Arbeitsrecht : Rechtsprechung für Sie aufbereitet
Außerordentliche Kündigung – Erklärungsfrist
(BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19)
Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände.
Von der völligen Unkenntnis des Kündigungssachverhalts ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden. Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen beginnt. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen sollen, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht.
Das Anlaufen der Kündigungserklärungsfrist setzt allerdings immer voraus, dass dem Kündigungsberechtigten die Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt und nur noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind oder doch erscheinen dürfen, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden Tatsachen. Allerdings besteht keine Obliegenheit des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer belastende Tatsachen zu ermitteln, die einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das widerspräche einerseits dem Grundsatz, dass eine sogar grob fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen nicht genügt, um die Erklärungsfrist auszulösen. Es läge andererseits auch nicht im Interesse der Arbeitnehmer, weil der Arbeitgeber zu ständigem Misstrauen angehalten und gleichsam gezwungen würde, bei der bloßen Möglichkeit einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung „vom Schlimmsten“ auszugehen und zügig „Belastungsermittlungen“ in die Wege zu leiten. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat.
Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-WochenFrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und bei einer Zurechnung vom Gericht positiv festgestellt werden.
Außerordentliche Kündigung – Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen
(BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 390/19)
Nach § 174 Abs. 5 SGB IX kann eine außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wird. Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 174 Abs. 5 SGB IX „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldhaft ist ein Zögern, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da „unverzüglich“ weder „sofort“ bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben.
Die Zustimmung des Integrationsamtes ist „erteilt“ im Sinne von § 174 Abs. 5 SGB IX, sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt.
Nach seinem Wortlaut überwindet § 174 Abs. 5 SGB IX den Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stets dann, wenn die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wurde.
§ 174 Abs. 5 SGB IX soll dem Umstand Rechnung tragen, dass ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen außerordentlich kündigen will, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB typischerweise nicht wahren kann, weil er zunächst der Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Ist die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits versäumt, ohne dass die Besonderheiten des Zustimmungserfordernisses dafür der Grund waren, könnte eine Anwendung von § 174 Abs. 5 SGB IX nicht nur zu einem Ausgleich der Erschwernis, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu wahren, führen, sondern auch zu einer durch diese Erschwernisse nicht gerechtfertigten Besserstellung des Arbeitgebers.
Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierung – Berechnung der Berufsjahre bei Teilzeitbeschäftigten
(BAG, Beschluss vom 29.01.2020 – 4 ABR 26/19)
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) dürfen Teilzeitbeschäftigte wegen ihrer Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Bei der Anwendung des gesetzlichen Benachteiligungsverbots ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu berücksichtigen. Mit § 4 Abs. 1 TzBfG wurden nämlich § 4 Nr. 1. und Nr. 2 der von der UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 umgesetzt.
Eine schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich an dem mit der Leistung verfolgten Zweck zu orientieren. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren Leistungszwecke an, sondern – bei tariflichen Regelungen – auf diejenigen, welche die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie durch die maßgeblichen Tarifregelungen ausdrücklich festgelegt haben oder welche sich aus diesen im Wege der Auslegung ergeben. Sachliche Gründe liegen nur vor, wenn die in Rede stehende Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist. Allein das unterschiedliche Arbeitspensum berechtigt danach nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften. Die Rechtfertigungsgründe müssen anderer Art sein.
So gilt das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG auch dann, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Gruppe der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt und eine andere Gruppe der Teilzeitbeschäftigten von einzelnen Leistungen ausgeschlossen wird. Deren schlechtere Behandlung entfällt nicht, weil der Arbeitgeber eine andere Gruppe Teilzeitbeschäftigter nicht benachteiligt. Verglichen werden dann nicht die unterschiedlichen Gruppen Teilzeitbeschäftigter, sondern eine bestimmte Personengruppe teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigten.
Die Benachteiligungsverbote gelten auch für tarifliche Regelungen. Sie stehen nach § 22 TzBfG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten kann daher nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie von einer allgemeinen und abstrakten Norm wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist. Auch für Tarifbestimmungen ist zu prüfen, ob ein sachlicher Grund tatsächlich vorliegt.
Der Aufstieg nach Berufs- oder Tätigkeitsjahren innerhalb einer Vergütungsgruppe soll regelmäßig eine durch Ausübung der Tätigkeit gewonnene Berufserfahrung honorieren. Eine von der konkreten Tätigkeit unabhängige, sich allein an der geringeren wöchentlichen Arbeitszeit orientierende Differenzierung zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Ermittlung der für die Vergütung maßgeblichen Berufsjahre ist durch den Zweck der Honorierung der Berufserfahrung sachlich nicht gerechtfertigt. Das Dienstalter geht zwar Hand in Hand mit der dienstlichen Erfahrung, jedoch hängt die sachliche Rechtfertigung von allen Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon ab, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird.
Kündigungsschutz bei Schwangerschaft
(BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 498/19) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt oder sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden ist. § 17 Abs. 2 Satz 1 MuSchG bestimmt, dass die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestellte Stelle in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft im Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären kann. § 17 Abs. 1 MuSchG enthält ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. Eine Kündigung unter Verstoß gegen dieses Verbot ist gemäß § 134 BGB nichtig. Das Kündigungsverbot gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme. Das ergibt die Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG.
Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG normiert ein Kündigungsverbot unter anderem gegenüber (werdenden) Müttern ohne nähere Bestimmung, welche Rechtsverhältnisse oder diesen zugrunde liegenden Verträge davon erfasst sind. Dafür ist auf den persönlichen Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes abzustellen. Das Gesetz gilt für Frauen „in einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV“ sowie ferner gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 MuSchG „unabhängig davon, ob ein solches Beschäftigungsverhältnis vorliegt“, für Frauen in weiteren Tätigkeitsformen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Satz 2 der Vorschrift nennt als Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Das lässt eine Lesart zu, wonach das Kündigungsverbot in § 17 Abs. 1 MuSchG voraussetzt, dass eine Tätigkeit bereits aufgenommen ist.
Nach der Gesetzessystematik kann es allerdings auch nur auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ankommen. Erfasst ist damit insbesondere ein Arbeitsverhältnis. Ein solches entsteht bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrags. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden soll. Auch in diesem Fall werden bereits mit dem Vertragsabschluss wechselseitig Verpflichtungen begründet. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die vereinbarte Tätigkeit ab dem vereinbarten Zeitpunkt zu erbringen, der Arbeitgeber, ihn ab diesem Zeitpunkt zu beschäftigen und vertragsgemäß zu vergüten. Auch Nebenpflichten wie die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gegenpartei gemäß § 241 Abs. 2 BGB entstehen bereits mit Vertragsabschluss. Dem steht nicht entgegen, dass im arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch für den Beginn des Arbeitsverhältnisses ggf. auch erst auf den vereinbarten Einstellungszeitpunkt der Arbeitsaufnahme abgestellt wird.
Das Kündigungsverbot soll die werdende Mutter temporär vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schützen. Hierdurch wird der Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Schwangerschaft und nach der Entbindung gewährleistet. Eine Kündigung kann sich schädlich auf die physische und psychische Verfassung von Schwangeren, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken. Arbeitnehmerinnen und mittelbar das Kind sollen nicht durch wirtschaftliche Existenzängste belastet, seelische Zusatzbelastungen durch einen Kündigungsschutzprozess vermieden werden.
Massenentlassung – Betriebsbegriff – Zuständigkeiten
(BAG, Urteil vom 13.02.2020 – 6 AZR 146/19)
Der in § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterteilt sich in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1 Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Beide Verfahren stehen selbstständig nebeneinander und sind auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen. Sie dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar.
Die Anzeige- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 bis Abs. 3 KSchG knüpfen an den Betrieb an. In gleicher Weise verfährt Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. i der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie – MERL), den § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG umsetzt. Zentraler Bezugspunkt des Massenentlassungsschutzes ist damit der Betriebsbegriff.
Der Gerichtshof der Europäischen Union legt den Begriff „Betrieb“ sehr weit aus und stellt keine hohen organisatorischen Anforderungen an die erforderliche Leitungsstruktur. Nach seinem Verständnis wird das Arbeitsverhältnis im Wesentlichen durch die Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmensteil gekennzeichnet, dem er zur Erfüllung seiner Aufgabe angehört. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Der Betrieb im Sinne der MERL muss keine Leitung haben, die selbstständig Massenentlassungen vornehmen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Leitung besteht, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung der technischen Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellt. Eine bestimmte räumliche Entfernung ist – anders als bei § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – nach diesem Betriebsverständnis nicht erforderlich.
Dr. iur. Hans-Otto Blaeser, Köln