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Der Leiter Entgeltabrechnung: Payroll-Beratung bei Startups : Warum Digitalisierung ohne Know-how nicht funktioniert

Lesezeit 5 Min.

Wie wird das Arbeiten der Zukunft sein? Werden, wie schon so oft propagiert, durch die Digitalisierung massenhaft Jobs vernichtet? Oder, wie die ZEIT schreibt, neue Jobs, die wir alle noch nicht kennen, geschaffen? Für den Bereich der Lohnabrechnung bedeutet dies: Wie wird sich der Job des Lohnabrechners durch die Digitalisierung verändern? Was müssen Arbeitgeber und Payroll-Leiter schon heute bedenken, um für die Welt 4.0 gerüstet zu sein?

Einen kleinen realen Zukunftsblick bieten hier Start-ups, da diese durch Technik-Affinität und Beschäftigung von sehr jungem Personal — der Generation ‚Digital‘ — zeigen, was es braucht, um Digitalisierung richtig umzusetzen, aber eben durch gemachte Fehler. Meine Erfahrungen in der Payroll-Beratung bei zwei Start-up-Unternehmen geben, ich Ihnen heute weiter.

Ein Start-up-Unternehmen (von englisch to start up = „gründen, in Gang setzen“), auch Startup-Unternehmen oder Startup, ist eine Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstumspotenzial. Der Begriff ist wirtschaftsgeschichtlich relativ neu. (Gabler Wirtschaftslexikon)

Welche Kultur prägen Start-ups? Schnelles Wachstum & junges Personal

Start-ups sind geprägt von schnellem Wachstum in Personal. Oftmals ist der Druck durch Investoren groß, baldmöglichst Gewinn oder hohe Umsätze zu erzielen. Recruiting steht im Vordergrund. Die Mitarbeiterschaft ist geprägt von großteils sehr jungem Personal, zwischen 20 und 35 Jahren. Das heißt jedoch auch Mitarbeiter mit wenig Fachknow-how und Berufserfahrung. Die Generation Y und Z ist jedoch sehr technikaffin und Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen.

Outgesourcte Lohnabrechnung

Die Lohnabrechnung ist meist outgesourct. Randaufgaben, die nicht unmittelbar mit dem Produkt zu tun haben, wie Buchführung und Lohnabrechnung, stehen zu Anfang eher hinten an und werden als externe Dienstleistung durch Steuerberater eingekauft. Eine Steuerung des Dienstleisters ist nicht vorhanden.

Hang zu Technik und Digitalisierung

Alles soll möglichst modern und innovativ sein. Es sind oft verschiedenste IT-Systeme im Einsatz, alles soll möglichst papierlos abgewickelt werden. Da wird auch schon mal was eingescannt und dann weggeworfen, denn man braucht es ja dann nicht mehr. Es wird wenig darauf geachtet, ob die Systeme auch bei einer größeren Mitarbeiterzahl noch administrierbar sind und auch miteinander vernetzt werden können. Schnittstellen bestehen oft nicht zwischen den Systemen.

Starke Mitarbeiterorientierung, aber wenig Führung und Steuerung

Führung und Steuerung ist durch eher junge und unerfahrene Führungskräfte konsens- und teamorientiert. Die Kommunikation ist informell. Man legt Wert auf innovative Mitarbeiterbenefits wie z. B. Mitarbeitersport, E-Bikes, Mitarbeiteressen und Freiheit im Arbeiten mit Vertrauensarbeitszeit ohne Arbeitszeiterfassung und mit Homeoffice-Option.

Welche Probleme ergeben sich beim Wachstum hieraus für HR/Payroll?

Im Gegensatz zu organisch wachsenden Unternehmen überrollt das schnelle Wachstum oft das Unternehmen und führt zu verschiedenen Problemen im Bereich HR/Payroll und im Bereich Digitalisierung.

Digitalisierung braucht eine passende IT-Landschaft

Es gibt IT-Systeme, die speziell auf KMU ausgerichtet sind, aber bei einem größeren Unternehmen die Prozesse nicht mehr abbilden können. Dies ist oft der Fall, wenn ein Unternehmen stark wächst. Die Systeme, die zu Anfang eingeführt wurden, passen nicht mehr oder man merkt, dass z. B. ein Personalinformationssystem fehlt, weil Excel-Listen durch die Masse an Datenmengen keinen Überblick mehr bieten. Dies betrifft auch das Lohnabrechnungssystem, Dokumenten-Management-Systeme (DMS) sowie Reisekostenabrechnungssysteme. Ein Zeiterfassungssystem gibt es aufgrund Vertrauensarbeitszeit nicht. Dies wird jedoch in den nächsten zwei Jahren aufgrund des EU-Urteils zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland wohl verpflichtend werden. Oft sind die alten Systeme nicht mit Schnittstellen miteinander verbunden und es kommt zu zeitaufwendigen Doppelerfassungen und Fehlern. Und: Es sind viel zu viele IT-Systeme bei Start-ups im Einsatz. Ich nenne es Überdigitalisierung.

Digitalisierung braucht fachlich gut ausgebildetes Personal

In Start-Up‘s fehlt die Weitergabe von Fachkenntnissen von erfahrenen Mitarbeitern an unerfahrene Mitarbeiter, bzw. gemischte Teams aus jung und erfahren. Weiterbildung im Bereich Lohn und Gehalt findet praktisch nicht statt. Deshalb kommt es oft zu Fehlern im Bereich Payroll.

  1. Aufgrund oftmals fehlenden arbeitsrechtlichen Wissens fehlen Dokumentationen für Prüfungen oder sind nicht korrekt. Da fehlt schon mal ein Elternzeitantrag oder ein Nachtrag zum Arbeitsvertrag.
  2. Schnittstellenthemen wie Künstlersozialkasse oder Versteuerung von Betriebsveranstaltungen fallen aus Unwissenheit unter den Tisch
  3. Daten werden nicht oder nicht komplett an den Outsourcing-Dienstleister gemeldet, da man nicht weiß, dass etwas zu melden ist
  4. Komplexere Themen (Firmenwagen, Elternzeit, betriebliche Altersversorgung) werden nicht oder falsch umgesetzt, da Beratung im Vorfeld nicht eingeholt wird.

Digitalisierung braucht stabile und funktionierende Prozesse

Ein Mann im Anzug steht neben einem Flipchart und zeigt mit einem Marker darauf. Drei Personen am Tisch schauen zu, während links eine Frau mit einem Notizblock steht. Auf dem Tisch liegen Papiere und ein Laptop, was auf ein Geschäftstreffen oder eine Präsentation schließen lässt.

Prozesse aufzubauen, ist wohl der schwierigste Teil bei einem schnell wachsenden Unternehmen — stabile Prozesse müssen etabliert werden. Vor allem, wenn das Arbeiten vorher eher chaotisch war. Hier ist eine gute Kommunikation über die neuen Prozesse und auch Konsequenz wichtig. Zudem ist oft gar nicht bekannt, welche Prozesse es im Bereich HR/ Payroll überhaupt gibt. Der Aufbau eines Prozesshandbuchs, um die vorhandenen Prozesse zu dokumentieren, ist hier die Lösung.

Digitalisierung braucht Strukturen und Konzepte

In Start-Ups gibt es oft wenig Strukturen und Konzepte. Ein Beispiel: ein fehlendes Konzept für eine konsequente Personalaktenablage. So ist es z. B. wichtig, wenn die Ablage der Personalunterlagen nur noch digital erfolgen soll, festzulegen, wo und mit welcher Struktur diese abgelegt werden sollen. Ohne Prozess gibt es oft mehrere digitale ‚Akten‘ oder es werden Dokumente eingescannt und ohne Ablage einfach weggeworfen und sind ggf. für eine Prüfung nicht mehr auffindbar. Alles schon erlebt.

Digitalisierung braucht Steuerung und Kontrollen

Ich wurde oft in der Beratung gefragt, dass man gar nicht weiß, was man in der Lohnabrechnung überprüfen soll. Die ‚Digital Natives‘ in Start-ups sind mit IT aufgewachsen und vertrauen Systemen zu sehr. Man denkt, dass eine Überprüfung der Daten nicht notwendig ist, da Systeme ja eh fehlerfrei arbeiten. Dies ist nicht der Fall — Menschen und Maschinen sind nicht fehlerfrei. Oft unterbleiben deshalb oftmals Wiedervorlagen und Plausibilitätsprüfungen der Daten in den HR-Systemen und der Lohnabrechnung. Fatal, denn Wiedervorlagen, Plausibilitätsprüfungen, Kontrollen der wichtigsten Daten durch qualifiziertes Personal werden in Zukunft immer noch notwendig sein. Auch eine outgesourcte Lohnabrechnung braucht Steuerung durch den Auftraggeber — eine gute Kommunikation und Abstimmung. Dienstleister sind auch nach der Digitalisierung auf eine gute Datenqualität des Kunden angewiesen.

Digitalisierung braucht gute Kommunikation

Hin und wieder sollte auch mal ein persönliches Gespräch oder Telefonat drin sein. Die Generation Digital textet, chattet, emailt und whatsapped, aber hier entstehen oft Missverständnisse in der Kommunikation. Wie man richtig kommuniziert und wann welcher Kommunikationskanal angebracht ist, ist ein weiterer Lernfaktor.

Fazit

Start-ups zeigen: Es geht nicht ohne Erfahrung — auch nicht in der Lohnabrechnung 4.0. Definitiv: ohne gute Fachkenntnisse im Payrollbereich und Steuerung durch Fachkräfte wird auch in der Zukunft nichts laufen. Wie arbeite ich, wie organisiere ich mich in der Lohnabrechnung, was prüfe ich, wie kommuniziere ich? Auch dies muss der jüngeren Generation neben fachlichen und technischem Verständnis beigebracht werden. Deshalb ist die Investition in die Weiterbildung der Mitarbeiter und in Training on the Job unabdingbar. Da die Weitergabe von Generationenerfahrung mittlerweile in Unternehmen oft fehlt, muss diese Erfahrung durch externe Experten eingekauft werden, die den Know-how-Aufbau jüngerer Mitarbeiter vornehmen können. Dies erspart Kollegen oft viel Zeit und Energie und dem Unternehmen Kosten aufgrund einer hohen Fehlerquote.

Eine Person mit kurzen braunen Haaren, einer weißen Jacke und einer gepunkteten Bluse lächelt. Ihr Name „Sabine Katzmair“ ist mit dem Text „Payroll Management & Consulting“ auf orangefarbenem Hintergrund rechts im Bild zu sehen.

 

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