Das Ende des gelben Scheins : Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Form des „gelben Scheins“ hat bald ausgedient. Ein elektronisches Meldeverfahren wird die Papierform ersetzen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer entlasten. Bis zur vollständigen Umsetzung des digitalen Verfahrens im Jahr 2022 benötigen Arbeitgeber weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von den Beschäftigten in Papierform.
Gesetzliche Bestimmungen
Die gesetzliche vorgeschriebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) ist die Bestätigung von Vertragsärzten und -zahnärzten über eine festgestellte Erkrankung der Patienten, welche die erkrankte Person daran hindert, die arbeitsvertraglich geforderte Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am vierten Tag der Erkrankung beim Arbeitgeber vorzulegen, es sei denn, der Arbeitgeber fordert dies schon vorher.
Die gesetzliche Krankenkasse bekommt in der Regel innerhalb von drei Werktagen die Informationen auf den standardisierten Vordrucken durch die Versicherten mitgeteilt. Jährlich werden ca. 77 Mio. Arbeitsunfähigkeiten festgestellt, und die Bescheinigungen werden in vierfacher Ausführung ausgestellt: für die Ärztinnen und Ärzte, die Versicherten, die Krankenkassen sowie die Arbeitgeber. Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurde die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass ab dem 01.10.2021 die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten an die Krankenkassen künftig nur noch digital übermittelt werden.
Auch die Arbeitgeber werden in einem weiteren Schritt in das elektronische Verfahren einbezogen. Gesetzlich ist hierfür vorgesehen, dass die Arbeitgeber die erforderlichen Daten jeweils bei Vorliegen einer Berechtigung elektronisch bei den Krankenkassen abrufen, welche dann den Arbeitgebern die relevanten Arbeitsunfähigkeitsdaten übermitteln. Der ab 01.01.2022 in Kraft tretende § 109 SGB IV n. F. sieht vor, dass die Krankenkasse nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen hat. Diese soll die folgenden Daten enthalten: den Namen der beschäftigten Person, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sowie die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung.
Nutzen der eAU
Die Digitalisierung des Verfahrens bietet viele Vorteile. So kann die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sicherer und schneller an den Arbeitgeber und die Krankenkasse übermittelt werden. Das Verfahren zur Übermittlung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU) entbindet die Versicherten von der Pflicht, die Bescheinigung an den Arbeitgeber sowie die gesetzliche Krankenkasse zu senden. Die elektronische Fassung der eAU beseitigt sogenannte Medienbrüche, die beim Wechsel von Papier auf das Digitalformat entstehen, und reduziert die Verfahrenskosten.
Das Verfahren zur Übermittlung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gewährleistet die vollständige Dokumentation der krankheitsbezogenen Daten bei den gesetzlichen Krankenkassen und sichert damit den korrekten Ausgleich bei der Zahlung von Krankengeld und im Umlageverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG).
Einführung der eAU
Mit einem Klick alle notwendigen Empfänger über eine Arbeitsunfähigkeit informieren statt Papierausdrucke per Post zu versenden, das ist das erklärte Ziel der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. 2021 startet das Projekt eAU zunächst mit der digitalen Übermittlung von der Arztpraxis an die gesetzlichen Krankenkassen. Mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird die Telematikinfrastruktur (TI) zum ersten Mal für die Digitalisierung eines Papierformulars genutzt. In Zukunft werden weitere Vorgänge folgen, darunter das elektronische Rezept.
Da das bisherige sogenannte Muster 1 drei verschiedene Empfänger bedient, ist die digitale Umsetzung in mehreren Schritten geplant. Zunächst sind ab dem 01.10.2021 Arztpraxen in der Pflicht, die bisherige Ausfertigung für die gesetzlichen Krankenkassen digital als eAU dorthin zu übermitteln. Papier- und Blankoformulare werden dann durch einfache unterschriebene Ausdrucke für Versicherte und Arbeitgeber ersetzt. Die Information des Arbeitgebers übernehmen zunächst weiterhin die Beschäftigten. Ab dem 01.07.2022 sollen die gesetzlichen Krankenkassen die Daten digital an den Arbeitgeber weiterleiten. Patienten erhalten einen einfachen Papierausdruck und auf Wunsch zusätzlich einen Papierausdruck für den Arbeitgeber. Für die Arztpraxen gilt, dass mit der Einführung der eAU das bisher genutzte Muster 1 „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ nicht mehr zu verwenden ist.
In begrenzten Ausnahmefällen, etwa bei technischen Störungen oder Ausfällen, werden Papierausdrucke aus dem Praxisverwaltungssystem (PVS) erzeugt, die übergangsweise zur Information von Krankenkasse und Arbeitgeber genutzt werden können. Nach Behebung der Störung werden dann die digitalen Informationen versendet. Praxen erstellen die eAU – wie bisher die Papier-AU – in ihrem PVS und versenden sie direkt daraus über die TI mithilfe eines KIM-Dienstes. Letzterer steht für „Kommunikation im Medizinwesen“ und bezeichnet den besonders sicheren E-Mail-Dienst der TI. Auch die beiden Papierausdrucke für den Versicherten und seinen Arbeitgeber drucken Praxen über das PVS aus und geben sie dem Patienten unterschrieben mit.
Die KBV steuert den Einführungsprozess.
So, wie der Arzt die Papier-AU unterzeichnet, benötigt die eAU eine sogenannte qualifizierte elektronische Signatur (QES). Für dieses besonders sichere Verfahren müssen Ärzte nicht nur ihren elektronischen Heilberufsausweis in das Lesegerät einführen, sondern auch noch ihre PIN eingeben. Da das im Praxisalltag bei der Vielzahl an auszustellenden AUs zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, hat sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für eine Komfortsignatur stark gemacht. Hier geben Ärzte für einen bestimmten Zeitraum jeweils bis zu 250 Signaturen frei. Für die Komfortsignatur benötigen Ärzte jedoch eine weitere Ausbaustufe des Konnektors, die diese Funktion unterstützt (PTV4+-Konnektor). Diese ist noch nicht flächendeckend erhältlich.
Ein anderes Signaturverfahren – die Stapelsignatur – ist bereits in allen Praxen möglich, da sie mit dem E-Health-Konnektor funktioniert. Ärzte signieren hierbei einen vorbereiteten elektronischen Dokumentenstapel. Bei der eAU wäre das möglich, da es ausreicht, alle an einem Tag gesammelten AU-Bescheinigungen einmal täglich an die Krankenkassen zu senden.
Die KBV empfiehlt jedoch für die eAU die Komfortsignatur, da die Daten hier sofort versendet und eventuelle Probleme bei der Datenübermittlung direkt erkannt werden. Der Arzt kann dem Patienten in diesem Fall Ersatzausdrucke mitgeben. Für die eAU benötigen Praxen einen Anschluss an die Telematikinfrastruktur, idealerweise – für die Komfortsignatur – mit einem ePA-Konnektor. Das dafür notwendige Software-Update eines Herstellers ist bereits zugelassen, die beiden anderen werden im Sommer erwartet. Solange die zur Übermittlung elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen notwendigen technischen Voraussetzungen in der Vertragsarztpraxis nicht zur Verfügung stehen, können Ärztinnen und Ärzte übergangsweise das alte Verfahren anwenden. Mit der technischen Verfügbarkeit der eAU innerhalb des Praxisverwaltungssystems sollte diese in der Praxis aber auch genutzt werden.
Fazit
Durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt es zu einer deutlichen Entlastung der Arbeitgeber, da die Bearbeitung der papierbezogenen AU-Bescheinigungen auch wegen der erhöhten Anforderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Durch die Anpassung der Bestandsdaten mit den Arbeitgebern entfallen künftig die Abfragen über Vorerkrankungszeiten. Die Digitalisierung wird dazu beitragen, dass künftig keine Streitigkeiten mehr wegen verspätet eingereichter AU-Bescheinigungen bestehen, wenn Arbeitsgerichte den Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall prüfen.
Raschid Bouabba