Lohnsteuer – KOMPAKT für die Personalpraxis : Die Nachzahlung von Arbeitslohn im Steuer- und Sozialversicherungsrecht
Grundsätzliches
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Arbeitsentgelt pünktlich an den Arbeitnehmer zu zahlen. § 614 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sieht die Regelung zur Fälligkeit des Arbeitsentgelts vor. Danach ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitsleistung vor der Lohnzahlung zu erbringen. Somit muss der Arbeitnehmer zunächst arbeiten, erst dann erfolgt die Zahlung von Arbeitsentgelt für die geleistete Tätigkeit. Wird die Zahlung von Arbeitsentgelt nach Zeitabschnitten bemessen, ist das Arbeitsentgelt nach den einzelnen Zeitabschnitten zu entrichten.
In aller Regel ist das Arbeitsentgelt nach Ablauf eines Monats zu zahlen. Somit ist grundsätzlich das Arbeitsentgelt am ersten Tag des folgenden Monats fällig. In der Praxis hat § 614 BGB allerdings nur geringe Bedeutung. In vielen Arbeits- und Tarifverträgen oder auch Betriebsvereinbarungen finden sich abweichende Regelungen zur Fälligkeit des Arbeitsentgelts. Eine weitere Ausnahme ist bei Ausbildungsvergütungen zu beachten. Bei Auszubildenden ist das Arbeitsentgelt am letzten Arbeitstag des Monats fällig. Ansonsten ist bei den meisten Arbeitgebern geregelt, dass die Zahlung des Arbeitsentgelts zum 15. des Folgemonats in bargeldloser Form erfolgen muss. In Unternehmen mit einem Betriebsrat ist zusätzlich zu beachten, dass nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Zahlung von Arbeitsentgelt zusteht.
Wird Arbeitsentgelt nicht fristgerecht bezahlt, befindet sich der Arbeitgeber im Verzug. Allerdings führt nicht nur die verspätete Zahlung von Arbeitsentgelt zu einer Nachzahlung. Manchmal wird auch einfach nur vergessen, eine Erhöhung der Vergütung fristgerecht umzusetzen. In einem solchen Fall zahlt der Arbeitgeber zwar das Arbeitsentgelt, aber er hat z. B. eine vertragliche zugesagte Gehaltserhöhung nicht berücksichtigt.
Laufend oder einmalig
Bei der Nachzahlung von Arbeitslohn ist zu unterscheiden, ob es sich um Nachzahlungen handelt von laufendem Arbeitsentgelt oder von einmaligem Arbeitsentgelt. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass Nachzahlungen lohnsteuer- und beitragspflichtig sind. Um laufenden Arbeitslohn handelt es sich, wenn die Nachzahlung aus einer Lohnerhöhung für das laufende Kalenderjahr resultiert. Wird hingegen die Nachzahlung für das Vorjahr vorgenommen, handelt sich steuerrechtlich um einen sonstigen Bezug.
Das Sozialversicherungsrecht bewertet die Nachzahlung von Arbeitsentgelt nach ihrem Ursprung (§ 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV). Erfolgt die Nachzahlung aufgrund einer rückwirkenden Entgelterhöhung, ist dies kein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Auf Grundlage des Entstehungsprinzips in der Sozialversicherung sind Beiträge für die Monate zu zahlen, in denen der Anspruch auf die Zahlung bereits bestand. Somit sind die Nachzahlungen auf die jeweiligen Entgeltzahlungszeiträume zu verteilen, für die die jeweiligen Zahlungen bestimmt sind. Die Sozialversicherung lässt es aus Vereinfachungsgründen (Gemeinsames Rundschreiben vom 18.11.1983) aber zu, dass z. B. rückwirkende Entgelterhöhungen wie einmalig gezahltes Arbeitsentgelt behandelt werden können (§ 23a SGB IV). Bei der Berechnung der Beiträge ist die anteilige Beitragsbemessungsgrenze des Nachzahlungszeitraums zu berücksichtigen.
Nachzahlung von laufendem Arbeitslohn
Nachzahlungen von Arbeitslohn gehören im Lohnsteuerrecht nur dann zum laufenden Arbeitslohn, wenn sich der Gesamtbetrag der Nachzahlung ausschließlich auf das laufende Kalenderjahr bezieht.
Bezieht sich die Nachzahlung von Arbeitslohn ausschließlich auf bereits abgelaufene Kalenderjahre, ist dieser Arbeitslohn im Lohnsteuerrecht stets ein sonstiger Bezug. Bezieht sich die Nachzahlung von Arbeitslohn sowohl auf das laufende Kalenderjahr als auch auf das abgelaufene Kalenderjahr, ist die Nachzahlung in voller Höhe ein sonstiger Bezug. Dabei ist der gesamte Betrag der Nachzahlung, also auch der Teil, der auf das laufende Jahr der Auszahlung entfällt, im Monat des Zuflusses als sonstiger Bezug steuerpflichtig (Zuflussprinzip). Eine Aufteilung des gesamten Nachzahlungsbetrags in laufenden Arbeitslohn für den Betrag, der auf den Zeitraum des laufenden Jahres entfällt, und einen sonstigen Bezug für die bereits abgelaufenen Kalenderjahre ist steuerrechtlich unzulässig. Die Besteuerung des sonstigen Bezugs erfolgt nach § 39b Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Eine Nachzahlung von Arbeitslohn ist nur dann dem laufenden Arbeitslohn zuzurechnen, wenn sich die Nachzahlung ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die im Kalenderjahr der Zahlung enden.
Nachzahlung von laufendem Arbeitslohn im neuen Jahr
Bei der Nachzahlung von Arbeitslohn für den Dezember eines Jahres, der erst im nachfolgenden Kalenderjahr gezahlt wird, gilt allerdings eine Abweichung von der oben dargestellten Regelung. Der im Januar eines Jahres gezahlte laufende Arbeitslohn für den Dezember des Vorjahres kann abrechnungsmäßig dem Vorjahr zugeordnet werden, wenn die Lohnabrechnung in den ersten drei Wochen des Januars erfolgt. Wird nach Ablauf der drei Wochen abgerechnet, liegt ein sonstiger Bezug vor, der nach den hierfür maßgebenden Vorschriften zum Zeitpunkt des Zuflusses versteuert werden muss (R 39b.2 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 Lohnsteuer-Richtlinien (LStR)).
Bei der Nachzahlung von Arbeitslohn ist daher die Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und einem sonstigen Bezug von besonderer Bedeutung. Nur wenn die Nachzahlung von Arbeitslohn zum laufenden Arbeitslohn gehört, weil sie sich ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume des laufenden Kalenderjahres bezieht, kann die jeweilige Nachzahlung des Arbeitslohns für die Berechnung der Lohnsteuer den Lohnzahlungszeiträumen zugerechnet werden, für die die Nachzahlung auch geleistet wird. Dies wird in der Entgeltabrechnung als sogenanntes Aufrollen der bereits abgerechneten Lohnzahlungszeiträume bezeichnet.
Besteuerung als sonstiger Bezug
Die gesetzliche Grundlage für die Berechnung der Lohnsteuer nach der Jahrestabelle stellt § 39b EStG dar. Darin wird der voraussichtliche Jahresarbeitslohn ermittelt und zur Berechnung der Lohnsteuer für den sonstigen Bezug herangezogen. Dazu ist es notwendig, die Lohnsteuer zu ermitteln, die sich bei Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle auf den maßgebenden Jahresarbeitslohn ohne sonstigen Bezug und auf den Jahresarbeitslohn einschließlich des sonstigen Bezugs ergibt. Somit ergeben sich zwei Lohnsteuerwerte nach der Jahrestabelle: zum einen die Lohnsteuer laut Jahrestabelle ohne sonstigen Bezug (LSt 1) und zum anderen die Lohnsteuer laut Jahrestabelle mit dem sonstigen Bezug (LSt 2). Die Differenz ergibt die Lohnsteuer für den sonstigen Bezug (LSt 1 – LSt 2 = LSt für den sonstigen Bezug). Durch diese Berechnung wird verhindert, dass eine zu hohe progressive Besteuerung des sonstigen Bezugs erfolgt, indem die Besteuerung so umgesetzt wird, als wäre sie gleichmäßig mit je einem Zwölftel auf das gesamte Kalenderjahr verteilt worden.
Sonstiger Bezug nach der Fünftelregelung
Bei der Nachzahlung von laufendem Arbeitslohn kann es auch zur Anwendung der sogenannten Fünftelregelung kommen, wenn es sich um Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit handelt. Die Fünftelregelung wird i. d. R. bei der Zahlung einer Abfindung angewendet. Dies bedeutet, dass die Nachzahlung für Zwecke der Steuerberechnung mit einem Fünftel als sonstiger Bezug besteuert und die auf dieses Fünftel entfallende Lohnsteuer verfünffacht wird.
Eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist gegeben, wenn sich die Tätigkeit über zwei Kalenderjahre erstreckt und einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten umfasst. Somit muss es sich für die Anwendung der Fünftelregelung um eine Nachzahlung von laufendem Arbeitslohn für mindestens 13 Monate handeln. In den meisten Fällen einer Nachzahlung von Arbeitslohn dürfte die Voraussetzung zur Anwendung der Fünftelregelung nicht gegeben sein.
Markus Stier