Urteil : Werbungskostenabzug von Taxikosten
Kann ein Arbeitnehmer die per Taxi durchgeführten Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale oder in Höhe der tatsächlich angefallenen, die Entfernungspauschale übersteigenden Kosten als Werbungskosten abziehen? Das Finanzgericht Thüringen hat mit Urteil v. 22.10.2019 zum Aktenzeichen 3 K 490/19 diese Frage entschieden.
Der Arbeitnehmer arbeitete als Geschäftsleiter in einer führenden Position. Die berufliche Betätigung erfordert ein hohes Maß an Flexibilität, sodass er keine festen Arbeitszeiten mit einem regulären „Acht-Stunden-Arbeitstag” hat. Der Arbeitnehmer konnte krankheitsbedingt nicht mehr selbst Auto fahren. Er hatte einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 60 % ohne besondere Merkmale. Da die öffentliche Verkehrsanbindung zeitlich nicht hinreichend flexibel und zu langwierig war, nahm der Arbeitnehmer in der Regel ein Taxi. Hierzu vereinbarte er Sonderkonditionen mit dem Taxiunternehmer. Es fielen Taxikosten i. H. von 6.402 € an, die er als Werbungskosten gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG geltend machte. Zudem könne er als behinderter Mensch gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG die Kosten geltend machen.
Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug und setzte die Entfernungspauschale von 0,30 € je Kilometer an. Ein Abzug der tatsächlichen Taxikosten sei auch nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht möglich, da der Kläger nur zu 60 % behindert sei und über kein Merkzeichen „G” (für „Gehbehindert”) verfüge. Das Finanzgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Nach Ansicht der Richter sind Taxis öffentliche Verkehrsmittel i. S. von § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen.
Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG stellt klar, dass grundsätzlich durch die Entfernungspauschale sämtliche Aufwendungen abgegolten sind, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Etwas Anderes soll nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die Aufwendungen für die Benutzung „öffentlicher Verkehrsmittel“ den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.
Da im Kurzstreckenbereich die Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr höher sein können als der gesetzliche Pauschbetrag, soll es möglich bleiben, die tatsächlichen Kosten abzuziehen. Letztere Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, denn diese Regelung ist erkennbar von umwelt- und verkehrspolitischen Zielen getragen.
Ob Taxis „öffentliche Verkehrsmittel“ im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG sind, ist umstritten. Nach Auffassungen im Schrifttum sollen Fahrten mit dem Taxi Wege unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sein. Begründet wird dies zum Teil mit dem Argument, dass nach der Vorschrift die Abzugsfähigkeit nicht von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel „im Linienverkehr“ abhängig sei und deshalb auch Taxifahrten im Gelegenheitsverkehr abziehbar seien. Auch sprächen umwelt- und verkehrspolitische Gründe für eine Benutzung von Taxen gegenüber der Nutzung des eigenen Kraftfahrzeugs. Denn dies würde die Städte zu mindestens vom ruhenden Verkehr entlasten.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 08.04.2014 (13 K 339/12 E) – allerdings ohne nähere Begründung und in Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von der Höhe nach nur sehr geringen Aufwendungen – Taxis öffentlichen Verkehrsmitteln im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG zumindest gleichgestellt. Auch das Thüringer Finanzgericht hat mit Urteil vom 25.08.2018 den Verkehr mit Taxen als nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt angesehen, weil auch der Gelegenheitsverkehr mit Taxen umsatzsteuerlich begünstigt sei (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG), weil Taxen in den Innenstädten den ruhenden Verkehr entlasten würden und Taxen in Bezug auf den Primärenergieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen weitaus umweltfreundlicher seien als z. B. Linienschiffe bzw. Linienflugzeuge, die unstreitig als öffentliche Verkehrsmittel i. S. von § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG angesehen werden würden.
Der BFH hat bisher ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei einem Taxi einfachrechtlich um ein „öffentliches Verkehrsmittel“ i.S. dieser Vorschriften handelt. Allein der Umstand, dass die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr etwa einem Taxi nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 47 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 1 PBefG genehmigungspflichtig sei und nach § 8 Abs. 2 PBefG zum öffentlichen Personennahverkehr zähle, zwinge hierzu jedenfalls nicht. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lasse sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift auch dahingehend verstehen, dass lediglich Aufwendungen für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel (im Linienverkehr, § 42 PBefG) nicht unter die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale fallen sollen.
Im jetzt entschiedenen Fall schlossen sich die Richter der Auffassung in der Literatur an.
Taxifahrten minimieren zwar nicht stets im gleichen Ausmaß wie regelmäßiger Linienverkehr die Straßenauslastung (im Hinblick auf Leerfahrten), dennoch sprechen auch umwelt- und verkehrspolitische Gründe für eine Benutzung von Taxis gegenüber der Nutzung des eigenen Kfz. Für eine steuerrechtliche Privilegierung spricht, so die Richter, dass Taxis die Städte immerhin vom ruhenden Verkehr entlasten.
Die Benutzung von Taxis ist weitaus umweltfreundlicher als z. B. die Benutzung von Linienschiffen bzw. Linienflugzeugen, die unstreitig als öffentliche Verkehrsmittel i. S. von § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG angesehen werden.
Im Übrigen ist es auch rechtspolitisch nicht überzeugend und nicht einzusehen, dass der Arbeitnehmer, der nun einmal diese erheblichen Kosten auf sich nehmen musste, um zur Arbeit zu gelangen, nur den Pauschbetrag geltend machen könnte, während derjenige, der z. B. in Fällen der Fahrradnutzung keine oder wesentlich geringere Kosten hat, jedoch um so vieles bessergestellt wird.
Soweit man die Privilegierung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG daran knüpfen würde, dass es sich um regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel handeln müsse, ergäben sich zudem Wertungswidersprüche in der Praxis. Soweit sich öffentliche Verkehrsbetriebe z. B. der Nahverkehr insbesondere in späten Abendstunden Anruf/Abrufsammeltaxis bedient, die erst nach Anruf/auf Abruf zu einer Haltestelle fahren, handelt es sich unstreitig um ein öffentliches Verkehrsmittel, obwohl diese nicht wiederkehrend im Linienverkehr eingesetzt werden.
Die Richter brauchten nicht entscheiden, ob das Finanzamt den Abzug der durch den Arbeitnehmer geltend gemachten Taxikosten nach § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG im Hinblick auf dessen nur 60 % betragenden Grad der Erwerbsminderung bei fehlendem Merkzeichen „G” zu Recht versagt hat oder ob die gesetzliche Beschränkung auf erheblich gehbehinderte Personen eine gleichheitswidrige Schlechterstellung des Arbeitnehmers darstellt.
Praxishinweis:
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen. Die hier entscheidende Rechtsfrage ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt. Die Revision ist unter dem Az. VI R 26/20 seit dem 20.4.2020 anhängig. In vergleichbaren Fällen kann Einspruch erhoben werden und der Antrag auf Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung gestellt werden.
Daniela Karbe-Geßler