Urteil des Sozialgerichts : Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten UG steht Kurzarbeitergeld zu
Nach einem Urteil des Sozialgerichts (SG) Speyer vom 30.07.2020, welches in einem Eilverfahren erlassen wurde, steht ein Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten Unternehmensgesellschaft (UG) in einer abhängigen Beschäftigung und erhält Kurzarbeitergeld, weil er im Betrieb keine Rechtsmacht hatte.
Sachverhalt
Auch für Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten UG kann grundsätzlich Kurzarbeitergeld gewährt werden. Das SG Speyer hatte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Gewährung von Kurzarbeitergeld für einen UG-Geschäftsführer eines Tourismus- und Sportunternehmens zu entscheiden, welches aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.
Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Kurzarbeitergeld erhalten nur die abhängig beschäftigten Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sind.
Ausschluss
Dazu gehören keine Arbeitnehmer:
- die das für die Regelaltersrente im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung erforderliche Lebensjahr vollendet haben, und zwar ab Beginn des folgenden Monats,
- während der Zeit, für die ihnen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers zuerkannt ist,
- die in einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch (SGB) IV stehen und
- die eine unständige Beschäftigung berufsmäßig ausüben.
Fremdgeschäftsführer, mitarbeitende Gesellschafter oder Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder UG
Nur abhängig Beschäftigte erhalten Kurzarbeitergeld.
Fraglich ist, wann ein Fremdgeschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung, ein mitarbeitender Gesellschafter oder ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder UG in einer abhängigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung steht.
- Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.03.2018 (Az.: B 12 R 5/16) stehen Fremdgeschäftsführer einer GmbH oder UG ohne Kapitalbeteiligung ausnahmslos in einer abhängigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung.
Ein mitarbeitender Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion in einer GmbH oder UG ist ein abhängig Beschäftigter im Sinne der Sozialversicherung, wenn er nicht mit mehr als 50 Prozent am Stammkapital beteiligt ist. Hält er mehr als 50 Prozent, also beispielsweise 50,1 Prozent, und werden in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, liegt eine selbstständige Tätigkeit und damit keine abhängige Beschäftigung mehr vor. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder UG stehen in einer abhängigen Beschäftigung, wenn deren Beteiligung, bei Abstimmung in einer Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit, nicht 49 Prozent überschreitet.
Auffassung der Agentur für Arbeit
Die Agentur für Arbeit vertrat die Auffassung, Kurzarbeitergeld könne für den Geschäftsführer der GmbH nicht gewährt werden, weil er die Geschicke des Unternehmens leite und es gerade seine Aufgabe sei, neue Kunden zu finden und Kurzarbeit zu vermeiden.
Antrag durch SG stattgegeben
Das SG Speyer hat dem Antrag am 30.07.2020 indes im Wege der einstweiligen Anordnung stattgegeben. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der UG-Geschäftsführer nicht in einem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis stand.
Begründung
Da die Antragstellerin im Wesentlichen ihren Unternehmenszweck auf die Durchführung von Reisen und Schülerbeförderung verlegt hat, steht zu befürchten, dass durch die Nichtzahlung von Kurzarbeitergeld das Arbeitsverhältnis mit dem Geschäftsführer gelöst werden müsste und damit Arbeitslosigkeit eintritt. Dies widerspräche der gesetzlichen Intention, die insbesondere durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld vom 13.03.2020 erreicht werden sollte, nämlich möglichst viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld in einem Beschäftigungsverhältnis zu halten (Az.: S 1 AL 134/20 ER).
Entscheidung rechtskräftig?
Nicht bekannt ist, ob die Entscheidung des SG Speyer mittlerweile rechtskräftig ist.
Ulrich Frank, Sozialversicherungsfachwirt und Wirtschaftsjournalist