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Im Gespräch mit Philipp Kinzel

Die Entgeltabrechnung ist im Zuge der Krise um Covid-19 deutlich mehr in den Mittelpunkt der Wahrnehmung gerückt und wird vielerorts inzwischen als systemrelevante Tätigkeit wahrgenommen. Diese Einschätzung ist auch gerechtfertigt, man denke alleine an das Dauerthema Kurzarbeit. LOHN+GEHALT sprach mit dem selbstständigen Lohnbuchhalter Philipp R. Kinzel über die besonderen Herausforderungen für seinen Berufsstand in diesen Zeiten – und über die Dinge der Payroll insgesamt.

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Lesezeit 4 Min.
Ein Mann im marineblauen Anzug blickt mit einem zufriedenen Lächeln in die Ferne und strahlt vor der grünen Kulisse Selbstvertrauen und Haltung aus.

Herr Kinzel, wir leben in ungewöhnlichen Zeiten, vieles ist derzeit nicht wie gewohnt. Trifft das auch auf den Bereich der Entgeltabrechnung zu?

Definitiv. Die aktuelle Corona-Krise stellt uns alle vor eine große gesellschaftliche, persönliche und unternehmerische Herausforderung. Wer hätte beispielsweise noch Anfang Februar gedacht, dass der Beruf des Entgeltabrechners wenige Wochen später derart systemrelevant sein wird? Im März ging plötzlich alles Schlag auf Schlag: Lockdown. Der Gesetzgeber brachte kontinuierlich neue Hilfspakete auf den Weg, die gesetzliche Lage änderte sich gefühlt täglich. Kurzarbeit, Stundungen, Soforthilfen, Rettungsschirme – Corona sorgte dafür, dass Nicht-Alltägliches plötzlich alltäglich wurde.

Auch der Gesetzgeber ist derzeit sehr aktiv, man nehme alleine den immer wieder nachjustierten Bereich der Kurzarbeit. Welches sind mit Blick Covid-19 die größten Herausforderungen für die Lohnbuchhaltung?

Lassen Sie mich diese Frage in Etappen beantworten. Die erste Herausforderung lag sicherlich in der Informationsbeschaffung. Es fühlte sich ein wenig an wie Tetris-Spielen. Der Gesetzgeber brachte ständig neue Steine ins Spiel und Sie sorgten dafür, dass diese möglichst schnell und lückenlos an die richtige Stelle verfrachtet wurden. Die nächste Hürde lag in der Software. Wird mein Software-Hersteller es rechtzeitig schaffen, zum Stichtag alle Änderungen im Programm zu implementieren? Oder werde ich es über Monate hinweg mit Korrekturen zu tun haben? Das sind Fragen, die Sie sich in den ersten Wochen sehr häufig stellen. Und die wohl größte Herausforderung – und gleichzeitig wichtigste – lag im Schutz der Mitarbeiter. Als Herr über die Gehälter ist Ihnen klar, dass diese existenziell für jeden Angestellten sind. Hier gemeinsam mit den Mandanten sicher zu stellen, dass eine regelmäßige und fortlaufende Zahlung möglich ist, war und ist das A und O in Zeiten wie diesen.

Corona birgt für viele Berufe zusätzliche Risiken. Wie sieht das in Ihrem Bereich aus?

Ich habe überwiegend Mandanten im Gesundheitswesen. Die hat es während einer Pandemie natürlich besonders getroffen. Das Wichtigste war auch hier, die Mitarbeiter zu schützen und dafür Sorge zu tragen, das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Das geht mit zahlreichen Hygienemaßnahmen einher. Die kosten natürlich Geld – ganz klar. Dem gegenüber stand – vor allem während des Lockdowns – immer das Risiko, nur eingeschränkt betriebsfähig zu sein und damit erheblich an Effizienz einzubüßen.

Da jonglieren Sie täglich mit Zahlen und Szenarien, um wirtschaftlich ertragreich zu bleiben. Schließlich sind Kennzahlen das zuverlässigste Mittel zur Bewertung der Situation. Das haben meine Mandanten und ich bislang gut gemeistert.

Früher oder später wird in den deutschen Unternehmen die Kurzarbeit wieder heruntergefahren, wie auch immer die Betriebe anschließend weitermachen werden. Worauf muss bei der Rückabwicklung aus Ihrer fachlichen Sicht geachtet werden?

Das oberste Ziel sollte auch nach der Kurzarbeit sein, Arbeitsplätze zu sichern und gleichzeitig wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben.

Die Kurzarbeit ist ja nicht die einzige wirtschaftspolitische Maßnahme, die Unternehmen in der Krise in Anspruch nehmen können. Hier gibt es ja noch zahlreiche weitere Möglichkeiten. Ich rate jedem Unternehmer, sich einen Überblick über die staatlichen Hilfen zu verschaffen und gemeinsam mit einem Experten in Erwägung zu ziehen, welches Angebot sinnvoll sein könnte.

Stimmt mein Eindruck, dass Lohnbuchhalter derzeit besonders gefragt sind, weil viele Betriebe jetzt sogar noch Verstärkung in diesem Bereich brauchen?

Das ist auch mein Eindruck. Die Lohnbuchhaltung wirft komplexe rechtliche Fragen an der Schnittstelle von Lohnsteuerrecht, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht auf. Durch die Corona-Krise ergeben sich hier laufend zusätzliche Änderungen und Anpassungen. Der Entgeltabrechner wird zum Lotsen in der Krise und muss sich in diesen Zeiten bewähren. Damit einher geht natürlich ein deutlich höheres Arbeitsaufkommen. Das muss bewältigt werden. Da ringen natürlich viele um Verstärkung. Schließlich hat die Krise für alle eine wirtschaftlich-existentielle Dimension.

Wie steht es um das Thema Pfändung in diesen Zeiten? Ist hier mit einer Zunahme zu rechnen?

Meine Mandanten und deren Mitarbeiter sind davon zum Glück nicht betroffen. Ich denke, es ist schwer, hier eine pauschalisierte Antwort zu geben. Das hängt von zu vielen Faktoren ab. Die eine Branche hat die Krise zum Beispiel mehr getroffen als die andere. Außerdem sind wir eigentlich noch mitten in der Krise und längst nicht im sicheren Hafen. Bekommen wir vielleicht nochmal einen Lockdown? Dauert die Pandemie nur noch wenige Monate oder vielleicht Jahre? Wie wird es der deutschen Wirtschaft danach gehen? Folgt ein weiterer Abschwung oder gar ein Aufschwung? Wie wird sich die coronabedingte Staatsverschuldung auf jeden einzelnen von uns auswirken? All das bleibt abzuwarten.

Wie geht es Ihnen persönlich im Augenblick? Welche Veränderungen spüren Sie in Ihren Job und wie gehen Sie damit um?

Mir geht es gut. Ich spüre deutliche Veränderungen. Corona hat der gesamten Branche – ja sagen wir dem gesamten deutschen Mittelstand – einen Schub in Sachen Digitalisierung gegeben. Sachverhalte, die ich vor Corona mit meinem Mandanten persönlich besprochen habe, kommunizierte ich im Lockdown elektronisch. Und das hat wunderbar funktioniert. Mein ganz persönliches Fazit ist ein sehr schönes, wie ich finde: Physisch Abstand zu halten, führte dazu, mental zusammen zu rücken. So sind meine Mandanten und ich noch ein Stück enger zusammengewachsen – ja, ich würde fast sagen, die gesamte Branche. Denn auch der Austausch mit Behörden sowie Krankenkassen funktionierte reibungslos und war stets von gegenseitiger Unterstützung geprägt. Das stimmt mich optimistisch, dass wir die kommende Zeit mit all unserem Know-how, gegenseitiger Hilfestellung und gesellschaftlicher Solidarität gut meistern werden.

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