Aus der FALG-Gruppe : Pflegeversicherung – kurzfristige Lösungen und langfristige Herausforderungen!
In der Facebook-Gruppe Fachassistent/in Lohn und Gehalt laufen noch immer Diskussionen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022 hinsichtlich der Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung. Sollte tatsächlich bis zum 31.07.2023 eine Umsetzung (auch in den Programmen) erfolgen, müssen wir zeitnah unsere Mandanten zum Sachverhalt informieren und für unsere eigene Organisation gute Lösungsansätze parat haben.
Aber ob wirklich bis zum 31.07.2023 eine Umsetzung in den Programmen erfolgen kann, ist fraglich. Dann also wieder rückwirkende Änderungen? Das ist ja inzwischen auch schon eine jährlich wiederkehrende Übung für uns und gewissermaßen „normal“.
Wir sind ja Kummer gewöhnt.
Natürlich dreht sich die Diskussion auch um die Thematik der Aufbewahrung geeigneter Nachweise (Geburtsurkunden) zur Erziehung von Kindern. In der Gruppe sorgte ein Fachbeitrag für Aufregung, da von Original-Geburtsurkunden gesprochen wurde – was meiner Ansicht nach weder umsetzbar noch sinnvoll ist.
Aber greifen wir das doch einmal auf: Wenn der Arbeitgeber nun Geburtsurkunden im Original aufbewahren soll, stehen wir vor dem Problem, dass die Arbeitnehmer zunächst zum Standesamt müssten, um sich für sämtliche Kinder „neue“ Originale ausstellen zu lassen. Dies dann vielleicht sogar in doppelter Ausfertigung, weil ja der jeweils andere Elternteil auch betroffen wäre.
Dann hat man also endlich nach Monaten des Wartens auf einen Termin beim Standesamt (aus leidvoller Erfahrung eines Berliners gehe ich tatsächlich von Monaten aus) die benötigten Urkunden in der Hand und übergibt sie seinem Arbeitgeber, der alles einarbeitet und dann die Geburtsurkunden fein säuberlich zu seinen Akten nimmt. Zu den Akten, die wir eigentlich abschaffen möchten – weil Betriebsprüfungen ja nur noch elektronisch stattfinden sollen.
Irgendwann dann geht der Arbeitnehmer, hat einen neuen Arbeitgeber und möchte natürlich die Original-Geburtsurkunden seiner Kinder zurückhaben – die der Arbeitgeber aber noch nicht rausrücken kann, weil ja erst in vier Jahren das zuletzt beim Arbeitnehmer abgerechnete Jahr durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) geprüft wird. Also sind wir wieder am Anfang – der Arbeitnehmer rennt zum Standesamt und besorgt sich neue Originale.
Nach vier Jahren dann möchte der Arbeitgeber die nicht länger aufzubewahrenden Originale loswerden und sendet sie an die zuletzt bekannte Adresse des Arbeitnehmers, der aber inzwischen umgezogen ist.
Und wie wäre der Ablauf bei einer elektronisch unterstützten Betriebsprüfung? Man könnte ja sowieso keine Original-Geburtsurkunde vorlegen. Weder sendet man solch sensible Dokumente per Post zum Sozialversicherungsprüfer, noch kann man Originale via Cryptshare an die DRV schicken – das sind dann auch nur PDFs.
Also rein logisch betrachtet kann und sollte man keine Original-Geburtsurkunden der Kinder des Arbeitnehmers aufbewahren. Vielleicht macht es Sinn, dass der Arbeitgeber ein Original zu sehen bekommt, um die Richtigkeit tatsächlich anzuerkennen, das Dokument dann scannt und sofort dem Arbeitnehmer zurückgibt. Aber weitere Maßnahmen zur Aufbewahrung sind aus meiner Sicht unnötig und sorgen nur wieder für eine aufgeblähte Verwaltung. Von den Umständen, die man sich selbst und seinen Arbeitnehmern macht, mal abgesehen.
Was natürlich nicht heißen soll, dass jemand aus der Entscheider-Riege trotzdem meint, Originale sind notwendig. Ich kann inzwischen nichts mehr ausschließen. Alles eine Folge der vergangenen drei Jahre – während man früher noch dachte: „abwarten, Tee trinken“, ist man inzwischen durch so viele Entscheidungen, die die Entgeltabrechner umsetzen mussten, geprägt, dass man automatisch sofort nach Lösungen zur Umsetzung sucht. Gern dann auch in der Gruppe. So habe ich bereits einen Infobrief für die Mandanten in Angriff genommen und zur Verfügung gestellt, wir haben den Mehraufwand, der da auf uns zukommt, besprochen und warten nun auf unsere Programmanbieter. Sobald die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, müssen wir mit der Erfassung der nicht/nicht mehr hinterlegten Kinder beginnen – denn sonst läuft uns die Zeit davon. Dass die Umsetzung voraussichtlich mitten in die Urlaubszeit fällt, macht es nicht leichter.
Einen Vorteil haben solche Hauruck-Aktionen: Die Akzeptanz, dass solche Mehrarbeit Geld kosten muss und wird, ist allgemein gestiegen. Unsere Arbeitszeit ist so schon immer sehr knapp bemessen und für diese Aktion fallen garantiert auch wieder Überstunden an. So sehr ich mir für die Entgeltabrechner des Landes ein wenig Ruhe und Normalität wünsche – diese Akzeptanz wäre vor den drei intensiven Jahren nicht möglich gewesen.
Annette Bastigkeit, Fachassistentin Lohn und Gehalt