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Im Blick: Arbeitsrecht

Kein Erstattungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz für Arbeitgeber, falls § 616 BGB im Arbeitsvertrag nicht abbedungen ist

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 10.05.2021 – 3 K 107/21 und 3 K 108/21

Ein Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), wenn sein Arbeitnehmer während einer vierzehntägigen häuslichen Absonderung gegen ihn einen Lohnfortzahlungsanspruch hat. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz (VG) mit Urteil vom 10.05.2021 und wies zwei Klagen einer Arbeitgeberin zurück. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit wurde die Berufung zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob die Auffassung des VG Koblenz Bestand hat.

Sachverhalt

Zwei ansteckungsverdächtige Mitarbeiterinnen befanden sich aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Anordnung in häuslicher Absonderung. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Land Rheinland-Pfalz die Erstattung von Entschädigungszahlungen, die sie während der Zeit der Absonderung an die Mitarbeiter für deren Verdienstausfall geleistet hatte. Unter Hinweis auf § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewährte das Land lediglich für die Zeit ab dem sechsten Tag der Absonderung eine entsprechende Erstattung.

Hiergegen wehrte sich die Arbeitgeberin und trug vor, dass bei einer Quarantäne von mehr als fünf Tagen nicht – wie es § 616 BGB voraussetzt – von einer Verhinderung von verhältnismäßig geringer (= nicht erheblicher) Zeit gesprochen werden kann. Wird diese zeitliche Grenze überschritten, gilt vielmehr das „Alles-oder-nichts-Prinzip“. D. h. die Lohnfortzahlungsansprüche, die die Arbeitgeberin nach § 616 BGB schuldet, entfallen insgesamt für den Zeitraum. Eine Aufteilung – wie das beklagte Land dies vertreten hat – ist hingegen nicht möglich.

Kurz erklärt – Anspruchsgrundlage § 616 BGB

Können Arbeitnehmer während einer vierzehntägigen Quarantäne nicht arbeiten, weil z. B. die Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice nicht möglich ist, erhalten diese betroffenen Mitarbeiter während des Quarantänezeitraums keine Vergütung. Es gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.

Eine diesbezügliche Ausnahme kann sich entweder aus § 616 BGB oder aus § 56 IfSG ergeben. Nach § 616 Satz 1 BGB verlieren Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch nicht dadurch, dass sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Ausübung ihrer Tätigkeit verhindert sind. Maßgeblich im Zusammenhang mit der Anordnung zur Absonderung ist der Begriff „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Nach älterer Rechtsprechung umfasst dies einen Zeitraum von bis zu fünf Tagen.

Für die Anspruchsgrundlage aus § 616 BGB sind insbesondere folgende Aspekte relevant:

  • Zum einen ist entscheidend, ob die Anwendbarkeit des § 616 BGB arbeitsvertraglich abbedungen wurde, was in vielen Standardverträgen zulässigerweise der Fall ist – in dem entschiedenen Fall jedoch nicht.
  • Zum anderen kommt es für einen etwaigen Anspruch aus § 616 BGB darauf an, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung schuldhaft verursacht hat. Insoweit gelten die gleichen Regelungen wie im Krankheitsfall und beim Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Sollte die vierzehntägige Quarantäne beispielsweise aufgrund einer privat veranlassten Reise erfolgen und bereits vor Reiseantritt bekannt sein, dass nach Rückkehr aus dem Reiseland eine vierzehntägige Quarantäne notwendig ist, besteht kein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB. Gleiches gilt in diesem Fall auch nach dem Infektionsschutzgesetz, da § 56 IfSG ebenfalls darauf abstellt, ob der Arbeitnehmer die Quarantänesituation bewusst verursacht hat bzw. selbst hätte verhindern können. Abzuwarten bleibt, ob dies auch auf Personen übertragen wird, die sich nicht impfen lassen.

Soweit § 616 BGB ausgeschlossen ist, kann der Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG relevant werden. Dies gilt auch, wenn das Reiseziel erst während der Reise zu einem Risikogebiet erklärt wird und der Arbeitnehmer vor Reiseantritt nicht wusste, dass er bei seiner Rückkehr in eine vierzehntägige häusliche Quarantäne muss.

Kurz erklärt – Anspruchsgrundlage § 56 IfSG

Auch der Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG ist eine Ausnahme zum Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG haben Personen, die durch amtliche Anordnung abgesondert werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe ihres Verdienstausfalls. Der Erstattungsanspruch richtet sich gegen das jeweilige Land, das die Quarantäne angeordnet hat.

Dieser Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG ist jedoch nur subsidiär und greift nicht, wenn der Arbeitgeber das Entgeltrisiko (beispielsweise gemäß § 616 BGB) trägt.

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Arbeitsrecht 2021-6

Entscheidung

Das VG Koblenz wies die Klage der Arbeitgeberin ab. Zwar stünde der Arbeitgeberin nach den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes ein Erstattungsanspruch zu. Dieser scheide jedoch aus, wenn den betroffenen Mitarbeitern trotz der Verhinderung an der Ausübung der Arbeitsleistung ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB zustünde.

Maßgeblich war damit in dem entschiedenen Fall, dass die Regelung des § 616 Satz 1 BGB nicht in dem Vertrag abbedungen wurde. Auch die von der Arbeitgeberin ausgeführte Argumentation, dass bei einer vierzehntägigen häuslichen Quarantäne die Tatbestandsvoraussetzung des § 616 Satz 1 BGB einer „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ nicht vorlag, ging ins Leere.

Das VG Koblenz stellte in Bezug auf die Frage der zeitlichen Erheblichkeit der Quarantäne-Anordnung auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses ab und argumentierte, dass bei einem mindestens ein Jahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis eine maximal zwei Wochen andauernde Arbeitsverhinderung noch unerheblich sei. Damit lagen in dem entschiedenen Fall die Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber nach § 616 Satz 1 BGB vor.

Konsequenzen für die Praxis

Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist nach wie vor die Frage der zeitlichen Erheblichkeit der Arbeitsverhinderung. Es bleibt abzuwarten, ob die bislang von der Rechtsprechung anerkannte Erheblichkeitsschwelle von fünf Tagen durch die Besonderheiten der Corona-Pandemie auf 14 Tage ausgedehnt wird. Fest steht: Ob der Anspruch nach § 616 BGB besteht oder nicht, kann nur einheitlich entschieden werden und nicht, wie das beklagte Land vertrat, zeitlich aufgeteilt werden.

Praxistipp

Arbeitgeber sollten – unabhängig davon, ob das Urteil bestehen bleibt oder nicht – in ihren Standardarbeitsverträgen prüfen, ob § 616 BGB abbedungen ist. Ist das der Fall, kann dies dem Arbeitgeber Lohnfortzahlung ohne den Erhalt einer Gegenleistung ersparen.

Neues aus Brüssel – das Eis für grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassungskonstellationen wird dünner

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.06.2021 – C-784/19

Bislang gilt der Grundsatz, dass die Sozialversicherungsbeiträge in dem Land zu zahlen sind, in dem Mitarbeiter ihre Tätigkeit verrichten (sog. Territorialitätsprinzip). Dieser Grundsatz gilt auch weiterhin – allerdings sind insbesondere bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassungskonstellationen einige Besonderheiten zu beachten.

Bei grenzüberschreitenden Konstellationen, in denen Mitarbeiter auf Veranlassung ihres Arbeitgebers ins Ausland geschickt werden, gibt es unterschiedliche Ausnahmen von dem Territorialitätsprinzip. Der häufigste Fall einer solchen Ausnahme ist der einer Entsendung. Dies führt dazu, dass ein ausländisches Unternehmen, das einen Auftrag in Deutschland ergattert hat, sich nicht mit deutschen Sozialversicherungsbeiträgen beschäftigen muss, sondern diese im Heimatland entrichtet. Hieraus kann sich ein Wettbewerbsvorteil – geringere Sozialversicherungsbeiträge im Vergleich zu Deutschland – ergeben.

Der Spielraum für grenzüberschreitend tätige Leiharbeitnehmer wird jedoch enger. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied, dass für Unternehmen, deren Geschäftsausrichtung darauf basiert, Mitarbeiter ins Ausland zu verleihen, die Gefahr besteht, die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge im jeweiligen Ausland abzuführen. Dies gilt nach Auffassung des EuGH dann, wenn die überlassenen Mitarbeiter ausschließlich oder jedenfalls hauptsächlich an Unternehmen außerhalb des Heimatstaates verliehen werden und keine nennenswerte Tätigkeit im eigenen Heimatland ausüben. Das Urteil ist konsequent und ruft in Erinnerung, dass das Vorliegen einer „Entsendung“ kein Selbstläufer ist und die Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall streng zu prüfen sind.

Sachverhalt

Ein bulgarisches Unternehmen überließ bulgarische Leiharbeitnehmer vorübergehend an einen deutschen Arbeitgeber. Das bulgarische Unternehmen hat bei der zuständigen Verwaltungsbehörde in Bulgarien eine sogenannte „A1-Bescheinigung“ beantragt.

Kurz erklärt – A1-Bescheinigung

Eine A1-Bescheinigung dient dem Nachweis, dass die im Ausland tätigen Mitarbeiter weiterhin aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht den Rechtsvorschriften ihres Heimatlands (im Fall: Bulgarien) unterliegen.

Arbeitgeber sind durch die Beantragung einer A1-Bescheinigung davor geschützt, dass ausländische Sozialversicherungsbehörden (im Fall: Deutschland) Beiträge fordern. Selbst bei kurzen Dienstreisen sollten Arbeitgeber eine A1-Bescheinigung vor Reiseantritt beantragen.

Die bulgarische Behörde weigerte sich jedoch, eine entsprechende A1-Bescheinigung auszustellen, und führte u. a. aus, dass die überlassenen Leiharbeitnehmer keinen nennenswerten Teil ihrer Tätigkeit in Bulgarien ausüben. Hiergegen wehrte sich das bulgarische Unternehmen und argumentierte u. a. mit Art. 12 der Europäischen Verordnung 883/2004. Die vorgenannte europäische Verordnung regelt neben anderem, welche sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften in grenzüberschreitenden Konstellationen gelten. Auch ist in der Europäischen Verordnung geregelt, was nach dem europäischen Verständnis unter einer Entsendung – aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht – verstanden wird.

Kurz erklärt – sozialversicherungsrechtliche Entsendung

Eine sozialversicherungsrechtliche Entsendung liegt vor, wenn sich ein im Inland beschäftigter Mitarbeiter auf Weisung seines Arbeitgebers in einen anderen Staat der EU begibt, um dort für diesen zeitweise eine Beschäftigung auszuüben. Nach den Regelungen des Art. 12 der Europäischen Verordnung 883/2004 unterliegen entsandte Mitarbeiter dann weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen des Heimatlandes, in dem sie angestellt sind, sofern die voraussichtliche Dauer der Entsendung 24 Monate nicht überschreitet und diese Person nicht durch eine andere Person abgelöst wird.

Hintergrund

Das bulgarische Unternehmen übersah bei der Argumentation, dass die vorgenannte Regelung des Art. 12 der Europäischen Verordnung 883/ 2004 nur für Mitarbeiter gilt, die gewöhnlich in ihrem Heimatstaat tätig sind. Zudem muss das entsprechende Unternehmen dort auch eine nennenswerte Geschäftstätigkeit ausüben. Dreh- und Angelpunkt ist der Begriff „nennenswerte Geschäftstätigkeit“.

Beschränken sich die Tätigkeiten des Unternehmens – wie in dem vorliegenden Fall – auf reine interne Verwaltungstätigkeiten, besteht gerade keine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Heimatstaat.

Kurz erklärt – nennenswerte Geschäftstätigkeit

Das Kriterium der nennenswerten Geschäftstätigkeit gewinnt durch das EuGH-Urteil an Bedeutung. Bloße Briefkastenfirmen, die sich zur Ausnutzung von vergleichsweise niedrigen Sozialversicherungsbeiträgen im Ausland ansiedeln, sollen damit nicht unter den Anwendungsbereich der entsenderechtlichen Vorschriften des Art. 12 der Europäischen Verordnung 883/ 2004 fallen.

Maßgebliche Kriterien zur Bestimmung einer nennenswerten Geschäftstätigkeit können u. a. sein:

  • Das Verhältnis des Umsatzes, den das Unternehmen im Heimatstaat (hier: Bulgarien) und in dem Zielland (hier: Deutschland) erwirtschaftet. Fälle, in denen der Umsatz in dem Heimatstaat weniger als 25 Prozent beträgt, sollten von der zuständigen Verwaltungsbehörde näher geprüft werden.
  • Ort, an dem die Mehrheit der Verträge von Kunden geschlossen wird, sowie die Zahl der im Heimatstaat (hier: Bulgarien) und im Ausland (hier: Deutschland) geschlossenen Verträge;
  • Anzahl der Verwaltungsangestellten im Heimatstaat (hier: Bulgarien) bzw. im Ausland (hier: Deutschland).

Für die Frage, ob eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Heimatstaat vorliegt, müssen die zuständigen Verwaltungsbehörden auch prüfen, ob Arbeitgeber tatsächlich diese Voraussetzungen erfüllen.

Hintergrund

Die Argumentation des bulgarischen Unternehmens, dass allein die Auswahl und Einstellung der Leiharbeitnehmer eine nennenswerte Geschäftstätigkeit sei, wies der EuGH zurück. Selbst wenn es sich hierbei nicht um „reine interne Verwaltungstätigkeiten“ handelt, dienen diese Tätigkeiten allein der späteren Überlassung der Leiharbeitnehmer und nur mit der entsprechenden Überlassung erwirtschafte das Leiharbeitsunternehmen den entsprechenden Umsatz.

Konsequenzen für die Praxis

Der EuGH stützt seine Entscheidung zudem auf die Dienstleistungsfreiheit, die nicht dazu führen soll, dass ein Anreiz für Unternehmen geschaffen wird, ihren Unternehmenssitz aufgrund günstiger Sozialversicherungssysteme zu wählen. Ein sogenanntes „Forum Shopping“ soll verhindert werden.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass Leiharbeitsunternehmen, die Arbeitnehmer hauptsächlich ins Ausland verleihen, sich zwar auf die Dienstleistungsfreiheit berufen können, die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge jedoch in dem jeweiligen Tätigkeitsstaat zu zahlen sind. Etwas anderes gilt nur, wenn das Leiharbeitsunternehmen auch einen nennenswerten Teil seiner Tätigkeiten im Heimatland erwirtschaftet.

Praxistipp – grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung

Interessant ist, dass dies nicht die einzige Neuigkeit im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Leiharbeitnehmerkonstellationen ist.

Neben der Frage, in welchem Land die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind, spielt oftmals die Frage, ob das deutsche Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) Anwendung findet, eine wichtige Rolle. Auch insoweit gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip, so dass das AÜG nur gilt, wenn Mitarbeiter aus dem Ausland zur Arbeitsleistung in bzw. nach Deutschland überlassen werden. Arbeitsort ist also jeweils Deutschland. In dem oben dargestellten Fall des EuGH war dies offenkundig gegeben.

Die Pandemie und die damit geschaffenen Möglichkeiten von mobiler Arbeit haben in den letzten Monaten verstärkt dazu geführt, dass Mitarbeiter auch aus dem Ausland arbeiten wollen. Dies haben auch neuartige Dienstleistungsunternehmen erkannt und bieten deutschen Arbeitgebern beispielsweise die Vermittlung von im Ausland tätigen Arbeitnehmern an. Die rechtlichen Risiken werden hierbei oft übersehen.

Kurz erklärt – Vorsicht bei dem Einsatz von Mitarbeitern aus dem Ausland

Bislang unterfiel die Tätigkeit von Mitarbeitern aus dem Ausland nicht dem Anwendungsbereich des deutschen AÜG, jedenfalls wenn die betroffenen Mitarbeiter ausschließlich aus dem Ausland tätig wurden.

Auch nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG wird der Verleih an einen inländischen Entleiher durch einen ausländischen Verleiher nicht vom AÜG erfasst, wenn der Leiharbeitnehmer oder die Leiharbeitnehmerin ausschließlich im Ausland eingesetzt wird.

Was jedoch weitgehend unbekannt ist: Die Fachlichen Weisungen sind insoweit veraltet. Denn diese beziehen sich ausschließlich auf Fälle, bei denen die Arbeitsleistung zwingend an einem bestimmten Ort (im Ausland) erbracht werden muss, d. h. die körperliche Anwesenheit der Beschäftigten an dem Ort erforderlich ist und sich die ausgeübten Tätigkeiten daher nicht wesentlich auf den deutschen Arbeitsmarkt auswirken. An neue Arbeitsformen (Remote Working; mobiles Arbeiten aus dem Ausland) wurde bei der Erstellung der Fachlichen Weisungen nicht gedacht.

Die Bundesagentur für Arbeit vertritt daher in Konstellationen, in denen Mitarbeiter ausschließlich aus dem Ausland für einen deutschen Arbeitgeber arbeiten und die betreffenden Mitarbeiter nicht direkt bei dem deutschen Unternehmen, sondern bei einem Dienstleister angestellt sind, nunmehr die Auffassung, dass das deutsche AÜG auch auf solche Fälle Anwendung finden kann. Ob dies der Fall ist, hängt von der jeweils ausgeübten Tätigkeit ab. Argumentiert wird insoweit mit dem Schutzzweck des AÜG, der auch dann zur Anwendung kommt, wenn Tätigkeiten im Ausland für deutsche Unternehmen erbracht werden und es sich um Tätigkeiten handelt, die nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind, sondern von überall (remote) erbracht werden können.

Praxistipp

Sowohl mit Blick auf die Frage, wo die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind, als auch mit Blick auf die Frage, ob das AÜG Anwendung findet, lohnt es sich, bei grenzüberschreitenden Konstellationen zweimal hinzuschauen.

Einstweiliger Rechtsschutz für Teilzeit während der Elternzeit

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.06.2021 – 5 Ta 71/21

Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit kann durch Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied, dass die Besonderheiten des Teilzeitanspruchs, die sich insbesondere aus der Regelung zur Vollstreckung ergeben, dem nicht entgegenstehen.

Sachverhalt

Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Kindes in Elternzeit (20.06.2020 bis 24.04.2022) und beantragte währenddessen die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit im Umfang von 30 Wochenstunden. Den Antrag reichte sie am 19.02.2021 ein und begehrte ab dem 01.05.2021 bis zum 24.04.2022 die Teilzeitbeschäftigung. Mangels Beschäftigungsmöglichkeiten lehnte die Arbeitgeberin diesen Antrag ab. Hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin mittels eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Kurz erklärt – einstweiliges Verfügungsverfahren

Das einstweilige Verfügungsverfahren ist ein Eilverfahren und führt dazu, dass deutlich schneller als in dem regulären Klageverfahren vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird. Es dient der Sicherung von Ansprüchen.

Typischerweise vergehen zwischen der Einreichung einer Klage im Hauptsacheverfahren beim Arbeitsgericht und der Entscheidung regelmäßig mehrere Monate. Die konkrete Dauer variiert je nach Region und Auslastung der Gerichte. Typische Konstellationen, in denen der einstweilige Rechtsschutz eine Rolle spielt, sind Versetzungen und nicht gewährte Urlaubstage. Das einstweilige Verfügungsverfahren hat folgende Voraussetzungen: (1) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, (2) einen Verfügungsanspruch, (3) einen Verfügungsgrund und (4) die Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund.

Entscheidung

Das LAG Köln gab dem Antrag der Arbeitnehmerin statt. Obwohl die Anforderungen an die Voraussetzungen (insbesondere Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund) hoch sind, lagen diese vor.

Der Verfügungsanspruch wurde bejaht, weil die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht hat. Zwar kann dem Begehren durch einen entsprechenden Hinweis auf dringende betriebliche Gründe (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) entgegentreten werden. Das Vorliegen der dringenden betrieblichen Gründe muss jedoch ebenfalls glaubhaft gemacht werden. Die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, wie dies die Arbeitgeberin in dem vorliegenden Fall versuchte, reicht insoweit nicht aus. Vielmehr müssen die zugrundeliegenden Tatsachen konkret bezeichnet werden.

Auch der Verfügungsgrund lag vor. Unter dem Verfügungsgrund versteht man, dass dem Antragsteller aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit das Abwarten der normalen Verfahrensdauer nicht zugemutet werden kann. Zu prüfen ist insoweit, ob die Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig ist und eine solche Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Wichtig ist, dass die Angelegenheit nicht endgültig geregelt.

Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit kann durch Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied, dass die Besonderheiten des Teilzeitanspruchs, die sich insbesondere aus der Regelung zur Vollstreckung ergeben, dem nicht entgegenstehen.

Sachverhalt

Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Kindes in Elternzeit (20.06.2020 bis 24.04.2022) und beantragte währenddessen die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit im Umfang von 30 Wochenstunden. Den Antrag reichte sie am 19.02.2021 ein und begehrte ab dem 01.05.2021 bis zum 24.04.2022 die Teilzeitbeschäftigung. Mangels Beschäftigungsmöglichkeiten lehnte die Arbeitgeberin diesen Antrag ab. Hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin mittels eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Kurz erklärt – einstweiliges Verfügungsverfahren

Das einstweilige Verfügungsverfahren ist ein Eilverfahren und führt dazu, dass deutlich schneller als in dem regulären Klageverfahren vorläufiger Rechtsschutz gewährt wird. Es dient der Sicherung von Ansprüchen. Typischerweise vergehen zwischen der Einreichung einer Klage im Hauptsacheverfahren beim Arbeitsgericht und der Entscheidung regelmäßig mehrere Monate. Die konkrete Dauer variiert je nach Region und Auslastung der Gerichte. Typische Konstellationen, in denen der einstweilige Rechtsschutz eine Rolle spielt, sind Versetzungen und nicht gewährte Urlaubstage. Das einstweilige Verfügungsverfahren hat folgende Voraussetzungen: (1) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, (2) einen Verfügungsanspruch, (3) einen Verfügungsgrund und (4) die Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund.

Entscheidung

Das LAG Köln gab dem Antrag der Arbeitnehmerin statt. Obwohl die Anforderungen an die Voraussetzungen (insbesondere Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund) hoch sind, lagen diese vor.

Der Verfügungsanspruch wurde bejaht, weil die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit glaubhaft gemacht hat. Zwar kann dem Begehren durch einen entsprechenden Hinweis auf dringende betriebliche Gründe (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) entgegentreten werden. Das Vorliegen der dringenden betrieblichen Gründe muss jedoch ebenfalls glaubhaft gemacht werden. Die bloße Behauptung, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit, wie dies die Arbeitgeberin in dem vorliegenden Fall versuchte, reicht insoweit nicht aus. Vielmehr müssen die zugrundeliegenden Tatsachen konkret bezeichnet werden.

Ein hölzerner Hammer, der auf einem geschlossenen, gebundenen Buch ruht und auf einer Holzoberfläche Recht und Gerechtigkeit im Personalbereich symbolisiert.
Arbeitsrecht 2021-5

Auch der Verfügungsgrund lag vor. Unter dem Verfügungsgrund versteht man, dass dem Antragsteller aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit das Abwarten der normalen Verfahrensdauer nicht zugemutet werden kann. Zu prüfen ist insoweit, ob die Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig ist und eine solche Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Wichtig ist, dass die Angelegenheit nicht endgültig geregelt werden soll, so dass es zu einer Vorwegnahme der Hauptsache kommt. Deshalb ist der Erlass der einstweiligen Verfügung nur unter engen Voraussetzungen möglich.

Das LAG Köln entschied in dem vorliegenden Fall jedoch, dass wegen einer vermeintlichen Vorwegnahme der Hauptsache keine besonders strenge Anforderungen zu stellen sind. Auch genügte der Hinweis auf den Zeitablauf nicht. Maßgeblich ist vielmehr eine umfassende Interessenabwägung. Regelmäßig, so das LAG Köln, komme als Verfügungsgrund nur ein konkretes ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung in Betracht.

In dem entschiedenen Fall lag das konkrete ideelle Interesse der Arbeitnehmerin darin, dass sie konkrete berufliche Nachteile glaubhaft machen konnte.

Sie musste bei einer weiteren Abwesenheit befürchten, dass an ihrer Stelle andere Arbeitnehmer gefördert würden und sie auf ein Abstellgleis geraten würde. Dies genügte nach Ansicht des LAG Köln.

Konsequenzen für die Praxis

Der Teilzeitanspruch konnte in dem vorliegenden Fall per einstweiliger Verfügung erwirkt werden. Maßgeblich war hierfür die Glaubhaftmachung der beruflichen Nachteile. Dies führt jedoch nicht dazu, dass künftig jedes Begehren auf Teilzeit während der Elternzeit mit einem einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden kann. Die genauen Umstände des Einzelfalls sind hierfür relevant. Eine Rolle spielt hierbei sicherlich die Größe des Unternehmens. Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger wird es, ein Teilzeitbegehren durch dringende betriebliche Gründe abzulehnen.

Praxistipp – Reaktionen Arbeitgeber

Arbeitgeber sollten einstweilige Verfügungsverfahren in jedem Fall ernst nehmen und sich nicht auf die hohen prozessualen Hürden verlassen.

Dr. Michaela Felisiak, Rechtsanwältin, LL.M.

Dr. Dominik Sorber, Rechtsanwalt BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

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