Offener Brief
Bürokratie-Republik Deutschland
Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht geht es Ihnen ja auch so? Wenn Politiker davon sprechen, dass etwas schnell und unbürokratisch umgesetzt werden soll, zucke ich immer zusammen. Das kann in unserem Land nicht funktionieren! Ich habe gerade ein (un-)schönes Beispiel parat:
Ein guter Freund von mir wollte sich einen Traum verwirklichen und einen kleinen Lebensmittelladen in unserem Ort übernehmen. Der besteht seit über 70 Jahren, die bisherigen Eigentümer wollten aus Altersgründen aufgeben und freuten sich über den Interessenten. Dann ging es aber los: Weil es den Betrieb schon so lange gab, hatten einige Zustände Bestandsschutz. Der endete aber mit dem Verkauf. Also einiges an Renovierungs- und Umbaukosten.
Dann wollte mein Freund gern zwei, drei Tische im Innenraum aufstellen, einen Mittagssnack und Kaffee-Spezialitäten anbieten. Ging aber nicht, weil er dann eine extra Toilette hätte bauen müssen, wofür leider kein Platz war. Dann eben Stehtische – es ist ja auch viel gesünder beim Essen zu stehen –, ging aber auch nicht. Warum, habe ich nie verstanden (er auch nicht). Dann war die Idee, eine Fensterklappe einzubauen, um den Verkauf nach draußen zu ermöglichen. Raten Sie mal? Ging auch nicht: Das alte Gebäude steht unter Denkmalschutz und die Außenfassade darf nicht verändert werden.
Letzte Idee: Dann wenigstens für die wärmere Jahreszeit ein paar Tische draußen auf dem Gehweg platzieren. Das wurde abgelehnt, weil der Fußweg leider exakt drei Zentimeter zu schmal war.
Das alles liest sich sehr viel schneller, als es in der Praxis dauerte – nämlich einige Monate. Inzwischen hat mein Freund seinen Traum verwirklicht – in den Niederlanden, kurz hinter der Grenze. Familiär bedingt spricht er zum Glück niederländisch. Dort hat das ganze Prozedere von der ersten Besichtigung des Ladens bis zur Eröffnung genau zwei Monate gedauert. Nahezu alle Anträge und Genehmigungen konnte er digital er – ledigen.
Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Ist ja im Personalbereich nicht viel anders. Zwar haben wir hier ausnahmsweise schon einen recht hohen Digitalisierungsgrad, aber vor der Bürokratie schützt das leider auch nicht.
Erinnern Sie sich noch an die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung? Wurde 2014 beschlossen, die Umsetzung erinnert mich aber immer an das Stück „Warten auf Godot“ – da passierte auch nichts. Ich glaube, ich weiß jetzt, warum die Digitalisierung in Deutschland nicht vorankommt: Sie sollte schnell und unbürokratisch umgesetzt werden – war also schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt.
Herzlichst, Ihr Felix, der Glückliche