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Fachleute stellen sich vor : Interview mit Claudia Czingon

Ab dieser Ausgabe wird die Rubrik „Rechtsprechung für Sie aufgearbeitet“ durch unsere Expertin Claudia Czingon betreut. Frau Czingon ist Richterin am Landgericht in Zwickau und ihre Beiträge sind bereits seit Jahren ein fester Bestandteil unseres Fachmagazins. Frau Czingon leitet die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht der DATAKONTEXT GmbH.

Lesezeit 4 Min.
Ein berufliches Meeting läuft: Eine Frau in einem eleganten Blazer lächelt eine Person einnehmend an, die einen Notizblock mit der Aufschrift „Vertraulich“ auf dem Umschlag hält, was auf eine private und wichtige Menschin hinweist
Fachleute stellen sich vor

Markus Stier befragte Frau Czingon zu aktuellen Themen aus dem Arbeitsrecht und blickt gemeinsam mit ihr auf die aktuelle Rechtsprechung.

Frau Czingon, seit Jahren stellen Sie uns die wichtige Rechtsprechung für den öffentlichen Dienst dar. Ab dieser Ausgabe sind Sie auch die Expertin für die Rubrik „Rechtsprechung für Sie aufgearbeitet“. Was ist Ihnen bei der Darstellung in dieser Rubrik wichtig? Was steht für Sie im Fokus?

Für mich ist es wichtig, aus der Fülle von Entscheidungen aus dem Bereich des Arbeitsrechts diejenigen herauszusuchen und zusammenzufassen, die Grundsätze enthalten. Obwohl jeder Rechtsstreit einzigartig ist, gibt es viele Entscheidungen, die „lehrbuchmäßige“ Ausführungen enthalten. Oft führt das Bundesarbeitsgericht mit einem Urteil seine frühere Rechtsprechung fort bzw. bestätigt sie. Ab und zu hält das Bundesarbeitsgericht an einer Auffassung nicht mehr fest und ändert dann seine Rechtsprechung. Das Arbeitsrecht ist ein sehr lebendiges Rechtsgebiet und erfordert viel Zeit zum Lesen.

Aktuell sind viele Arbeitgeber an den Entscheidungen zur Kurzarbeit und dem Infektionsschutzgesetz interessiert. Gerade für das Infektionsschutzgesetz werden Entscheidungen erwartet. Glauben Sie, dass es diesbezüglich zu einer Steigerung an Klagen kommen wird?

Die Corona-Pandemie hat bereits zu vielen Entscheidungen geführt, nicht nur im Arbeitsrecht, sondern z. B. auch im Verwaltungsrecht. Im Bereich des Arbeitsrechts gibt es interessante Entscheidungen zur Maskenpflicht. Zu erwarten sind auch Entscheidungen im Bereich der Arbeitsunfälle, die bedingt durch „Homeoffice“ zu Hause passieren. Auch im Steuerrecht gibt es Fragen zu Pauschalen im Zusammenhang mit der Arbeit zu Hause.

Häufig bestehen Unsicherheiten bei der Umsetzung von Entscheidungen. Arbeits-, Landesarbeitsgerichte oder Bundesarbeitsgericht – welche Auswirkungen hat welche Rechtsprechung auf die Praxis? Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist eigenständig, doch welche Entscheidung hat welche Tragweite?

Die Unsicherheiten werden bleiben. Die Gerichte sind unabhängig und auch wenn es z. B. eine ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt, gibt es keine Bindungswirkung für die beiden unteren Instanzen, d. h. für Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte. Landesarbeitsgerichte sind allerdings nach § 72 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) in bestimmten Fällen zur Zulassung der Revision verpflichtet.

Die Verpflichtung der Arbeitsgerichte zur Zulassung der Berufung ist in § 64 Abs. 3 ArbGG geregelt. Es kommt auch vor, dass aufgrund einer Entscheidung einer unteren Instanz das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung ändert. Ein aktuelles Beispiel für wichtige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist das Urteil zum Thema Mindestlohn im privaten Pflegebereich. Diese Entscheidung ist gleich in den Medien präsent gewesen und wird Auswirkungen in der Praxis haben.

Nicht selten urteilen gerade die Landesarbeitsgerichte unterschiedlich. Da bleibt die Frage bei vielen Arbeitgebern, was sie letztendlich umsetzen müssen. Ist dann entscheidend, in welchem Bundesland der Arbeitgeber sein Unternehmen betreibt?

Dass Landesarbeitsgerichte unterschiedlich urteilen, liegt daran, dass jede Kammer eines Landesarbeitsgerichts mit einem Vorsitzenden Richter bzw. einer Vorsitzenden Richterin und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt ist, die in dieser Besetzung eigenständig entscheiden. Die Besetzung bei den Arbeitsgerichten ist identisch. Die vorgesehene Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ist damit unverzichtbar. Ich möchte dieses Interview nutzen, auf dieses wichtige Ehrenamt hinzuweisen.

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 17 Abs. 1 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand von Gesellschaften durch ihren Sitz bestimmt. Der besondere Gerichtsstand der Niederlassung ist in § 21 ZPO geregelt. Es gibt noch eine weitere gesetzliche Regelung für die örtliche Zuständigkeit, nämlich § 29 ZPO. Danach ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist, wenn es um eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen geht. Eine arbeitsrechtliche Sonderregelung zur örtlichen Zuständigkeit gibt es in § 48 Abs. 1a ArbGG. Wenn verschiedene örtlich zuständige Gerichte in Betracht kommen, dann hat der Kläger nach § 35 ZPO ein Wahlrecht, das er i. d. R. durch die Klageerhebung ausübt.

Sie sind Richterin am Landgericht in Zwickau und leiten die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht der DATAKONTEXT GmbH. Was ist das Besondere an dieser Arbeitsgemeinschaft?

Von 1991 an war ich 27 Jahre lang Arbeitsrichterin, seit drei Jahren bin ich am Landgericht tätig. Die Arbeitsgemeinschaft besteht seit vielen Jahren, ich glaube seit Herbst 1996. Viele Teilnehmer:innen – sei es aus dem Bereich des Personalwesens oder als Betriebsratsmitglied – waren viele Jahre durchgehend dabei, und das hat diese Arbeitsgemeinschaft ausgezeichnet (im wahrsten Sinne des Wortes). Der Vorteil dieser ARGE liegt meiner Meinung nach darin, dass sie „neutral“ durchgeführt wird, d. h. nicht einseitig bezogen auf Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerinteressen. Bedingt durch die Corona-Pandemie hat die letzte Präsenz-Arbeitsgemeinschaft im Herbst 2019 stattgefunden. Die Durchführung der ARGE als Videokonferenz hat keine ausreichende Resonanz gefunden, so dass wir den nächsten Versuch mit einer ARGE in Zwickau im Dezember 2021 unternehmen.

Ihre Antwort auf die vorherige Frage wirft bei mir eine weitere Frage auf: Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Netzwerk von Fachleuten. Aus welchen Fachleuten setzt sich der Kreis der Teilnehmer:innen zusammen?

Es sind Mitarbeiter:innen von Personalabteilungen und Betriebsratsmitglieder. Die Bereiche sind unterschiedlich, jahrelang waren die Pharmaindustrie und die chemische Industrie sehr gut vertreten.

Und noch eine ergänzende Frage: Ich muss also kein Jurist sein, um an der Arbeitsgemeinschaft teilnehmen zu können?

Nein, auf gar keinen Fall. Für die Zwickauer ARGE würde ich mich freuen, wenn wieder mehr Interessenten den Weg zu dieser Veranstaltung finden.

Frau Czingon, unsere Leser kennen Sie bereits seit Jahren. Gestatten Sie mir eine persönliche Frage am Ende des Interviews: Rechtsprechung ist eine schwer verdauliche Kost – womit schaffen Sie den Ausgleich zum beruflichen Alltag?

Ich bin gern ehrenamtlich tätig und treibe so oft es geht Sport an der frischen Luft. Außerdem besuche ich gern Konzerte – klassische Musik – und das Theater. Wenn dann noch Zeit übrig ist, lese ich – Zeitungen und Bücher.

Frau Czingon, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Markus Stier.

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