Barrierefreiheitsstärkungsgesetz : Neues Statusfeststellungsverfahren ab 01.04.2022
Kurz vor Toresschluss haben die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD in Berlin versteckt im unverdächtigen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz das sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren weitreichend reformiert. Nachfolgend verraten wir Ihnen, auf was Sie sich einstellen müssen.
Das bisher schon geltende Statusfeststellungsverfahren schützt Erwerbstätige und die Auftraggeber vor den Risiken einer falschen Statuseinschätzung. Das Statusfeststellungsverfahren wird jedoch sehr oft nicht in Anspruch genommen. Auftraggeber verzichten darauf, weil die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund immer von einer abhängigen Beschäftigung ausgeht.
Nur Entscheidung über den Erwerbsstatus
Mit dem neuen Feststellungsverfahren, das ab dem 01.04.2022 in Kraft tritt, will die noch amtierende Bundesregierung auch Bürokratie abbauen. Künftig wird nur noch über den Erwerbsstatus entschieden. Anders als bisher wird die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht mehr über die Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit in den einzelnen Sozialversicherungszweigen entscheiden. Bisher konnte in den Verfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch (SGB) IV nicht isoliert über das Vorliegen einer Beschäftigung entschieden werden. Die Clearingstelle musste immer auch über die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit in den einzelnen Sozialversicherungszweigen entscheiden.
Keine Feststellung der Versicherungspflicht
Sofern künftig eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, bedarf es nicht mehr der Feststellung von Versicherungspflicht durch die Clearingstelle. Vielmehr hat der Arbeitgeber – wie sonst bei jedem Beschäftigten auch – die erforderliche Meldung selbst vorzunehmen. Ob dies zu einem Abbau der Bürokratie führt, kann dahingestellt bleiben.
Beispiel
In einer Gaststätte soll ab dem 01.04.2022 ein Koch tätig werden. Der Betreiber der Gaststätte beantragt am 15.04.2022 ein Clearingverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund. Diese entscheidet per Bescheid am 15.05.2022 über den Status des Kochs.
Lösung:
Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund stellt fest, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, weil der Koch nicht weisungsfrei arbeiten kann und in die Arbeitsorganisation eingebunden ist. In welchen Sozialversicherungszweigen Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit besteht, muss der Arbeitgeber selbst entscheiden. Bei dem bis zum 31.03.2022 geltenden optionalen Anfrageverfahren entscheidet die Clearingstelle auch über die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung.
Wenn Fremdpersonal eingesetzt wird
Bei Einsatz von Fremdpersonal in Betrieben kommt es vor, dass mehr als zwei Parteien beteiligt sind. Das ist dann der Fall, wenn ein Dienstleister (Auftraggeber) dem Betrieb (Dritter) projektbezogen einen Spezialisten (Auftragnehmer) zur Verfügung stellt. In solchen Fällen kommt es nach der ständigen Rechtsprechung bei der Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit nicht nur auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer an. Hier sind auch die Rechtsbeziehungen zu betrachten, die den Einsatz des Auftragnehmers prägen, also auch die zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber.
Beschäftigungsverhältnis besteht zu einem Dritten
Der Dritte kann wegen des Verbots der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, der daraus resultierenden möglichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer und einer möglichen Haftung für den Sozialversicherungsbeitrag ebenfalls ein erhebliches Interesse an einer Klärung haben. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Clearingverfahren ein Beschäftigungsverhältnis fest, kann auch ergänzend festgestellt werden, ob dieses zu dem Dritten besteht.
Prognoseentscheidungen möglich
Bisher wurde das Statusfeststellungsverfahren erst nach Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt. Dies gründet darauf, dass für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, das gelebte Vertragsverhältnis entscheidend ist, sofern dies von den vertraglichen Vereinbarungen abweicht. Dies bleibt im Grundsatz unverändert. Jedoch können die Beteiligten auf Antrag bereits vor Aufnahme der Tätigkeit – und damit frühzeitiger als bisher – durch eine Entscheidung Rechtssicherheit über den Erwerbsstatus erlangen.
Auch Gruppenfeststellungen
Werden mehrere Auftragsverhältnisse auf Grundlage einheitlicher Vereinbarungen durchgeführt, ist es bisher erforderlich, gegebenenfalls für jeden Auftrag eine Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zu beantragen. Dies gilt nicht nur für Fallgestaltungen, bei denen eine Identität zwischen den Vertragsbeteiligten besteht (wie bei Rahmenverträgen zwischen einem Auftraggeber und einem Auftragnehmer), sondern auch dann, wenn ein Auftraggeber gegenüber unterschiedlichen Auftragnehmern im Wesentlichen einheitliche Bedingungen für eine Vielzahl von Auftragsdurchführungen vorgibt und diese dann auch weitgehend identisch umgesetzt werden sollen.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist