Bahr sein Empfehlungsschreiben für die Allianz mit dem Pflege-Bahr, einem bezuschussten Privatpflegevertrag, krönte – alle hatten ihre Gründe für ihre Ideen.
Frau Nahles, die ungern als Pippi-Langstrumpf-Sängerin in Erinnerung bleiben will und noch etwas bei ihren Freunden, den Gewerkschaften, gutzumachen hat, braucht auch ein Denkmal: die Nahles-Rente.
Die gute alte Betriebsrente mit ihren bisher fünf Optionen soll nach ihrem (ex-)ministerialen Willen als „Sonderweg“ der Durchführung ergänzt werden:
- durch eine von den Sozialpartnern gegründete Gemeinschaftseinrichtung
- bei gleichzeitiger Enthaftung des Arbeitgebers und
- lediglich als Ziel- oder Wunschrente,
- dies als Zwang für alle die Arbeitgeber/ Arbeitnehmer, die keine eigene Betriebsrentenlösung anbieten (über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen).
- -das scheint auf den ersten Blick bequem und schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe:
- Der Arbeitnehmer muss nicht aufwendig zur Betriebsrente beraten werden,
- die Arbeitgeber zahlen und vergessen das Ganze,
- die Gewerkschaften haben in Beiräten neue sinnstiftende Aufgaben und
- das gesetzliche Rentenniveau kann weiter sinken, wenn es eine flächendeckende verpflichtende Betriebsrente gibt.
Das erste Konsortium aus Talanx und Zürich hat das erste Sozialpartnermodell gerade hausintern auf den Weg gebracht…
Die Schäuble-Rente / Deutschland-Rente
Der aktuelle Coup unseres „ewigen Finanzministers“ und aktuellen Bundestagspräsidenten ist die Schäuble-Rente. Damit würde er der ungeliebten Riester-Rente (Eigenvorsorge mit staatlichen Zuschüssen) eine Schwester an die Seite stellen und so ein neues Konzept befürworten.
Nach dem Vorbild von angelsächsischen Pensionsfonds wird eine:
- staatlich geförderte Altersversorgung („Vorsorgekonto“)
- bei der Deutschen Rentenversicherung gegründet, die
- in Staatsanleihen europäischer Staaten (die Europäische Zentralbank hat da noch einige Papiere aus der andauernden Schuldenkrise!) mit einem Zinsaufschlag von einem bis zwei Prozent investiert.
Diese „Euro-Bonds“ werden durch:
- private Einzahlungen der Bürger finanziert und sollen
- nicht so hohe Kosten wie die Riester-Verträge verursachen.
Dieses Rentenmodell könnte auch als „Opting-out-“ und/oder bAV-Lösung eingesetzt werden. Hessische Minister haben ein ähnliches Konzept, allerdings mit weiteren Anlageoptionen, als „Deutschlandrente“ propagiert.
In dieser Legislaturperiode wird damit nicht mehr gerechnet. Aber die Rentenkommission soll weiter Ergebnisse liefern …
Druckfrisch: Die Lindner-Rente der FDP
Die FDP rechnet fest mit einer Regierungsbeteiligung ab Herbst 2021 und hat daher jüngst eine neue Rente vorgeschlagen: die Aktienrente.
Alle Erwerbstätigen sollen künftig zwei Prozent vom Bruttoeinkommen in eine staatliche Rente einzahlen, die am Aktienmarkt mit 8,8 Prozent Rendite (DAX-Entwicklung in den letzten Jahrzehnten) investiert wird. Dieser Betrag mindert den Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung um zwei Prozent, wodurch der Staatszuschuss in die Deutsche Rentenversicherung (derzeit 100 Milliarden Euro p. a.) erhöht werden muss. Ziel sind höhere Rentenleistungen und eine Kapitalspritze für die Wirtschaft.
Zusätzlich soll ein flexiblerer Renteneintritt möglich werden.
Fazit
Vor und nach den Landtagswahlen bzw. der Bundestagswahl wird sich in Sachen gesetzliche und betriebliche Altersversorgung einiges ändern. Je größer der Bedarf für Wahlkampfgetöse und später die Kanzlermehrheit ist, umso größer werden die Reformschritte sein. Der Umbau hin zu einer Basisversorgung Gesetzliche Rentenversicherung (mit unterer Mindestabsicherung) ist beschlossen.
Unser Ziel als Bürger in Deutschland muss hingegen ein Leben wie der Nacktmull sein: Die kleinen in Ostafrika vorkommenden Tiere haben durchschnittlich eine beeindruckende Lebenserwartung von über 30 Jahren (zehnmal mehr als andere Artgenossen der Nagetiere) und entwickeln gleichzeitig dabei so gut wie keine schweren Krankheiten im Alter. Auch zeigen sie kaum sonstige Alterserscheinungen. Wer aber nicht wie diese Tiere in dunklen Höhlen leben und sich bis zum Alter von 150 Jahren (das ist laut Forschung für uns erreichbar) von Pflanzenknollen ernähren will, muss schon heute umdenken und etwas tun …
Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt, Bundessachverständiger