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Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst

In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.

Lesezeit 3 Min.

Arbeitsentgelt; Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel; dynamische Verweisung auf beamtenrechtliche Besoldungsregelungen; Integration einer Sonderzahlung in die monatlichen Beamtenbezüge

Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23.09.2020 – 5 AZR 193/19 :

  1. Bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt ist neben dem Wortlaut und dem Regelungszweck auch der systematische Zusammenhang einer Klausel zu berücksichtigen. Die Klausel darf nicht aus einem ihre Beurteilung mit beeinflussenden Zusammenhang gerissen werden (Rn. 17).
  2. Die durch landesgesetzliche Regelung erfolgende Einbeziehung der den Beamten im Landesdienst aufgrund gesetzlicher Regelung zustehenden Sonderzahlungen in die monatlichen Beamtenbezüge führt bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme, nach der sich die Bruttomonatsvergütung des Arbeitnehmers dynamisch nach beamtenrechtlichen Besoldungsregelungen richtet, nicht zu einer Erhöhung des Bruttomonatsentgelts, wenn der Arbeitnehmer zuvor nach anderen arbeitsvertraglichen oder kollektivrechtlichen Regelungen eine Sonderzahlung erhalten hat und diese auch weiter erhält (Rn. 18 ff.).

Arbeitsbefreiung für Personalratstätigkeit; Teilnahme an einer Sitzung des Personalratsvorstands nach einer Nachtschicht; Ruhezeit

Im Anschluss die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 16.09.2020 – 7 AZR 491/19:

  1. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 PersVG Berlin hat Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, keine Minderung der Bezüge zur Folge. Dies gilt nicht nur, soweit Personalratstätigkeiten während der Arbeitszeit zu erledigen sind, sondern auch dann, wenn die Personalratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen und dem Personalratsmitglied deswegen die Arbeitsleistung davor oder danach unmöglich oder unzumutbar ist. Auch in diesem Fall besteht ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung (Rn. 26).
  2. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG steht dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu. Eine Verkürzung der Ruhezeit um bis zu eine Stunde ist nach § 5 Abs. 2 ArbZG u. a. in Verkehrsbetrieben möglich, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird. Unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Richtlinie 2003/88/EG muss die Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 ArbZG dem Arbeitnehmer innerhalb von 24 Stunden nach Arbeitsbeginn zur Verfügung stehen (Rn. 29 ff.).
  3. Die in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung ist bei der Beurteilung, ob einem Personalratsmitglied die Arbeitsleistung wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit wahrzunehmenden Personalratstätigkeit unzumutbar ist, zu berücksichtigen. Das gilt unabhängig davon, ob Zeiten der Personalratstätigkeit als Arbeitszeit i. S. v. § 2 Abs. 1 ArbZG zu betrachten sind. Deshalb ist ein in einem Verkehrsbetrieb beschäftigtes Mitglied des Personalratsvorstands, das nach einer Nachtschicht an einer Sitzung des Personalratsvorstands teilzunehmen hat, berechtigt, seine Arbeit vor dem Ende einer Schicht einzustellen, wenn nur dadurch gewährleistet ist, dass ihm innerhalb von 24 Stunden nach Arbeitsbeginn eine ununterbrochene Erholungszeit von 10 Stunden zur Verfügung steht, in der weder Arbeitsleistung noch Personalratstätigkeit zu erbringen ist (Rn. 43).
Ein hölzerner Hammer liegt neben einem Stapel grauer Ordner auf einem Holztisch und deutet auf einen juristischen oder gerichtlichen Rahmen hin, der sich auf Personalwesen und persönliches Management konzentriert.
Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2021-5

Eingruppierung eines (Teilzeit-) Praxisanleiters; Funktionsmerkmal; Bestimmung von Arbeitsvorgängen; organisatorische Trennung zugewiesener Tätigkeiten

Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 09.09.2020 – 4 AZR 161/20:

  1. Einzeltätigkeiten können bei der Bestimmung von Arbeitsvorgängen i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV-KAH und TVöD/VKA dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus (Rn. 20).
  2. Wird die Tätigkeit eines Arbeitnehmers durch ein tarifliches Funktionsmerkmal erfasst, spricht dies regelmäßig für ein einheitliches Arbeitsergebnis und damit für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs. Maßstab für diese Wertung ist allerdings stets die Tätigkeit „in dieser Funktion“. Anderes gilt daher, wenn verschiedene Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind und zu einem unterschiedlichen Arbeitsergebnis führen (Rn. 26).
  3. In den (Schicht-)Zeiten, in denen einem im Pflegedienst tätigen Beschäftigten Auszubildende zur Praxisanleitung zugewiesen sind, ist die Tätigkeit als Praxisanleiter untrennbar mit der Patientenversorgung auf der Station verbunden, so dass es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Tarifsinn handelt. Anderes gilt für Zeiten, in denen einem Beschäftigten in Ausübung des Direktionsrechts ausschließlich pflegerische Tätigkeiten zugewiesen sind. Diese stellen einen eigenen, weiteren Arbeitsvorgang dar (Rn. 23 ff.).
  4. Die Gewährung einer Zulage als Praxisanleiter nach § 15 Abs. 5 Satz 4 TV-KAH oder nach § 15 Abs. 7 Satz 3 TVöD-BT-K i. d. F. von § 1 Satz 2 C. Nr. 2 Buchst. b LB ÜTV ist für die Bestimmung der Arbeitsvorgänge ohne Bedeutung (Rn. 29).

Claudia Czingon

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