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Führen in der Krise : Ab jetzt alles anders?

Krisenmanagement – das ist jetzt gefragt in einem Maße, wie es sich den meisten so als Aufgabe noch nicht gestellt haben dürfte. Die derzeitige und künftige Wirtschaftslage ist geprägt von Veränderungen und für viele mit Einschnitten verbunden, teils auch mit Existenzangst.

Lesezeit 4 Min.
Eine vielfältige Gruppe animierter Berufstätiger, die selbstbewusst mit verschränkten Armen oder Händen in den Hüften stehen und Teamarbeit und Zusammenarbeit in einem Geschäftsumfeld veranschaulichen.

Wo die einen Kurzarbeit anmelden, stehen beim Mitbewerber in der gleichen Branche die Maschinen nicht still. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es in der Krise in erheblichem Maße auf das Mindset des Unternehmens als solches ankommt und es schnell entscheidend werden kann, wie man mit den Herausforderungen umgeht.

Thomas Kiefer, Sparringspartner für Unternehmer und Führungskräfte, gibt Antworten, was zeitgemäße Führung in der Krisenzeit braucht und wie ein krisenfestes Mindset aussehen sollte.

Muss das Führen durch COVID-19 grundsätzlich verändert werden?

Das hängt davon ab, wie Führung gelebt wurde. Kompetenzen, die bisher schon notwendig und sinnvoll waren, braucht es in der Krise mehr denn je. Insofern ist spätestens jetzt der ideale Zeitpunkt, dass ich als Führungskraft und als Unternehmensleitung die Krise zum Anlass nehme und die Führungskultur im Unternehmen auf den Prüfstand stelle: Wo sind wir gut unterwegs? Wo hakt es? Was müssten wir grundsätzlich verbessern? Haben wir ein einheitliches Verständnis von Führung und sind wir beim Führen im regelmäßigen Austausch?

Wie bin ich als Führungskraft – im Vergleich zu vorher – in besonderem Maße gefordert?

Es braucht Leuchttürme, die sicher auf den Klippen stehen und Orientierung und Sicherheit geben, Steuermänner und Steuerfrauen, die gemeinsam mit ihrer Führungsmannschaft einen klaren Kurs vorgeben und ansteuern. Die Führungskraft muss nah beim Menschen sein, als Zuhörer, der sich einfühlend in die Stimmung seiner Mitarbeiter hineinspürt und wahrnimmt, was es wirklich braucht. Das beginnt beim ehrlichen Interesse am Mitarbeiter. Wertschätzung und Augenhöhe sind nicht nur Schlagworte einer New-Work-Bewegung, sie müssen spürbar und erlebbar sein.

Was ist der größte „Denkfehler“, wenn es um Führung in der Krise geht?

Es ist menschlich und unternehmerisch fahrlässig, die Ängste, Sorgen und Unsicherheit der Mitarbeiter nicht ernst zu nehmen. Gerade jetzt ist es vielleicht einer der unternehmerisch größten Fehler, strategisch wichtige Weichenstellungen aufzuschieben und erst das vermeintlich Notwendigste zu tun statt das Wichtigste. Dass schnelle Veränderungen funktionieren, haben wir bei den Online- und Videokonferenzen eindrucksvoll erleben dürfen. Solche Hebel-Themen braucht es, um das Überleben in der Krise zu sichern und das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.

Welche Faktoren bzw. Parameter kann ich in einer Krise im Unternehmen am wenigsten beeinflussen?

Auf gesetzliche und aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen habe ich meist keinen Einfluss, wie Restaurants, Fitnessstudios, Messeveranstalter und viele andere schmerzhaft erleben mussten. Auch die Nachfrage und damit den Umsatz habe ich nicht wirklich komplett in der Hand. Wenn Kunden unsicher sind, deshalb zu Hause bleiben, keine Käufe tätigen, Seminare oder Beratungen buchen, Investitionen aufschieben usw., trifft das zunächst hart. Oft lassen sich mit Kreativität Lösungen finden, aber eben nicht immer.

Eine Gruppe von Berufstätigen in Geschäftskleidung, die an einer Diskussion und zum Networking beteiligt sind.

 

Wie etabliere ich das für das Krisenmanagement benötigte Mindset bei den Mitarbeitern am besten und am nachhaltigsten?

Kann man ein Mindset etablieren? Ich glaube das nicht, da wir für unser Denken selbst verantwortlich sind. Im Unternehmen kann ich einen Nährboden bereiten, damit sich gutes, eigenständiges, selbstverantwortliches, reflektiertes, unternehmerisches, innovatives und resilientes Denken entwickeln kann. Ich kann beim Toolset anfangen, indem ich meinen Mitarbeitern alle (!) Werkzeuge zur Verfügung stelle. Ich bin überzeugt davon, dass umsichtiges Handeln in solchen Situationen über die Motivation und damit über den Erfolg des Unternehmens entscheidet.

Eine Führungskraft braucht einen Reflexionspartner, jemanden, der kompetent, offen und ehrlich Feedback gibt, den Spiegel vorhält, und sie braucht einen Sparringspartner.

Im nächsten Schritt kann ich das Skillset prüfen, also die Kompetenzen und Qualifikationen meiner Mitarbeiter. Schule ich meine Mitarbeiter so, dass sie Anwendungen gerade so Foto: scusi, Adobe Stock bedienen können? Sorge ich dafür, dass sie das Optimum herausholen, Prozesse optimieren und Innovationen vorantreiben? Darüber hinaus braucht es Vertrauen, Vertrauen und nochmals Vertrauen – besser noch ausgedrückt in dem Wort Zutrauen, das ich den Mitarbeitern entgegenbringe. Wenn ich dann noch in die Persönlichkeitsentwicklung meiner Mitarbeiter investiere, Impulse liefere, wird Entwicklung in Form einer echten Weiterentwicklung möglich. Es werden Denkhaltungen herausgebildet, die den Menschen im Blick haben, und das wird sich nachhaltig auf den Unternehmenserfolg auswirken.

Welche Möglichkeiten gibt es, sich auf Führungsebene unterstützen zu lassen und gleichzeitig nicht das Gefühl zu haben, zu viel aus der Hand zu geben?

Zuallererst kann ich mich als Führungskraft durch meine eigenen Mitarbeiter unterstützen lassen. Je mehr Vertrauen und Zutrauen ich diesen entgegenbringe und je mehr Verantwortung ich übertrage, desto mehr werden mich diese operativ entlasten. Dazu darf ich auch Meinungen und Perspektiven meiner Mitarbeiter zulassen und kann dadurch Riesenpotenziale freisetzen.

Führung braucht Kompetenzaufbau für Führung. Je souveräner und besser eine Führungskraft in ihrer eigenen Führungstätigkeit wird, desto mehr Freiraum gewinnt sie für ihre Führungsarbeit, aber auch Zeit für Entwicklungsthemen.

Selbstbewusster Profi, der im Freien mit verschränkten Armen lächelt.

Wir sind es uns schuldig, an unseren Entwicklungsthemen zu arbeiten. Ist man nach einem Kurswechsel gleichzeitig für alle künftigen Krisen gewappnet? Nein, das ist man in der Regel nicht. Das Entscheidende ist, dass ich mit all meinen Mitarbeitern so aufgestellt bin, dass es mir optimal gelingt, jenes zu ändern, das ich selbst ändern kann, und das Beste aus der Situation zu machen – eine resiliente, zuversichtliche und lebensbejahende Grundhaltung und einen optimal bereiteten Nährboden, wie oben beschrieben.

Thomas Kiefer, ZeitWeise

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