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Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 5/2021)

Lesezeit 6 Min.

Gesetzliche Unfallversicherung

BSG, Urteile v. 30.01.2020, Az.: B 2 U 2/18 R und B 2 U 20/18 R

1. BSG-Entscheidung zum „dritten Ort“

Beim Thema Wegeunfall kommt es immer wieder zu Ablehnungen der Unfallversicherungsträger. Sie erkennen einen entschädigungspflichtigen Wegeunfall nur an, wenn dieser auf dem direkten und unmittelbaren Weg von oder zur Arbeit eintritt. Die Urteile dazu füllen ganze Ordner.

Ein wichtiger und in der Vergangenheit oft strittiger Punkt ist der Ort, von dem aus der Weg zur Arbeit angetreten wird (oder zu dem er wieder zurückführt). Die Lebenswirklichkeit weicht oft von der Sichtweise der Unfallversicherungsträger ab. Klar ist die Lage, wenn der Weg zur Arbeit von der eigenen Wohnung gestartet wird. Probleme gab es bisher aber, wenn der Startpunkt beispielsweise die Wohnung eines Partners, eines Freundes oder eines Verwandten war. Die Unfallversicherungsträger haben dann oft die Leistung abgelehnt, wenn beispielsweise dieser sogenannte dritte Ort weiter entfernt von der Arbeitsstelle lag als die heimische Wohnung.

Dem hat das Bundessozialgericht (BSG) jetzt einen Riegel vorgeschoben. Für den Versicherungsschutz kommt es nicht auf den Zweck des Aufenthaltes an einem dritten Ort, noch auf die Weglänge oder Fahrzeit an. So wurde der Versicherungsschutz explizit auch bei einem Weg von 200 Kilometern anstatt von fünf Kilometern von der eigenen Wohnung bestätigt. Entscheidend ist lediglich, dass der Weg unmittelbar zum Zweck der Aufnahme der beruflichen Tätigkeit bzw. unmittelbar nach deren Beendigung zurückgelegt wird.

2. Unfallversicherung im Homeoffice

Der Gesetzgeber hat auf die vermehrte (und zeitweise vorgeschriebene) Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice reagiert und die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung geändert. Bisher beschränkte sich der Unfallversicherungsschutz im Homeoffice auf die sogenannten Betriebswege, also auf den Gang zum Drucker oder den direkten Weg ins Arbeitszimmer.

Jetzt sind auch die Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder der Toilettengang in den Versicherungsschutz einbezogen.

Außerdem sind bei Tätigkeit im Homeoffice auch Wege des Beschäftigten zur Betreuung der Kinder versichert, die außer Haus zurückgelegt werden. Gemeint sind damit die Wege beispielsweise zur Kita, um das Kind dorthin zu bringen oder wieder abzuholen.

Ein hölzerner Hammer, der auf einem geschlossenen grünen Buch ruht, vor einem rustikalen Holzhintergrund, der Themen aus den Bereichen Recht und Humanressourcen darstellt.
Sozialversicherungsrecht 2021-6

Kinderkrankengeld ausgeweitet

Mit Blick auf die Erfordernisse der Corona-Pandemie wurde der Anspruch auf Kinderkrankengeld für gesetzlich versicherte Berufstätige um 10 Tage erweitert (für Alleinerziehende um 20 Tage). So soll die Betreuung der Kinder während pandemiebedingter Schul- oder Kita-Schließungen sichergestellt werden. Der Anspruch besteht daher nicht nur bei Erkrankung des Kindes, sondern auch bei einem Ausfall der Kinderbetreuung.

Durch die erneute Erhöhung besteht nun für das Jahr 2021 ein Anspruch auf maximal 30 Tage für jedes Kind, bei Alleinerziehenden auf maximal 60 Arbeitstage.

Kurzfristige Beschäftigungen

1. Drei Monate oder 70 Arbeitstage

Zwei unterschiedliche Grenzwerte für denselben Sachverhalt: Kurzfristige Beschäftigungen, die nicht berufsmäßig ausgeübt werden, sind sozialversicherungsfrei. Aber welcher Grenzwert gilt wann? Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger hatten schon lange eine Einteilung nach der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage als Grundlage genommen: bis zu vier Arbeitstagen wöchentlich waren die Arbeitstage als Grenzwert heranzuziehen, ab fünf Arbeitstagen die drei Monate bzw. 90 Kalendertage.

Dieser Auffassung ist das Bundessozialgericht allerdings nicht gefolgt. In einem Urteil vom 24.11.2020 (B 12 KR 34/19 R) hat das BSG eine andere Auffassung vertreten. Eigentlich erstaunlich, dass es erst jetzt eine Entscheidung zu dieser Frage gibt, denn die Regelung steht schon seit Jahrzehnten so im Gesetz (nur die Grenzwerte haben sich zeitweise verändert).

Der zugrunde liegende Fall:

Ein Arbeitgeber hatte mit einer Beschäftigten einen Rahmenarbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 07.09.2020 abgeschlossen. Darin war ein maximaler Arbeitseinsatz von 50 Arbeitstagen festgeschrieben (zu diesem Zeitpunkt betrug die Grenze für eine kurzfristige Beschäftigung zwei Monate oder 50 Arbeitstage). Tatsächlich gearbeitet hatte die Beschäftigte an insgesamt 49 Arbeitstagen, allerdings lief der Einsatz jeweils an fünf Arbeitstagen in der Woche.

Das BSG konnte der Auffassung der Spitzenverbände, dass in diesem Fall Versicherungspflicht bestehen würde, weil die Zwei-Monats-Grenze von vornherein überschritten war, nicht folgen. Vielmehr sah das Gericht die

Geringfügigkeit als erfüllt an, weil die 50 Tage nicht überschritten wurden. Für die bisher vorgenommene Einteilung der Grenzwerte nach der wöchentlichen Arbeitszeit sah das BSG keine rechtliche Grundlage.

Die Spitzenverbände müssen nun auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung die Geringfügigkeitsrichtlinien überarbeiten und anpassen.

2. Erneute Anhebung der Zeitgrenzen

Wie schon im Jahr 2020 wurden für 2021 mit Blick auf die Corona-Pandemie die Zeitgrenzen für die kurzfristige Beschäftigung vorübergehend angehoben.

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt danach vor, wenn sie innerhalb eines Jahres auf längstens vier Monate oder 102 Arbeitstage befristet ist und nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Die übliche Grenze beträgt drei Monate oder 70 Arbeitstage. Die verlängerten Zeitgrenzen gelten nur für den Zeitraum vom 01.03.2021 bis zum 31.10.2021. Im vergangenen Jahr wurden die Grenzwerte im Zeitraum März bis Oktober auf fünf Monate beziehungsweise 115 Arbeitstage angehoben.

Analog dazu gilt die Zeitgrenze von vier Monaten auch für ein vorübergehendes unvorhersehbares Überschreiten der Entgeltgrenze bei geringfügig entlohnten Beschäftigungen (Minijobs).

3. Meldeverfahren wird erweitert

Sozialversicherungsfreiheit bei kurzfristigen Beschäftigungen soll nur dann bestehen, wenn eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht. Probleme gibt es in dieser Hinsicht gelegentlich bei ausländischen Arbeitskräften, insbesondere Saisonarbeitskräften. Künftig muss der Arbeitgeber die Art der krankenversicherungsrechtlichen Absicherung des Beschäftigten mit der Meldung an die Minijobzentrale angeben. Speziell für die ausländischen Saisonarbeitskräfte wird auch eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Gruppenkrankenversicherung anerkannt.

Bei der Anmeldung eines kurzfristig Beschäftigten bei der Minijobzentrale erhält der Arbeitgeber künftig eine automatische Rückmeldung über dort bereits vorliegende Vorbeschäftigungszeiten. So kann der Arbeitgeber zeitnah die Richtigkeit seiner versicherungsrechtlichen Beurteilung überprüfen und ggf. – noch während der Beschäftigte bei ihm angestellt ist – erforderliche Beiträge berechnen, einbehalten und an die Krankenkasse abführen. In einem solchen Fall muss natürlich die Meldung an die Minijobzentrale storniert und die Meldung über die dann versicherungspflichtige Beschäftigung an an die gesetzliche Krankenkasse als Einzugsstelle abgegeben werden.

Unbedenklichkeitsbescheinigungen werden vereinheitlicht

Für die Bewerbung um öffentliche Aufträge müssen Unternehmen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Einzugsstellen (Krankenkassen) vorlegen. Darin wird die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten bescheinigt. Dies ist immer ein erheblicher Aufwand, zumal jede Kasse ihre eigenen Vordrucke und Antragswege nutzt. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben sich jetzt darauf verständigt, ab 2022 ein einheitliches Verfahren zu etablieren. So werden die Inhalte der Bescheinigung vereinheitlicht und ein elektronisches Antrags- und Rückmeldeverfahren etabliert. Letzteres wird aber voraussichtlich erst später – spätestens 2023 – zur Verfügung stehen, weil hierfür noch einige rechtliche Klarstellungen des Gesetzgebers erforderlich sind. Dann dürfte das elektronische Verfahren für alle Beteiligten verpflichtend sein.

Kurzarbeitergeldregelungen um weitere drei Monate verlängert

Die vereinfachten Zugangsvoraussetzungen für Kurzarbeitergeld wurden um weitere drei Monate verlängert. Die vorübergehend höheren Leistungssätze bleiben bis zum Jahresende 2021 unverändert bestehen. Für die Anmeldung von Kurzarbeit reicht es also weiterhin aus, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind; regulär muss mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer betroffen sein. Die Sozialversicherungsbeiträge, die vom Arbeitgeber allein zu tragen sind, werden bis 30.09.2021 weiterhin in voller Höhe erstattet. Danach, bis Ende 2021, beträgt der Erstattungssatz dann noch 50 Prozent.

Jürgen Heidenreich

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