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Arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen : Droht nach dem Homeoffice eine Kündigungswelle?

Die schrittweisen Lockerungen der behördlichen Maßnahmen bringen weitere Herausforderungen mit sich. Viele Unternehmen stehen vor der Aufgabe, dass der Normalbetrieb wiederhergestellt werden soll, die finanziellen Mittel in den letzten Monaten jedoch extrem angegriffen wurden. All das belastet die Unternehmen massiv. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Kostensenkung zu ergreifen. Dies kann Arbeitsplätze retten!

Lesezeit 5 Min.
Eine konzeptionelle Bilanzskala mit den Sphären „Coronavirus“ und „Kündigung“, die den Bereich „Arbeitsrecht“ überwiegen, zeigt die Auswirkungen des Coronavirus auf die Beschäftigung und die Herausforderungen für das Arbeitsrecht.

Arbeitsrechtliche Sofortmaßnahmen

Es gibt einen ganzen Blumenstrauß an einseitigen und einvernehmlichen Maßnahmen. Diese können entweder kurzfristig oder dauerhaft für finanzielle Entlastung sorgen. Beide Effekte können viele Unternehmen sicherlich gut gebrauchen.

Typische kurzfristige Maßnahmen sind das Nutzen von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten. Auch das einvernehmliche Verschieben der Fälligkeit von Sonderzahlungen (z. B. Boni) bzw. der Verzicht auf Vergütungsbestandteile oder die Nutzung/ Einführung von Arbeitszeitkonten sind geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Kostensenkung. Soweit es für einen längeren Zeitraum um die Absenkung von Arbeitskosten geht, können betriebliche Bündnisse bzw. bei tarifgebundenen Unternehmen Sanierungs- oder Zukunftssicherungstarifverträge geschlossen werden. Diese Regelungen sind meist zeitlich befristet. Sie können jedoch ganz erheblich zur Kostensenkung beitragen, beispielsweise durch verringerte Leistungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder bei Schichtzulagen.

Zu prüfen wäre auch, ob es sich finanziell lohnt, mehr Mitarbeiter vom Homeoffice aus arbeiten zu lassen. Inzwischen dürften die technischen und organisatorischen Vorkehrungen hierfür getroffen worden sein. Einen gesetzlichen Anspruch der Mitarbeiter auf Homeoffice existiert in Deutschland bisher (noch) nicht. Auch gibt es – jedenfalls nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg – kein Recht des Arbeitgebers, Mitarbeiter zur Homeoffice-Tätigkeit anzuweisen. Krisenzeiten wie Corona sind hiervon jedoch ausgenommen. Für den „Normalbetrieb“ bedürfte es daher einer rechtlichen Grundlage. Auch dies kann mit Blick auf die Kostentragungsfrage (z. B. anteilige Übernahme von Mietkosten) viel Geld sparen.

Personalabbau vs. Alternativen

Sollte sich herausstellen, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, muss es nicht immer gleich ein Personalabbau sein. Auch Alternativen können Kosten senken. Insoweit kommen beispielsweise in Betracht:

  • Auslaufenlassen von Befristungen,
  • Beendigungskündigung während der Probezeit,
  • Abbau von Leiharbeitnehmern im Betrieb sowie
  • Etablierung von Freiwilligenprogrammen.

Freiwilligenprogramme

Unternehmen brauchen nach der Krise eine „Olympiamannschaft“, die motiviert das Unternehmen wieder nach vorne bringt. Rechtlich kann dieses Ziel durch betriebsbedingte Kündigungen oft nicht erreicht werden. Daher haben sich in der Unternehmenspraxis Freiwilligenprogramme im Zusammenhang mit Restrukturierungen etabliert. Durch solche Programme sollen Mitarbeiter zu einem freiwilligen Ausscheiden aus dem Unternehmen motiviert werden. Aus Unternehmenssicht kann hierdurch die Anzahl der auszusprechenden betriebsbedingten Kündigungen reduziert werden, was zu offensichtlichen Vorteilen führt. Insbesondere das Risiko eines Kündigungsschutzprozesses und die oftmals schwierig durchzuführende ordnungsgemäße Sozialauswahl entfallen.

Bei Freiwilligenprogrammen ist zwischen solchen auf Grundlage kollektivrechtlicher Vereinbarungen und solchen auf individualrechtlicher Basis zu unterscheiden. Auch hinsichtlich des Modus des Freiwilligenprogramms gibt es Unterschiede. Zum einen existieren in der Praxis offene Programme, die an die gesamte Belegschaft gerichtet sind, zum anderen beschränkte Programme, die nur ausgewählte Mitarbeiter betreffen sollen. Oftmals steht das Ausscheiden dann noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Arbeitgebers.

Dies funktioniert jedoch nicht kostenlos, sodass das Unternehmen am Ende eine Abwägungsentscheidung dahingehend treffen muss, ob es sich Rechtssicherheit und klarheit gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung erkauft möchte. Regelmäßig wird die Abfindung bei Freiwilligenprogrammen höher sein als bei einer Kündigung, weil der Mitarbeiter sich seine Freiwilligkeit „vergolden“ lassen wird.

Sollten auch diese Möglichkeiten nicht ausreichen, kommt als letzte Konsequenz der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen des klassischen Personalabbaus in Betracht.

Personalabbau und Betriebsrat

Besteht ein Betriebsrat, sind bei dem Personalabbau die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte zu wahren.

Hierzu gehört insbesondere

  • Führung von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen,
  • Durchführen von Konsultationsverfahren zur Vorbereitung einer Massenentlassungsanzeige,
  • Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der konkreten Kündigungen.

Bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat ist unbedingt zu prüfen, welches Gremium hierfür zuständig ist. Dies kann der Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat sein. Ein oft verkanntes Problem.

Eine sorgfältige Vorbereitung eines Personalabbaus ist zwingend und kann helfen, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu lenken und zu strukturieren. Dies ist auch deshalb wichtig, um zügig eine geplante Maßnahme durchzuführen.

Kündigung trotz Kurzarbeit

Viele Unternehmen halten sich derzeit mit Kurzarbeit und staatlichen Unterstützungsleistungen über Wasser. Es kann sich herausstellen, dass der prognostizierte Beschäftigungsausfall nicht nur vorübergehend ist, sondern dauerhaft. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob Kündigungen trotz Kurzarbeit überhaupt möglich sind.

Die Antwort lautet: Ja. Kündigungen sind auch während der Kurzarbeit möglich, und zwar nicht nur aus personen- und verhaltensbedingten, sondern auch aus betriebsbedingten Gründen. Dabei gelten jedoch besondere Grundsätze.

Charakteristisch für die Kurzarbeit ist der vorübergehende Arbeitsausfall. Eine betriebsbedingte Kündigung setzt hingegen einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes voraus. Wird in einem Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies daher erst einmal gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Ein vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Unternehmen müssen daher prüfen und dokumentieren, inwieweit sich die Prognose zwischen dem Zeitpunkt, in dem entschieden wurde, Kurzarbeit einzuführen, und dem Zeitpunkt, in dem entschieden wurde, einen Personalabbau durchzuführen, geändert hat.

Eine Begründung für eine betriebsbedingte Kündigung wäre beispielsweise, wenn das Unternehmen die – neue – unternehmerische Entscheidung trifft, einen Teilbereich stillzulegen oder ein bestimmtes Produkt nicht mehr anzubieten, und damit alle damit in Zusammenhang stehenden Arbeitsplätze auf Dauer wegfallen. Auch die Möglichkeit einer aktualisierten dauerhaften Prognose für das zukünftige Geschäft kann unter Umständen die Reduzierung der Belegschaft begründen.

Wichtig ist zudem, dass zahlreiche Betriebsvereinbarungen, die die Kurzarbeit regeln, den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen während der Dauer der Kurzarbeit verbieten. Unter Umständen muss dann der Zeitraum der Kurzarbeit abgewartet werden, sofern nicht eine abweichende Regelung mit dem Betriebsrat möglich ist.

Restrukturierung oder Insolvenz

Je nach Finanzlage kann sich die Abgrenzungsfrage stellen, ob es für das Unternehmen „günstiger“ ist, ein Insolvenzverfahren durchzuführen. Insoweit gibt es für den Sozialplan eine absolute Obergrenze (maximaler Gesamtbetrag von zweieinhalb Monatsverdiensten pro Mitarbeiter als Sozialplanabfindung). Dies kann durchaus interessant sein.

Fazit

Für jedes Unternehmen stellt sich spätestens am Ende der Kurzarbeitsphase die Frage, welche Maßnahmen für die Zukunft zu ergreifen sind, um Kosten zu sparen. Es gibt viele Möglichkeiten, die frühzeitig analysiert und durchdacht werden sollten!

Dr. Michaela Felisiak

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