Sprinterklausel – Urteil : Ermäßigte Besteuerung einer zusätzlich gezahlten Abfindung
Wird einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer gekündigt, wird sehr häufig eine Abfindung als Entschädigung gezahlt. Was die Sozialversicherung angeht, sind aus einer Abfindung, die wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes gewährt wird, keine Beiträge zu entrichten. Völlig anders verhält es sich bei der Steuer. Hier ist die Abfindung voll zu versteuern.
Allerdings gibt es die Möglichkeit, die Höhe der Steuer etwas abzufedern. Kürzlich hat das Hessische Finanzgericht entschieden, dass eine zusätzliche gezahlte Abfindung nach Wahrnehmung einer „Sprinterklausel“ auch ermäßigt zu besteuern ist. Nachfolgend erläutern wir Ihnen das kürzlich veröffentlichte Urteil.
Eine Abfindung ist eine Einmalzahlung des Arbeitgebers, die einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer anlässlich der Beendigung der Beschäftigung gezahlt wird. Damit wird die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes und vor allem für den zukünftigen Verdienstausfall entschädigt.
Kein gesetzlicher Anspruch
Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung besteht nicht. Auch die Höhe einer möglichen Zahlung ist nicht konkret geregelt. Im Allgemeinen gilt ein halbes Monatsgehalt pro Arbeitsjahr im Betrieb als angemessen.
Nicht steuerfrei
Eine Abfindung wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes ist nicht steuerfrei. Sie muss komplett versteuert werden. Abfindungen gelten als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Einkommensteuergesetz (EStG). Durch die Progression erhöht sich der Steuersatz mit steigendem Einkommen. Das kann sich besonders bei einer hohen Abfindung negativ auswirken. Der Steuersatz stiege dann stark an, und man muss mehr Steuer zahlen.
Anwendung der „Fünftelregelung“
Mit der sogenannten „Fünftelregelung“ gibt es die Möglichkeit, die Höhe der Steuer etwas abzufedern (§ 34 EStG). Dabei wird die volle Summe versteuert, aber nur ein Fünftel wirkt sich auf den Steuersatz aus. Von der „Fünftelregelung“ profitieren vor allem Personen mit einer hohen Differenz zwischen Abfindung und dem zu versteuernden Einkommen.
Abfindung muss in einem Jahr gezahlt werden
Die „Fünftelregelung“ lässt sich nur dann anwenden, wenn die komplette Abfindung im Laufe eines Kalenderjahres an die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Um die Regelung nutzen zu können, kann die Abfindung im gleichen Kalenderjahr in mehreren Raten ausbezahlt werden. Darüber hinaus muss es zu einer sogenannten „Zusammenballung“ von Einkünften kommen.
Das bedeutet, dass die Einkünfte durch die Abfindung im Vergleich zu den wegfallenden Einnahmen höher sein müssen.
Formel:
Reale Einkünfte des Kalenderjahres
+ Abfindung
> reale Einkünfte
+ wegfallende Einkünfte
durch Kündigung
Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung
Für solche Abfindungen besteht keine Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Es werden also keine Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fällig.
Gewährung einer „Sprinterklausel“
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die mit ihrem Arbeitgeber zusätzlich zu einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit einer Abfindung eine sogenannte „Sprinterklausel“ vereinbart hatte. Diese besagte, dass der Klägerin das Recht eingeräumt wurde, gegen einen weiteren Abfindungsbetrag das Arbeitsverhältnis vor dem eigentlich vereinbarten Zeitpunkt zu beenden. Die Klägerin hatte dieses Recht ausgeübt und die weitere Abfindung erhalten.
Keine ermäßigte Besteuerung
Das Finanzamt unterwarf nur die aus der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses resultierende Abfindung der ermäßigten Besteuerung, nicht aber den aufgrund der Ausübung der Sprinterklausel erhaltenen Betrag. Es verwies auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 08.02.2018 (Az.: 1 K 279/17), welches die Ausübung der Kündigung als neues auslösendes Ereignis gewertet hatte.
Urteil
Das Hessische Finanzgericht hat mit Urteil vom 31.05.2020 (Az.: 10 K 1597/20) nun anders entschieden und der Klage stattgegeben. Zur Begründung führte es aus, auch der weitere Abfindungsbetrag sei gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und § 24 Nr. 1a Einkommensteuergesetz (EStG) ermäßigt zu besteuern, denn auch diese Abfindung finde ihren Rechtsgrund in der Aufhebungsvereinbarung und sei nicht getrennt davon zu betrachten.
Auch Entschädigung für Verlust des Arbeitsplatzes
Die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erfolgt regelmäßig auch im Interesse des Arbeitgebers. Eine im Gegenzug gezahlte Abfindung ist daher in der Regel als Entschädigung ermäßigt zu besteuern.
Auch für zusätzliche Abfindung
Dies gilt grundsätzlich auch für eine zusätzliche Abfindung, die für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung einer sogenannten Sprinterklausel gezahlt wird. Denn in diesem Fall kann die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht separat, sondern nur im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses insgesamt betrachtet werden.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist