Die Welt mit Maske – bAV im Wandel : Was bis Ende des Jahres auf Sie zukommt
Die Pandemie hält die Welt im Griff. Schlagzeilen machen das Virus und seine Auswirkungen. Was aber Dramatisches in Sachen betrieblicher Altersversorgung passiert, bleibt oft unbeachtet. Dieser Beitrag beleuchtet aktuelle Entwicklungen und hilft, sich rechtzeitig vorzubereiten.
Sozialpartnerrente/ Sozialpartnermodell
Eine betriebliche Altersversorgung (bAV) gemäß Betriebsrentenstärkungsgesetz, die gänzlich von den Tarifparteien als reine Beitragszusage („Tarifrente“ ohne Garantien für den Arbeitnehmer als sogenannte „Wunsch- oder Zielrente“) ausgestaltet wird und als Referenz bzw. durch Allgemeinverbindlichkeit für eine Vielzahl vor allem Klein- und mittelständischer Unternehmen (zwangsweise) gelten wird, steht seit 2018 auf der Agenda. Außerdem darf künftig ein Opting-out-Verfahren vereinbart werden. Sofern der Arbeitgeber Sozialbeiträge spart, muss er 15 Prozent des Umwandlungsbetrags (als Pauschale oder den individuell errechneten Sparbetrag) an den Arbeitnehmer bzw. die Versorgungseinrichtung weiterreichen. Hinzu kommen Sicherungsbeiträge.
Hubertus Heil, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, forderte die Sozialpartner schon mehrfach auf, endlich die Vorgaben des Gesetzgebers mit Leben zu füllen. Alle Beteiligten haben Angst vor Akzeptanzproblemen und Reputationsverlust. Ein Versicherungskonzern – die Talanx – versucht sich an den Vorgaben der Gewerkschaften und plant, ein solches Modell zunächst im eigenen Hause umzusetzen. Trotz positiver Pressemeldung stocken die Verhandlungen seit fast einem Jahr.
Nunmehr sind einige Branchen ausgesucht, um das Sozialpartnermodell umzusetzen und in den neuen Tarifverhandlungen zu verankern. Sollte bis zum Jahr 2021 nichts freiwillig umgesetzt sein, droht eine Zwangs-bAV für alle.
Europa-Rente (Pan-European Personal Pension Product, PEPP)
Seit 2014 arbeitet die Europäische Kommission an einem standardisierten Europäischen Rentenprodukt, das ab 2021 auch bei uns in Deutschland auf den Markt kommen soll.
Da es nicht in allen Europäischen Ländern so etwas wie betriebliche Altersversorgung gibt, soll das Produkt helfen, die reduzierten Leistungen aus den gesetzlichen Rentenkassen aufzubessern.
Ziel ist „… den Sparern eine größere Auswahl zu bieten und ihnen beim Sparen für den Ruhestand wettbewerbsfähigere persönliche Rentenprodukte zur Verfügung zu stellen, während sie gleichzeitig einen starken Verbraucherschutz genießen“, so die EU-Kommission in ihrer Begründung.
Folgendes sind die Kerngedanken des Produkts:
- Europaweite Mitnahme bei Arbeitgeber- oder Wohnortwechsel,
- Kosten für Verwaltung und Vertrieb sind auf 1 Prozent der Beitragssumme eines Jahres gedeckelt,
- Garantie der Beiträge zum Laufzeitende,
- kein Zwang für ein Versicherungsprodukt,
- Anlage an Finanzmärkten, • zusätzliche staatliche Förderung.
- Dieses Produkt wird die Landschaft der Betriebsrenten, aber auch das gesetzliche Rentensystem und die Förderlandschaft massiv verändern.
Soli-Rente
Immer neue Rentenbegriffe werden „durchs Dorf getrieben“. Die Finanzbranche befürchtet durch den Einbruch der Wirtschaft und Kurzarbeitsregelungen einen Ausfall von Beiträgen und eine sinkende Abschlussbereitschaft für Neuverträge der Altersversorgung. Abhilfe soll hier ein cleverer Trick schaffen. Ab 01.01.2021 wird der Solidaritätszuschlag – der seit der Wiedervereinigung Bestand hatte – für 90 Prozent aller Bürger abgeschafft. Nur Spitzenverdiener (ab 17.000 Euro zu zahlende Lohn- bzw. Einkommensteuer) müssen weiter 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer berappen.
Nach offiziellen Berechnungen hätte ein Alleinstehender Arbeitnehmer mit ca. 31.000 Bruttoeinkommen pro Jahr etwa 200 Euro jährlich mehr in der Tasche. Ein Doppelverdiener-Paar mit ca. 75.000 Euro Bruttoeinkommen sogar etwa 565 Euro.
Dieses Mehr an Netto wollen sich die Finanz- und Versicherungsvertriebe zu Nutze machen.
Ab Herbst sollen nahezu alle Kunden aller Anbieter dazu animiert werden, den ersparten Solidaritätszuschlag in ihre (betriebliche) Altersversorgung zu investieren. Was dann als Zusatzrente herauskommt, trägt dann den schicken Namen „Soli-Rente“. Hier gilt es, genau zu prüfen, was da angeboten wird und ob es individuell sinnvoll ist.
Fazit
Die Welt ist im Wandel. Die betriebliche Altersversorgung wird nicht nur zunehmend digitalisierter, sondern auch komplexer. Die Entwickelung geht weg von der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung hin zu mehr Eigenverantwortung. Nicht alle Straßen führen hier aber in die richtige Richtung und es ist keine Schande, kritisch nach dem richtigen Weg zu fragen …
Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger