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Interview mit Simone Seidel : „Die Rolle von HR verändert sich grundlegend“

HR-Abteilungen sehen sich heute nicht nur mit der Digitalisierung, einem fundamentalen Wandel der Arbeitswelt und aktuell der Corona-Pandemie konfrontiert. Auch der Fachkräftemangel und die Präsenz von bis zu fünf Generationen auf dem Arbeitsmarkt stellen große Herausforderungen dar. Unternehmen müssen umdenken, was den Umgang mit bestehenden und potenziellen Mitarbeitern betrifft. Ziel sollte ein People-zentrierter Ansatz sein.

Management
Lesezeit 3 Min.
Professionelle Frau, spezialisiert auf Personalmanagement, mit freundlichem Lächeln posiert vor einer strukturierten Holzwand in Geschäftskleidung.

Wie sich dieser umsetzen lässt und welche Anforderungen damit verbunden sind, erläutert Simone Seidel, Director People Central Europe bei Sage, im Interview mit LOHN+GEHALT.

Frau Seidel, Sie sagen, um qualifizierte Fachkräfte zu finden und langfristig an sich zu binden, brauchen Unternehmen einen People-zentrierten Ansatz. Was bedeutet das?

Eine People Company stellt die Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen, Erwartungen und persönlichen Zielen in den Mittelpunkt und berücksichtigt diese gezielt. Das können der Wunsch nach regelmäßigem Feedback oder spezielle Weiterbildungs- und Coaching-Angebote sein. Eine People Company kennt ihre Mitarbeiter und geht auf sie ein.

Zufriedene Mitarbeiter sind engagierter, leistungsfähiger und produktiver. Außerdem tragen sie wesentlich zum Geschäftserfolg bei. Einer unserer Studien zufolge arbeitet mehr als ein Drittel der Beschäftigten aus Mangel an Motivation nicht mehr als 30 Stunden pro Woche produktiv. Das kann gravierende wirtschaftliche Folgen haben.

Aber wie schaffen es Unternehmen, gezielt auf das gesamte Personal einzugehen?

Indem sie ihre Mitarbeiter kennenlernen und verstehen. Sie sollten nicht nur über ihre Kompetenzen und Erfahrungen, sondern auch über ihre Erwartungen an den Arbeitgeber Bescheid wissen. Das herauszufinden, ist eine komplexe Aufgabe, denn die Belegschaften sind heute sehr heterogen. In manchen Firmen sind bis zu fünf Generationen vertreten, die sich zum Teil stark voneinander unterscheiden.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Millennials etwa, die heute oft mehr als die Hälfte der Belegschaft stellen, legen Wert auf häufiges Feedback und digitale Tools. Ältere Altersgruppen geht es dagegen mehr um Stabilität und Vorhersehbarkeit. Gleichzeitig verändern sich mit der Zeit aber auch die Prioritäten. So sind flexible Arbeitszeiten und Homeoffice mittlerweile für alle Generationen wichtig – mal ganz abgesehen von Corona. Generell gilt es aber, die unterschiedlichen Altersgruppen nicht nur „unter einen Hut“ zu bringen, sondern von der Vielfalt auch zu profitieren. Denn gemischte Teams sind nachweislich innovativer und leistungsfähiger.

Welche Rolle spielt HR beim Wandel zur People Company?

Eine ganz entscheidende. HR muss die Entwicklung zum Mitarbeiter-zentrierten Unternehmen aktiv steuern und gestalten. Und in Erfahrung bringen, was die Mitarbeiter motiviert und welche Anforderungen sie haben. Solche Informationen lassen sich beispielsweise durch Pulsbefragungen erfassen. Sie müssen aber auch analysiert werden, um Maßnahmen daraus ableiten zu können – Stichwort People Science. Insgesamt werden die Tätigkeiten immer anspruchsvoller, die Rolle von HR verändert sich somit grundlegend.

Welche Bedeutung haben dabei die neuen Technologien?

Eine sehr große. Es geht ja nicht nur um Analyse-Tools für die Auswertung von Mitarbeiterumfragen. Selbst bei Personalentscheidungen verlassen sich immer mehr Personaler auf Daten als auf ihr Bauchgefühl. Spezielle Software-Lösungen sowie von Künstlicher Intelligenz (KI) gestützte Automatisierungstechnologien helfen dabei, Mitarbeiterdaten schnell einzusehen, Zusammenhänge aufzuzeigen und Trends zu erkennen. Unserer Studie zufolge nutzt mehr als ein Drittel der HR-Verantwortlichen Daten für die Entscheidungsfindung und das Performance Management.

Was müssen Personaler noch mitbringen, um den Wandel zur People Company zu unterstützen?

Ganz wichtig sind Kommunikationsstärke, Kreativität, Flexibilität, Innovationsbereitschaft sowie die Fähigkeit, über den Tellerrand blicken zu können. Also Kompetenzen, die auch heutige Führungskräfte benötigen.

Und wie gut sind die HR-Verantwortlichen und ihre Mitarbeiter für diese neuen Anforderungen gewappnet?

Da gibt es noch einige Lücken – vor allem in Sachen Technikaffinität, Kreativität und People Analytics. In unserer Studie „HR im Wandel“ schreibt sich derzeit weniger als eine von drei HR-Führungskräften eine umfassende Expertise in den genannten Bereichen zu.

Wie können Unternehmen HR-Abteilungen für ihre neue Rolle vorbereiten?

Sie müssen Wissenslücken identifizieren und entsprechende Weiterbildungen anbieten. Wichtig sind auch Technologien, mit denen HR die eigenen Aufgaben besser bewältigen kann. Voraussetzung für einen erfolgreichen Wandel zur People Company ist zudem die Zusammenarbeit der HR-Verantwortlichen mit anderen Abteilungsleitern und Team Leadern,

bis hin zur Geschäftsleitung. Denn die Führungskräfte müssen die Erkenntnisse umsetzen, die HR gewonnen hat – etwa bestimmte Mitarbeiter stärker fördern und fordern, regelmäßig

Feedback geben, motivieren etc. Alle müssen gemeinsam mehr auf den Faktor Mensch eingehen und Mitarbeiter nicht wie „Ressourcen“ behandeln, sondern als „People“.

Wie lange dauert der Wandel zur People Company und wo stehen deutsche Firmen hier aktuell?

Die meisten Unternehmen befinden sich erst am Anfang. So haben laut unserer Studie nur 18 Prozent der HR-Führungskräfte das Gefühl, dass ihr Unternehmen einen Mitarbeiter- zentrierten Ansatz lebt. 86 Prozent gehen davon aus, dass sie dafür bis zu zehn Jahre brauchen werden. Beeindruckend ist auch, dass 82 Prozent der HR-Verantwortlichen glauben, dass

ihre Rolle in zehn Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Die Veränderungen für HR sind einschneidend, da sie auch andere Unternehmensbereiche und -prozesse betreffen. Deswegen kann sich der Wandel nur schrittweise vollziehen.

Vielen Dank für das Interview

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