Fallstricke in der Praxis : Zusammentreffen von Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Darlehen
Welche Besonderheiten sind bei einem Arbeitgeberdarlehen (AG-Darlehen) zu beachten, wenn gegen den Arbeitnehmer (Darlehensnehmer) ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜb) vorliegt? Dieser Artikel erläutert die zwei unterschiedlichen Konsequenzen, je nachdem, ob ein PfÜb bereits vor Gewährung des Arbeitgeberdarlehens oder erst danach wirksam zugestellt wurde.
Was ist ein Arbeitgeberdarlehen?
„Ein Arbeitgeberdarlehen liegt vor, wenn durch den Arbeitgeber oder aufgrund des Dienstverhältnisses durch einen Dritten an den Arbeitnehmer Geld überlassen wird und diese Geldüberlassung auf einem Darlehensvertrag beruht.“ (BMF-Schreiben v. 19.05.2015, IV C 5 – S 2334/07/0009).
Steuerliche Behandlung von Arbeitgeberdarlehen
In welchen Fällen ein steuerpflichtiger Arbeitslohn aufgrund eines Zinsvorteils vorliegt, wurde bereits ausführlich in den Ausgaben 8/2022 (Teil 1) sowie 1/2023 (Teil 2) der LOHN+GEHALT erläutert.
Konkurrenz von Arbeitgeberdarlehen (Aufrechnung) und Pfändung
„Wird nach der Beschlagnahme des Arbeitseinkommens durch die Pfändung eine Aufrechnungsvereinbarung getroffen, ist diese dem Pfändungsgläubiger gegenüber unwirksam. Die Pfändung des Gläubigers geht vor. Wird hingegen vor der Beschlagnahme die Aufrechnungsvereinbarung getroffen, geht diese der Pfändung vor. Durch die spätere Beschlagnahme wird eine Aufrechnungsvereinbarung nicht hinfällig. Daher hat die Rechtsprechung derartige Aufrechnungsverträge zur Rückzahlung von Arbeitgeberdarlehen … als vorrangig anerkannt. Maßgebend in all diesen Fällen war, dass der Rechtsgrund für die Zahlungspflicht des Arbeitnehmers bereits vor der Pfändung entstanden war und die monatliche Zahlungspflicht des Arbeitnehmers z. B. aus Darlehen … spätestens gleichzeitig mit der Fälligkeit der Lohnforderung fällig war.“ (Hock/Hock, 2014, Lohnpfändung und Verbraucherinsolvenz, 2. Auflage, Verlag C.H. Beck, Seite 91, Rn. 512–514).
Wie sage ich es dem Entgeltabrechnungsprogramm – am Beispiel von SAP
Wie erläutert, ist sicherzustellen, dass der Gläubiger nur die Differenz zwischen pfändbarem Betrag und vereinbarter Rückzahlungsrate erhält und nicht sowohl die volle Darlehensrate für den Arbeitgeber als auch der volle pfändbare Betrag an den Gläubiger einbehalten bzw. überwiesen wird.
Im Infotyp (IT) 0117 ist der Subtyp D auszuwählen (s. Abb. 1). Wichtig: Die Erfassung erfolgt über die Funktion ANLEGEN aus der Transaktion „Personalstammdaten pflegen“ und nicht über den IT 0111.
Zu erfassen sind das Entstehungsdatum (01.03.2023) und die monatliche Rückzahlungsrate in Höhe von 200 Euro (s. Abb. 2). Sollte das Darlehen über den IT 0045 angelegt worden sein, ist zu beachten, dass es keine Verknüpfung zur Pfändung gibt. Deshalb ist sowohl die Rückzahlungsrate in Höhe von 200 Euro zu erfassen als auch sicherzustellen, dass nach vollständiger Tilgung des Darlehens der Infotyp 0117 entsprechend beendet/abgegrenzt wird. Läuft der Infotyp weiter, wird bis auf weiteres der pfändbare Betrag für den Gläubiger gekürzt, obwohl das Darlehen bereits vollständig getilgt wurde.
Die Auswirkungen des IT 0117 auf die Berechnung sind im SAP-Abrechnungsprotokoll nachvollziehbar (s. Abb. 3); die Abrechnungsergebnisse mit und ohne IT 0117 auf der Entgeltabrechnung entnehmen Sie der Abb. 4.
Beispiel 2: Darlehensgewährung nach Zustellung des PfÜb:
Ändern wir Beispiel 1 dahin – gehend, dass am 01.03.2023 der Pfändungs- und Überwei – sungsbeschluss zugestellt und das Darlehen erst danach – am 10.03.2023 – gewährt wurde, er – gibt sich Folgendes:
Der Pfändungsgläubiger erhält den vollen pfändbaren Betrag (hier: 699,89 Euro). Der pfandfreie Betrag (1.634,11 Euro) muss dem Arbeitnehmer verbleiben. Es be – steht keine Aufrechnungsmöglich – keit des Arbeitgebers, und zwar so lange, bis die vollständige Forde – rung des vorrangigen Pfändungs – gläubigers getilgt ist. Erst danach darf der Arbeitgeber im Rahmen der Aufrechnung die Darlehens – rate vom Entgelt einbehalten.
Fazit
Es empfiehlt sich dringend, vor Gewährung eines Arbeitgeberdarlehens festzustellen, ob bereits ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt. Gegebenenfalls sind die internen Prozesse anzupassen. Dies ist u. a. dann erforderlich, wenn z. B. aus datenschutzrechtlichen Gründen die Mitarbeiter, welche die AG-Darlehen bewilligen, keine Berechtigung haben, auf bestehende PfÜbs zuzugreifen. Liegt kein PfÜb vor und der Arbeitgeber rechnet vor rangig auf, ist zu beachten, dass die Forderung des Arbeitgebers in der Drittschuldnererklärung an den nachrangigen Pfändungsgläubiger anzugeben ist. „Auf Verlangen des Gläubigers hat der Drittschuldner binnen zwei Wochen, von der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären … ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen.“ (§ 840 Abs. 1 Nr. 2 Zivil – prozessordnung) Es geht hier um Ansprüche, die ohne Pfändung entstanden sind. Dazu gehört auch die Aufrechnung des Arbeitgebers aufgrund eines Arbeitgeberdarlehens.
Frank Müller, Betriebswirt (VWA), Beratung/Training Entgeltabrechnung, www.frag-den-mueller.de