Entsendungstrends : Wohin deutsche Firmen ihre Mitarbeitenden entsenden
Überraschenderweise sorgte die Pandemie nicht dafür, dass die Anzahl der innerhalb Europas entsandten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nennenswert zurückgegangen ist. Knapp zwei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden jährlich entsandt – die meisten mehrmals.
Auslandsentsendungen sind ein Dauerthema und fester Bestandteil in vielen Unternehmen. Die grenzüberschreitenden Tätigkeiten werden als solche kaum systematisch erfasst, weder beim Statischen Bundesamt, der Bundesagentur für Arbeit noch bei Eurostat. Insbesondere die EU-Kommission jedoch bemüht sich um einen Überblick.
Ihr Report „Posting of workers – Collection of data from the prior declaration tools – reference year 2020“ aus dem Juni 2022 weist für das Jahr 2020 rund 1,8 Millionen entsandte Arbeitnehmende und gleichzeitig 5,5 Millionen Entsendungen innerhalb der EU aus. Das bedeutet, dass Mitarbeitende im Durchschnitt 3,1-mal zur Erbringung von Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wurden. Die vier wichtigsten Aufnahmemitgliedstaaten von entsandten Arbeitnehmern waren laut Auswertung Deutschland, Österreich, Belgien und Frankreich.
So meldete allein Deutschland für das Jahr 2020 etwa 2,4 Millionen Entsendungen, es folgen Österreich mit 1,2 Millionen Entsendungen, Belgien mit 835.000 Entsendungen und Frankreich mit 571.000 Entsendungen. In den meisten Mitgliedstaaten liegt der Anteil der entsandten Arbeitnehmenden an der Gesamtbeschäftigung auf einem niedrigen Niveau um oder unter ein Prozent. Nur in Luxemburg (9 Prozent), Österreich (9 Prozent), Belgien (5 Prozent) und Deutschland (2 Prozent) liegt der Anteil höher.
Pandemie nur in Deutschland mit größeren Auswirkungen
Schaut man auf die Entwicklung der Entsendung, dann fällt eine Trendanalyse nicht zuletzt durch die Sondereffekte der Pandemie schwer. Deren Auswirkungen sind dennoch äußerst überschaubar. So ist im Vergleich zu 2019 die Zahl der Entsendungen zwar um fünf Prozent gesunken, was die Forschenden auf die Einschränkungen im freien Dienstleistungsverkehr und bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmenden zurückführen. Sie stellen aber gleichzeitig fest, dass beileibe nicht in jedem Aufnahmemitgliedstaat ein Rückgang zu verzeichnen ist.
Ein tieferer Blick in die Zahlen zeigt, dass die Zahl der EU-Zuwanderer im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2020 um etwa zwei Prozent und die Zahl der Grenzgänger um etwa drei Prozent zurückgegangen ist. Dies zeigt, dass die COVID-19-Pandemie die Arbeitskräftemobilität bei diesen Arten von Bewegungen nur in sehr geringem Maße beeinflusst hat.
Quellenkritik – was die Zahlen tatsächlich sagen
Wie valide diese Daten generell im Hinblick auf die tatsächliche Zahl der Entsandten sind, lässt sich nur vermuten. Denn vor allem zwei Faktoren unterscheiden sie von der Praxis:
So spiegeln die Bescheinigungsdaten zunächst einmal nur die Absicht wider, Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat zu erbringen. Ob diese Dienstleistungen anschließend tatsächlich erbracht worden sind, wird nicht erhoben. Zweitens ist speziell bei der Anzahl der ausgestellten A1- Bescheinigungen davon auszugehen, dass diese nicht immer beantragt werden und es demzufolge eine gewisse Dunkelziffer an grenzüberschreitender Tätigkeit gibt.
Die Zahlen der EU-Kommission zur A1-Bescheinigungen sind gesammelt im Report „Posting of workers: report on A1 Portable Documents issued in 2021“ aus dem Oktober 2022 und legen die Zahlen für die Entsendungen anhand der im sozialversicherungsrechtlichen Sinn notwendigen A1-Bescheinigungen gemäß Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 883/04 offen.
Liest man den Report mit Fokus auf die Auswirkungen der Pandemie, so stellt man fest, dass sich diese offenbar vor allem auf die deutschen Unternehmen ausgewirkt hat: So verzeichnet von den wichtigsten EU-Mitgliedstaaten, die A1-Bescheinigungen gemäß Artikel 12 ausstellen, nur Deutschland (–29,0 Prozent oder –358.000 A1-Bescheinigungen) einen starken Rückgang in den Jahren 2020 und 2021. Andere wichtige ausstellende Mitgliedstaaten, wie etwa Polen (+7,4 Prozent) und Spanien (+39,8 Prozent), weisen dagegen eine positive Entwicklung auf.
Deutschland entsendet nach Österreich und Frankreich
Die meisten Personen, die unter Artikel 12 fallen, wurden nach Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, in die Niederlande und in die Schweiz geschickt. Eine A1-Bescheinigung nach Artikel 12 wird hauptsächlich von und an EU-14-Mitgliedstaaten ausgestellt. Etwa sieben von zehn solcher A1-Bescheinigungen wurden von der EU-14 ausgestellt und fast acht von zehn A1-Bescheinigungen wurden von der EU-14 entgegengenommen. Die drei größten Ströme gingen von Deutschland nach Österreich (166.004 A1-Bescheinigungen), von Polen nach Deutschland (125.380 A1- Bescheinigungen) und von Deutschland nach Frankreich (100.591 A1-Bescheinigungen).
Alexandra Buba, M. A., Wirtschaftsredakteurin