Mehrarbeitszuschläge : Beitragsrechtliche Beurteilung für Teilzeitbeschäftigte
Nach einem Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung vom 18. März 2020 ist abzuwarten, bis das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine endgültige Entscheidung trifft.
Mehrarbeitszuschläge sind Arbeitsentgelt. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbar vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
Über die Arbeitszeit hinaus
Das BAG hat in seinem Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 10 AZR 231/18) zu den Regelungen über Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte des Manteltarifvertrags für die Systemgastronomie vom 17.12.2014 entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht.
Über die Differenz hinaus
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben daraus abgeleitet, dass in den Fällen, in denen arbeitsvertragliche, betriebliche oder tarifvertragliche Regelungen zu Mehrarbeitszuschlägen bestehen, die für Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeitszuschläge erst dann vorsehen, wenn sie über die Differenz der monatlichen oder jährlichen Teilarbeitszeit zur Vollarbeitszeit hinaus Mehrarbeit leisten, diese im Sinne des § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) auszulegen sind. In diesen Fällen haben Teilzeitbeschäftigte demnach einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die über die vertraglich vereinbarte Teilarbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit (vergleiche Punkt 3 der Niederschrift zur Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 20.11.2019).
Zur unterschiedlichen Behandlung
Nach der Rechtsprechung des BAG ist die unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten unter zwei Voraussetzungen gerechtfertigt:
Die tarifliche Regelung muss den Zweck haben, besondere Belastungen auszugleichen, die entstehen, wenn Beschäftigte über die von den Tarifvertragsparteien vorgegebene tarifliche Arbeitszeit hinaus tätig werden. Zugleich müsse die Tarifnorm zum Ziel haben, den Arbeitgeber von einer solchen übermäßigen Inanspruchnahme abzuhalten.
Wird demgegenüber der Zweck verfolgt, die Einbuße der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit zu belohnen und Arbeitgeber von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abzuhalten, ist eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, weil sich dieser Zweck in gleicher Weise auf Teilzeit- und Vollzeitkräfte bezieht.
Von Zweckbestimmung abhängig machen
Vor dem Hintergrund der unter Umständen gebotenen Differenzierung bei der Zweckbestimmung von Mehrarbeitszuschlägen halten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung an ihrem bisherigen Beratungsergebnis vom 20.11.2019 nicht uneingeschränkt fest. Bis zur Entscheidung des BAG in den anhängigen Revisionsverfahren soll die beitragsrechtliche Berücksichtigung eines arbeitsrechtlichen Anspruchs auf Mehrarbeitszuschläge von Teilzeitbeschäftigten von der konkreten Zweckbestimmung der Mehrarbeitszuschläge abhängig gemacht werden. Nur wenn zweifellos der Zweck verfolgt wird, Einbußen der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit zu belohnen und Arbeitgeber von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abzuhalten, wäre bei Teilzeitbeschäftigten bereits für über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit von einem Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge auszugehen.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist