KI in der Personalarbeit : Chancen und Risiken für HR
Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch. Wobei längst nicht alles, was unter diesem Begriff firmiert, wirklich etwas mit „Intelligenz“ zu tun hat. KI soll die menschlichen Denkprozesse nachbilden und dadurch selbstständig aus Erfahrungen lernen. In einigen Bereichen, auch im HRBereich, sind bereits eine Reihe von Anwendungen in Gebrauch, die weitestgehend selbstständig agieren und zudem aus Erfahrungen dazulernen. In Teilbereichen kann so der Mensch durch einen Computer oder Roboter ersetzt werden.
Ein klassisches Beispiel im HR-Bereich ist Recruiting-Software, die elektronische Bewerbungen nach zunächst vorgegebenen Kriterien analysiert, aus den dabei gemachten Erfahrungen lernt und die Selektion selbstständig modifiziert. Im Extremfall werden Bewerbungen mit einem freundlichen Anschreiben abgelehnt, ohne dass ein Mensch diese je zu Gesicht bekommen hat. Also entscheidet der Computer.
Einmal davon abgesehen, dass ein solches Verfahren nicht unbedingt im Sinne des Unternehmens sein kann, weil dadurch eigentlich geeignete Fachkräfte wegen lediglich formaler Kriterien aussortiert werden können. Außerdem stellt sich die Frage nach ethischen Gesichtspunkten. Mit dieser Frage befasst sich der Ethikbeirat HR-Tech, der sich aus 16 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammensetzt.
Die Mitglieder kommen aus den Bereichen Verhaltensökonomie, Personalmanagement, Psychologie, Wirtschaftsethik und Recht. Unter ihnen sind unter anderem HR-Executives etablierter Unternehmen, erfahrene HR-Praktiker, CEOs, Interessenvertreter erfolgreicher HR-Startups und Vertreter der Zivilgesellschaft.
Der Ethikbeirat hat Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Personalarbeit erarbeitet und 2019 veröffentlicht (siehe Kasten). www.ethikbeirat-hrtech.de
Schafft HR sich ab?
Die Befürchtung, dass sich HR durch den Einsatz von KI selbst abschaffen könnte, ist zumindest dann nicht berechtigt, wenn sich das Unternehmen an die Richtlinien des Ethikbeirates hält. Vielmehr können Routinearbeiten mehr als bisher automatisiert und damit Freiräume für andere, wertigere Aufgaben geschaffen werden.
Die International School of Management in Hamburg hat in einer Umfrage unter Beschäftigten einige interessante Ergebnisse erzielt. So ist die Abwehr der Mitarbeiter gegen die Einführung von KI in Unternehmen weniger kritisch, als man erwarten könnte. Vielmehr ist die grundsätzliche Einstellung durchaus positiv. Die Befragten erhoffen sich von der KI eine Entlastung von Routinetätigkeiten bei der eigenen Arbeit und dadurch eine Aufwertung und eine höhere Attraktivität.
Allerdings setzt die Zustimmung zur Einführung eine starke Unterstützung und Schulung durch die Führungskräfte voraus. Die Bereitschaft für eigene Anstrengungen zur Weiterbildung ist eher gering. Die Beschäftigten wollen verstehen, wie KI funktioniert, und erwarten klare Regeln im Unternehmen zum Umgang mit der Technik.
http://www.aric-hamburg.de/umfrage-was-mitarbeiter-bei-ki-nutzung-erwarten/
Die 10 Richtlinien des Ethikbeirates HR-Tech
1. Transparenter Zielsetzungsprozess und Einbindung
Vor der Einführung einer KI-Lösung* muss die Zielsetzung für die Nutzung definiert werden. In diesem Prozess sollen alle relevanten Interessengruppen identifiziert und eingebunden werden.
2. Fundierte Lösungen
Wer KI-Lösungen anbietet oder nutzt, muss darauf achten, dass diese empirisch evaluiert sind und über eine theoretische Grundlage verfügen.
3. Menschen entscheiden
Wer KI-Lösungen einsetzt, muss sicherstellen, dass bei wichtigen Personalentscheidungen die Letztentscheidungsbefugnis einer natürlichen Person obliegt.
4. HR treibt KI-Lösungen – nicht umgekehrt
Ein erfolgreicher Einsatz von KI-Lösungen durch HR benötigt die Kombination technologischer, analytischer und personalwirtschaftlicher Kompetenzen.
5. Haftung und Verantwortung
Organisationen, die KI-Lösungen nutzen, sind für die Ergebnisse ihrer Nutzung verantwortlich.
6. Zweckbindung und Datenminimierung
Wer personenbezogene Daten für KI-Lösungen nutzt, muss im Vorfeld definieren, für welche Zwecke diese verwendet werden, und sicherstellen, dass diese Daten nur zweckdienlich erhoben, gespeichert und genutzt werden.
7. Informationspflicht
Vor bzw. beim Einsatz einer KI-Lösung müssen die davon betroffenen Menschen über ihren Einsatz, ihren Zweck, ihre Logik und die erhobenen und verwendeten Datenarten informiert werden.
8. Achten der Subjektqualität
Für die Nutzung in KI-Lösungen dürfen ohne rechtzeitige Beteiligung und individuelle Einwilligung der Betroffenen keine Daten erhoben werden, die deren willentlicher Steuerung entzogen sind.
9. Datenqualität und Diskriminierung
Wer KI-Lösungen entwickelt oder nutzt, muss sicherstellen, dass die zugrundeliegenden Daten über eine hohe Qualität verfügen und systembedingte Diskriminierungen ausgeschlossen werden
10. Stetige Überprüfung
Wer KI-Lösungen nach den vorliegenden Richtlinien einführt, soll transparent sicherstellen, dass die Richtlinien auch bei der betrieblichen Umsetzung und der Weiterentwicklung beachtet werden.
Jürgen Heidenreich