Pensionskassen in Not : Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Die betriebliche Altersversorgung stellt einen immer wichtigeren Beitrag in der persönlichen Altersund Lebensplanung dar, um schwindende gesetzliche Leistungen zu ergänzen.
Um die Betriebsrenten aber in den Zeiten von Wirtschafts-, Finanz- und Pandemiekrisen sowie Patchworkbiografien der Arbeitnehmer zu erhalten, bedarf es des Faktors Sicherheit in stürmischen Zeiten. Einen Sicherheitsanker stellt dabei seit 1975 der Pensions-Sicherungs-Verein a. G. dar, der bei Insolvenz des Arbeitgebers für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung eintritt. Rund drei bis fünf Millionen Versicherte von Pensionskassen müssen aber derzeit um ihre betriebliche Altersversorgung zittern. In Europa fehlen nach dem letzten Stresstest in diesem Jahr 430 Milliarden Euro in den Pensionskassen. Warum, erfahren Sie in diesem Beitrag und erhalten zugleich Tipps für die richtige Zukunftsstrategie.
Geschichtliches
Unter betrieblicher Altersversorgung versteht man Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zugesagt werden. Der Arbeitgeber gilt immer als Träger und Haftungspartner für die versprochenen Leistungen, auch wenn z. B. ein Finanzdienstleister den Vertrag als Direktrentenversicherung abwickelt.
Der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV a. G.) ist ein von der Versicherungswirtschaft am 01.01.1975 gegründetes Unternehmen, das dem Wunsch des Gesetzgebers und der Kunden der betrieblichen Altersversorgung nach Sicherheit der Altersversorgungsleistungen auch bei Insolvenz des Arbeitgebers Rechnung tragen soll.
Der PSV a. G. mit Sitz in Köln ist zuständig für das deutsche Betriebsrentensystem und die Betriebsrenten im Großherzogtum Luxemburg.
§ 14 des Betriebsrentengesetzes räumt dem Pensions-Sicherungs-Verein die Zuständigkeit als Träger der Insolvenzsicherung der Betriebsrenten ausdrücklich ein.
Was ist besichert?
Hierbei sind drei Tatbestände zu unterscheiden: erstens die eingetretene Unverfallbarkeit nach gesetzlichen Bestimmungen, zweitens das Vorliegen eines besicherten Durchführungsweges und drittens der Eintritt des definierten Sicherungsfalles.
1. Unverfallbarkeit
Unverfallbarkeit bedeutet im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung, das einmal erworbene Ansprüche nicht mehr entzogen werden dürfen und Bestand haben, auch wenn z. B. der Arbeitnehmer den Arbeitgeber wechselt.
Betriebliche Altersversorgung kann im Wege der Entgeltumwandlung durchgeführt werden, das heißt, der Arbeitnehmer verzichtet auf Bruttolohn bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung West zugunsten eines Altersvorsorgevertrags. Dieser Verzicht auf eigenes Geld (juristisch: aufgeschobener Arbeitslohn) führt zur sofortigen Unverfallbarkeit der Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung.
Scheidet der Arbeitnehmer ohne Erfüllung der Unverfallbarkeitskriterien aus, gibt es keine Leistung aus der betrieblichen Altersversorgung. Nach Eintritt der Unverfallbarkeit steht dem Arbeitnehmer eine (anteilige) Leistung zum vereinbarten Leistungszeitpunkt zu, die nach unterschiedlichen Verfahren berechnet werden kann.
Über einen Tarifvertrag bei tarifgebundenen Unternehmen ist allerdings eine Verschlechterung dieser Regelung möglich.
Mittels Betriebs-, Dienstvereinbarung oder Tarifvertrag können Unverfallbarkeitsregeln zugunsten der Berechtigten aber auch verbessert werden.
2. Gesicherte Durchführungswege (nach Unverfallbarkeit):
- Direkt- oder Pensionszusagen (Arbeitgeber sagt Leistungen zu und bildet in der Regel eigene Pensionsrückstellungen oder Rückdeckungen)
- Direktversicherungen, die mit widerruflichem Bezugsrecht ausgestattet sind und vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer beliehen, abgetreten oder verpfändet wurden
- Unterstützungskassen (als Hilfsträgerunternehmen des Arbeitgebers)
- Pensionsfonds (als jüngster kapitalmarktorientierter Versorgungsweg)
Pensionskassen und Direktversicherungen mit unwiderruflichem Bezugsrecht unterliegen nicht der Besicherung, da sich hier um versicherungsförmige Durchführungswege mit staatlicher Aufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin) handelt.
3. Sicherungsfälle
Sofern unverfallbare Zusagen oder Anwartschaften aus Betriebsrenten besicherter Durchführungswege vorliegen, wird vom PSV geprüft, ob ein Sicherungsfall eingetreten ist, der die Übernahme der Leistungsverpflichtung durch den Pensions-Sicherungs-Verein auslöst.
Dies sind:
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen oder den Nachlass des Arbeitgebers,
- Abweisung des Insolvenzantrags des Arbeitgebers mangels Masse,
- außergerichtlicher Vergleich des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung der Insolvenz und unter Beteiligung des PSV a. G.,
- vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit des Arbeitgebers im Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes (Deutschland/Luxemburg) ohne Insolvenzantrag.
- Nur wenn auch dieser Punkt erfüllt ist und es sich um Arbeitnehmer oder gleichgestellte Personengruppen im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt, übernimmt der Pensions-Sicherungs-Verein
- laufende Rentenzahlungen
- bis dahin erworbene Anwartschaften.
Finanzierung der Sicherheit
Der Pensions-Sicherungs-Verein finanziert seine Leistungen seit 2006 im umlagefinanzierten Kapitaldeckungsverfahren, das heißt, die Einnahmen sollen die Ausgaben und künftigen Leistungsverpflichtungen decken.
Aktuell sind 95.250 beitragspflichtige Unternehmen bzw. Mitglieder verzeichnet.
Der PSV a. G. zahlt an vier Millionen Betriebsrentner oder Hinterbliebene Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung und verwaltet rund 11,1 Millionen Versorgungsberechtigte mit einem Gesamtkapitalwert (Bemessungsgrundlage) von 348 Milliarden Euro.
In der Regel wird ein Jahresbeitrag auf Basis der unverfallbaren Anwartschaften erhoben, die zu besichern sind. Damit sollen die laufenden Leistungen und künftige Anwartschaften ausgeglichen werden.
Pensionskassen in massiven Schwierigkeiten
Wie Sie gelesen haben, sind Pensionskassen derzeit nicht über den Pensions-Sicherungs-Verein abgesichert. In Deutschland fehlen aufgrund der Lage am Kapitalmarkt 33 Milliarden Euro (Europa: 430 Milliarden) in den Büchern der 135 Pensionskassen.
Die Finanzaufsicht (BaFin) hat festgestellt, dass
- drei Kassen ihre laufenden Leistungen bereits gekürzt haben,
- sieben Kassen künftige Leistungen reduzieren;
- 36 Kassen stehen unter intensiver Aufsicht der BaFin,
- bei 45 Kassen mussten Arbeitgeber als Trägerunternehmen bereits massiv Geld nachschießen.
Aufgrund der aktuellen Zins- und Geschäftsentwicklung hat die BaFin bereits zusätzlich zwei Pensionskassen das Neugeschäft untersagt (Pensionskasse Caritas und Kölner Pensionskasse). Sogar der Steuerberater-Pensionskasse fehlen wesentliche Mittel, sage und schreibe 158 Millionen Euro bei 8.000 Versicherten. Deshalb senken viele Pensionskassen aktuell ihre Leistungen, um die Ausgaben abzusenken. Dies sorgt für Unruhe unter Versicherten, Anwärtern und Arbeitgebern.
Arbeitgeber haftet für Leistungen
In der Praxis sagt meist der Arbeitgeber in der Entgeltumwandlungsvereinbarung die Rente aus der Pensionskasse zu. Für Ausfälle/Leistungskürzungen haftet demzufolge der Arbeitgeber in voller Höhe. Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht bereits 2012 bestätigt und vertragliche Beschränkungen der Haftung für unzulässig erklärt.
Auch die Protektor Lebensversicherungs-AG haftet nur begrenzt (z. B. für Pensionskassen als Aktiengesellschaften, nicht für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit).
Was tut der Gesetzgeber ab 2021?
Am 24.06.2020 verfügte der Gesetzgeber, dass ab 2021 alle Pensionskassen– auch die im öffentlichen Dienst –, die nicht Mitglied anderer Sicherungseinrichtungen sind, nun doch zwangsweise in den Pensions-Sicherungs-Verein einzahlen müssen. Der Beitrag wird 3 Promille der Besicherungswerte/ Bemessungsgrundlage und von 2022 bis 2025 zusätzlich 1,5 Promille der Bemessungsgrundlage betragen. Dies bedeutet enorme Zahlungen für Pensionskassen und damit die Arbeitgeber!
Handlungsnotwendigkeiten für Arbeitgeber/ Personalverantwortliche
Wie bei allen betrieblichen Altersversorgungen sollte momentan insbesondere bei Pensionskassen Folgendes seitens der HR-Verantwortlichen getan werden, um Schäden von Mitarbeitern und der eigenen Firma abzuwenden:
- Prüfung der jährlichen Standmitteilungen und der zugesagten Leistungen (ggf. müssen Differenzen in der Bilanz passiviert werden).
- Prüfung der Rechtsform der Pensionskasse. Insbesondere regulierte Pensionskassen in der Rechtsform eines VVaG sind in massiven Schwierigkeiten.
- Prüfung der von Finanztest/BaFin veröffentlichten Listen der bereits in Schwierigkeiten geratenen Pensionskassen, ob der eigene Vertragspartner dabei ist.
- Prüfung der finanziellen Zuverlässigkeit der Pensionskassen (und auch von Direktversicherungen), um eine künftige Zusammenarbeit abzuwägen.
- Keine Übernahme von fremden Pensionskassen bei Jobwechsel/ Portabilität.
- Ermittlung der ab 2021 bis 2025 anstehenden Zahlungsverpflichtungen für Finanz- und Liquiditätsplanung und Bilanzausweis.
- Beauftragung eines neutralen Sachverständigen (nicht Makler/Versicherungsvermittler), um die Gesamtsituation (Due Diligence) und Haftungsfallen zu analysieren. Hierbei müssen Kündigungs- und Neugestaltungsoptionen der betrieblichen Altersversorgung geprüft werden.
Ausblick
Wie immer schützt Unwissenheit nicht vor rechtlichen Konsequenzen.
Prüfen Sie genau Ihre Versorgungswerke und Regelungen vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen. Lassen Sie sich dabei nicht von Produktgebern oder deren provisionsorientierten Vermittlern in vermeintlichen Tiefschlaf versetzen. Sie sind als Arbeitgeber haftbar! Suchen Sie sich unabhängigen Rat.
Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger. Er berät Ministerien und Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung von Gesetzen sowie bei Ausschreibungen der betrieblichen Altersversorgung und ist dem Hause DATAKONTEXT als Seminarleiter und Fachautor verbunden. www.nareuisch.de