Corona und die Payroll : Die aktuell einzige Konstante ist Veränderung
Wer derzeit mit dem Auto nach Österreich fährt, wird zwangsläufig mit seinen Augen an der doppeldeutigen Anzeige auf dem Verkehrsleitsystem kleben bleiben. „Halten Sie Abstand! Bleiben Sie gesund.“ An Corona führt derzeit kein Weg vorbei. COVID-19 ist omnipräsent und stellt unser Leben weiterhin auf den Kopf. Das mag für die einen negativ konnotiert sein und für die anderen durchaus auch Positives mit sich bringen.
Schließlich eröffnet „Kopfstehen“ neue Perspektiven und gibt vielem eine unerwartete Wendung – so wird aus dem Entgeltabrechner plötzlich mehr als nur ein Zahlendompteur.
März 2020. Corona verbreitet sich schier unaufhaltsam in Europa. Die Grenzen schließen. Mit ihnen ganze Länder. Lockdown – auch in Deutschland. Während COVID-19 viele Bereiche des öffentlichen Lebens lahmlegt, entfacht es die Branche und macht den Entgeltabrechner zu dem, der für seine Mandanten die Kastanien aus dem Feuer holt. Eltern, die wegen der Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben möchten, dafür aber im Gesetz keine Grundlage finden. Mitarbeiter, die vor kurzem in Österreich oder Italien waren und in Quarantäne müssen. Der Entgeltabrechner wird zum Krisen-Jongleur und bekommt fast täglich neue Bälle von Politik, Gesetzgebung, Belegschaft und Geschäftsführung zugeworfen. Damit alle im Spiel bleiben, macht er Unmögliches möglich und schafft Alternativen zu Ansprüchen, deren gesetzliche Verankerung zunächst fehlt. Er sucht nach Möglichkeiten, damit eine Mutter zu Hause ihre Kinder betreuen kann. Er tüftelt Modelle aus, damit Unternehmen liquide bleiben und Mitarbeiter dennoch ihr Leben finanzieren können.
Physisch Abstand halten. Mental zusammenrücken.
Abstand halten ist geboten und dennoch ist der Lohnbuchhalter dem Mandanten in Corona-Zeiten näher als je zuvor. Statt persönlicher Besuche gibt es jetzt öfter ein Telefonat. Ein schnelles Skype-Meeting. Einen Einblick in die Zahlen per Teamviewer. Der Austausch ist eng, die Beratungsintensität hoch. Mitarbeiter rufen an. Die Geschäftsleitung meldet sich nahezu täglich. Kein Wunder – schließlich schwemmt der Staat ständig neue Maßnahmen auf den Markt. Von neuen Voraussetzungen zur Implementierung des Kurzarbeitergeldes über Soforthilfen, ein umfangreiches Konjunkturpaket bis hin zum Corona-Rettungsschirm: Der Lohnbuchhalter nimmt seinen Mandanten in diesen Tagen fest an die Hand und führt ihn durch den Paragraphendschungel. Er streckt ihm die Liane entgegen, die sich gerade für ihn anbietet, und schwingt sich so gemeinsam mit ihm durch die Krise.
Das Internet wird zur Quelle des Wissens
Um Schwung zu holen, benötigt der Entgeltabrechner in diesen Tagen vor allem eins: verlässliche Quellen. Fündig wird er im Internet. Abonniert Newsletter, um immer up to date zu sein. Bestellt Whitepaper, die ihm einen Gesamtüberblick über die Lage verschaffen. Nimmt an Webkonferenzen teil, die Anbieter wie DATAKONTEXT aus dem Boden stampfen. Besucht Online-Seminare wie die seines Software-Anbieters zur Abrechnung des Kurzarbeitergeldes (KUG). Ja – und er wird in kürzester Zeit zum KUG-Experten. Zum Unternehmensberater. Zum Krisenmanager. Es sind stressige Zeiten, in denen schnelle Lösungen gefragt sind.
Die Branche rückt digital zusammen
Zügige Antworten erteilt er seinen Mandanten. Zügige Antworten erhält er selbst von Finanzamt-Mitarbeitern, von Angestellten bei der Agentur für Arbeit, von Ansprechpartnern bei Krankenkassen. Die Branche rückt digital näher zusammen und unterstützt sich, wo sie nur kann – und das obwohl jeder in diesen Tagen an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Während die Mehrzahl abgeschottet vom Homeoffice aus agiert, wird jeder trotz der Einsamkeit im Büro zum Teamplayer. Was einst digitale Zukunftsmusik war, ist plötzlich Realität. Und so wird Corona die Branche weiter beschleunigen. Wird sie weiter ins digitale Zeitalter drängen.
Statt sich also – wie gewohnt – im September in Köln zu treffen, sieht sich die Branche im Oktober digital auf der Messe Zukunft Personal Europe. Und so wird auch sicher nach Corona nichts mehr so sein wie vor Corona.
Krise = Gefahr + Chance
Das chinesische Schriftzeichen für Krise beinhaltet zwei Silben, die einzeln gelesen die Begriffe Gefahr und Chance bedeuten. Auch wenn es fast ein wenig zynisch klingt, an dieser Stelle ein aus China stammendes Schriftzeichen zu zitieren – ja, Krisen beinhalten immer auch Chancen. Das zeichnet sich bereits nach wenigen Monaten ab. So ist zumindest meine ganz persönliche Erfahrung. Denn auch wenn die vergangenen Wochen stressig waren, der Beruf des Lohnbuchhalters ist in diesen Zeiten rentabel. Auch finanziell gesehen. Die Mehrarbeit bringt höhere Einnahmen mit sich und eröffnet auch für die Zukunft neue Mandate. Denn wer sich in der Krise bewährt, wird gerne weiterempfohlen.
Lohnbuchhalter sind system- relevant
Vor Corona hatten die meisten nur eine vage Vorstellung vom Jobprofil des Entgeltabrechners. Das ist der, der sich darum kümmert, dass aus meinem Brutto das korrekte Netto wird – so die gängige Meinung. Jetzt zeigt sich der Beruf in einem neuen Gewand. Der Lohnbuchhalter hüllt sich in den Talar des Gesetzeskatalysators, in das Sakko des Krisenmanagers und in den weißen Kittel des Doktors, der in der Krise gebeutelte Mitarbeiter und Unternehmer verarztet. Der Lohnbuchhalter ist systemrelevant. Und das System dankt es ihm.
Philipp R. Kinzel