Free

Geliebtes „Stiefkind“? : Freelancer im Fokus der Mitarbeiterbefragung

Fragt man Freelancer danach, ob sie auch mal bei der „Mitarbeiterbefragung“ eingebunden werden, erntet man eher verwunderte Blicke. Gängige Begrifflichkeiten für den Freiberufler schaffen bereits sprachlich eine gewisse Distanz, weil man oft von „Externen“ oder „Dienstleistern“ spricht. Reguliert wird dabei im Grunde fast alles über die Bezahlung – das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist im Großen und Ganzen nicht selten auf Preis-Leistung reduziert. Wenn Befragungen im Zusammenhang mit Freelancern stattfinden, dann meist, indem (End-)Kunden bezüglich ihrer Zufriedenheit mit der eingekauften Dienstleistung befragt werden.

Lesezeit 4 Min.
Ein Mann arbeitet spät in der Nacht in einem schwach beleuchteten Raum, mit einer Tasse Tee und Gläsern auf dem Schreibtisch, während er konzentriert auf den Computerbildschirm blickt, der vom sanften Schein beleuchtet wird

Eine an der Mitarbeiterbefragung orientierte Erhebung bei Freelancern ist vor allem für Branchen und Unternehmen interessant, die eine gewisse Beständigkeit in der Zusammenarbeit aufweisen. Ebenso könnten eine hohe Fluktuation bzw. ein häufiger Wechsel – auch des eigenen festangestellten Personals – zum Anlass genommen werden, über diese Form der Informationserhebung auf Ursachensuche zu gehen. Denn ein eingearbeiteter und gut an- und eingebundener Freiberuflicher ist ein effektiverer und produktiverer „Zuarbeiter“, der vielleicht oft mehr sieht, hört und denkt, als man weiß. Gerade weil Freelancer in einer anderen Beziehung zum Unternehmen stehen, könnte ihre Sicht auf die Dinge – auch über das Eigeninteresse hinaus – sehr wertvoll sein.

Wertvolles Know-how inklusive?

In welchen Bereichen könnten solche Blicke von „außen“ wertvolle Erkenntnisse bringen? Im Prinzip ließen sich sowohl personelle als auch strukturelle Themen und Fragen gezielt ins Visier nehmen, gerade da, wo eine längere und tiefere Projektzusammenarbeit stattfindet. Wie steht es beispielsweise um die Teamfähigkeit und Kollegialität? Zusätzlich könnte eine Einschätzung der Fachkompetenz abgefragt werden, sowohl von einzelnen Mitarbeitern als auch des gesamten Teams.

Der bessere Durchblick von außen?

Wichtig ist dabei die Rolle des Freelancers: Arbeitet er zu, weil mangels geeigneter Leute im Unternehmen das fachliche Know-how zugekauft werden musste, oder ist es seine Aufgabe, temporäre Engpässe auf gleichem Niveau mit den internen Fachkräften auszugleichen? Die Beurteilung der Fachabteilungskompetenz insgesamt könnte als Optimierungsmaßnahme in Form eines regelmäßigen Evaluierungsprozesses für das eigene Unternehmen ein auf diese Weise implementiertes Verbesserungsmanagement in Gang bringen.

Alles an der richtigen Stelle?

Eine entscheidende Frage, die generell von großer Bedeutung für jede Form der Zusammenarbeit ist, könnte über den Blick des Freelancers regelmäßig überprüft werden: Sind für sämtliche Aufgaben und Anforderungen auch wirklich die richtigen Ansprechpartner benannt? Denkbar wäre dabei eine relativ freie und nicht zu standardisierte Art der Befragung, wie etwa durch ein 360-Grad-Feedback, das möglichst alle Bereiche erfasst, in denen Optimierungen möglich sein könnten. Hier müssten nicht unbedingt nur die „harten Fakten“ zur Sprache gebracht werden. Eine Einschätzung von außen bringt möglicherweise auch Erkenntnisse, welche ins agile Stimmungsmanagement einfließen könnten. Wer nicht täglich in die Unternehmenskultur und die Konflikt- und Problemlösungsstrukturen eingebunden ist, nimmt Stimmungen und Strömungen ganz anders auf – vielleicht auch so, wie sie vom Kunden draußen wahrgenommen werden. Zeigt sich der Freelancer offen, könnte man seine Feedbacks sogar noch fürs Benchmarken nutzen.

Was man (sich) weiter fragen sollte?

Zusätzlich könnte eine solche Befragung von Freiberuflern natürlich ebenso zum Anlass genommen werden, um die Qualität der Zusammenarbeit zu prüfen. Folgende Hauptbestandteile sollten grundsätzlich in jeder Art „Mitarbeiterbefragung“ enthalten sein: die generelle Bewertung der Personalpolitik, die Zufriedenheit mit der Bezahlung und anderen Vergünstigungen sowie die allgemeine Arbeitszufriedenheit – auch in Bezug auf Arbeitsgestaltung, Ausstattung und die Anbindung an die Arbeitsumgebung. Ist man ein international agierendes Unternehmen, so könnte man die Freelancer-Befragung vielleicht sogar dafür nutzen, um kultursensible Ansprüche zu ermitteln, und Fragen nach Sitten und Gebräuchen mit einbeziehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten dann für die Zusammenarbeit mit dem internen Personal genutzt werden, sowohl, was den direkten Umgang der Mitarbeiter untereinander, als auch, was den „Lerneffekt“ insgesamt betrifft.

Wie und wo geht es ans Eingemachte?

Seitdem das Thema Scheinselbstständigkeit von den Finanzämtern noch strenger überwacht wird, ist die Ausgestaltung der Werk- und Dienstverträge von noch größerer Bedeutung – wie steht es da z. B. um die Wünsche zur Einbindung bei Ergebnis und Erfolg? Mögliche detaillierte Fragen können sein:

  • Ist die Eigenständigkeit beim Finden der Lösungswege gegeben, wie es eine freiberufliche Beschäftigung erfordert?
  • Sind Projektzeitraum und -umfang klar, gut und auch fair bemessen und Stornofristen berücksichtigt?
  • Ist die Vergütungsform angemessen und zeitgemäß gestaltet und werden Zahlziele eingehalten?
  • Ist die Einbindung von Subunternehmern klar definiert?
  • Sind die Geheimhaltungsregeln eindeutig definiert und stehen nicht im Widerspruch zur Auftragserfüllung?

Eines der obersten Gebote der „Mitarbeiterbefragung“ ist die Anonymität. Je nach den doch schon speziellen Befragungsinhalten wäre das hier sehr schwierig einzuhalten – hinzu kommt, dass eine bestimmte Masse wahrscheinlich nicht erreicht wird und das anonyme „Abtauchen“ schon alleine deswegen nicht möglich sein wird. Das Prinzip der Freiwilligkeit gewinnt bei der Freelancer-Befragung noch mehr an Gewicht, da unter Umständen nicht ausgeschlossen werden kann, das Antworten eindeutig zugeordnet werden können.

Selbst, ständig und am besten allein?

Egal, wie eigenständig Freiberufler sonst vielleicht gern arbeiten mögen, beklagen einige in letzter Zeit, dass während des Homeoffice-Hypes der direkte Kontakt auf ein teils schon fast nicht mehr produktives Minimum sank. Das Fehlen der persönlichen Kommunikation erschwerte vieles, was letztlich oft an den Freiberuflern hängen blieb. Sollte sich die Wirtschaftssituation wieder verschärfen, sollte man dabei vielleicht auch etwas mehr an die Freelancer und deren Bedürfnisse denken, diese ab und an abfragen und, falls möglich, ein paar positive Signale senden. Wie aktuelle Umfragen zeigen, nehmen in letzter Zeit in einigen Branchen die Existenzängste der Dienstleister enorm zu.

Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin und Jobcoach

Diesen Beitrag teilen: