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Gesamtzusage – Gleichbehandlungsgrundsatz
Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 03.06.2020 – 3 AZR 730/19
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser oder ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nichts herleiten.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt danach, dass eine vorgenommene Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist zugleich Anspruchsgrundlage und Schranke der Rechtsausübung. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift er nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft. Liegen einer Leistung bestimmte Voraussetzungen zugrunde, muss die vom Arbeitgeber damit selbst geschaffene Gruppenbildung, gemessen am Zweck der Leistung, im genannten Sinne sachlich gerechtfertigt sein.
Der Arbeitgeber ist nicht nur dann an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn er einseitig allgemeine Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung bestimmt hat, sondern auch dann, wenn arbeitsvertragliche Vereinbarungen vorliegen. Danach begrenzt der Grundsatz um des Schutzes des Arbeitnehmers willen die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Das gilt insbesondere auch bei Gesamtzusagen, da sich der einzelne Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit befindet. Die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Gesamtzusagen ist deshalb in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt.
Rechtsfolge einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist dann die Korrektur der arbeitgeberseitig bestimmten gleichbehandlungswidrigen Voraussetzung. Die sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung führt im Ergebnis zu einer Anpassung dieses Merkmals durch ein gleichbehandlungskonformes. Der Arbeitnehmer, der ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt wurde, kann die Leistung, von der er nach der Regelbildung des Arbeitgebers wegen Nichterfüllung des gleichbehandlungswidrigen Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen war, von diesem verlangen, wenn es keine weiteren Voraussetzungen gibt oder etwaige weitere Voraussetzungen von ihm erfüllt werden.
Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Betriebsrentenrecht hat der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz daher schon kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung. Er stellt im Zusammenspiel mit der vom Arbeitgeber geschaffenen Ordnung eine Anspruchsgrundlage auf Leistungen des Arbeitgebers dar.
Versorgungszusagen werden vielfach in Form einer Gesamtzusage gemacht. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Willenserklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags im Sinne von § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und es bedarf ihrer auch nicht. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 Satz 1 BGB angenommen und ist ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Die Arbeitnehmer – auch die nachträglich in den Betrieb eintretenden – erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Dabei wird die Gesamtzusage bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart wird, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an.
Ordentliche Kündigung – Hausangestellte
BAG, Urteil vom 11.06.2020 – 2 AZR 660/19
Nach § 622 Abs. 2 BGB gelten verlängerte Kündigungsfristen, wenn das Arbeitsverhältnis „in dem Betrieb oder Unternehmen“ für eine bestimmte Zeit bestanden hat. Damit sind Arbeitsverhältnisse ausgenommen, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind.
Ein privater Haushalt ist kein Unternehmen. Bei einem solchen handelt es sich um eine organisatorische Einheit, mit der ein Unternehmer in einem Betrieb oder mehreren zusammengefassten Betrieben wirtschaftliche oder ideelle Zwecke fortgesetzt verfolgt. Das ist bei einem auf bloße Konsumtion angelegten Privathaushalt nicht der Fall.
Ein privater Haushalt unterfällt auch nicht dem allgemeinen Betriebsbegriff.
Dieser erfasst nur organisatorische Einheiten von Arbeitsmitteln, durch die der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht allein in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt.
Die Herausnahme von Arbeitsverhältnissen, die nach ihrem Inhalt nur in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, aus dem Anwendungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB mangels Zugehörigkeit zu einem Unternehmen steht im Einklang damit, dass ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag allein für seinen Privathaushalt abschließt, nicht als Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB handelt, weil die Führung eines privaten Haushalts keine gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit darstellt.
Die Gleichheitssätze des Art. 3 GG werden durch die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen ist, nicht verletzt.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.
Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Das Geschlecht darf auch aufgrund des Gleichberechtigungsgebots in Art. 3 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtlich oder faktisch benachteiligende Ungleichbehandlungen herangezogen werden. Das Diskriminierungsverbot gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt. Es ist jedoch nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an das Geschlecht kann auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen nachteilig trifft, denn Art. 3 Abs. 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen.
Die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB führt bei länger beschäftigten Arbeitnehmern zu einer unterschiedlichen Länge der Kündigungsfrist, die davon abhängt, ob ihr Arbeitsverhältnis ausschließlich in einem privaten Haushalt oder auch in einem Unternehmen durchzuführen ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigung von Frauen in privaten Haushalten signifikant überwiegt und die Ungleichbehandlung insoweit eine mittelbare Benachteiligung bewirkt. Die Nichteinbeziehung der Arbeitsverhältnisse von Haushaltsangestellten in den Geltungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB ist durch gewichtige objektive Gründe gerechtfertigt, die eine Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen und nichts mit einer nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
Die Regelung, wonach sich die Kündigungsfristen nur dann abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängern, wenn eine Tätigkeit in einem Unternehmen vereinbart ist, kann zu einer gegebenenfalls beträchtlichen Ungleichbehandlung führen. Bei Arbeitsverhältnissen in einem Unternehmen beträgt die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB bis zu sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Demgegenüber verbleibt es für in privaten Haushalten Beschäftigte – unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses – bei der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.
Zwischen beiden Arbeitnehmergruppen bestehen objektive und diskriminierungsfreie Unterschiede von solchem Gewicht, dass sich die aus der Auslegung von § 622 BGB ergebende unterschiedliche Ausgestaltung der Kündigungsfristen noch innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hält.
Schwerbehinderte Menschen – außerordentliche Kündigung
BAG, Urteil vom 11.06.2020 – 2 AZR 442/19
Gemäß § 174 Abs. 5 SGB IX kann die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt erklärt wird.
„Erteilt“ im Sinne von § 174 Abs. 5 SGB IX ist die Zustimmung, sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist. In diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt.
Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 174 Abs. 5 SGB IX „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldhaft ist ein Zögern dann, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da „unverzüglich“ weder „sofort“ bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Dabei ist nicht allein die objektive Lage maßgebend. Solange derjenige, dem unverzügliches Handeln abverlangt wird, nicht weiß, dass er die betreffende Rechtshandlung vornehmen muss, oder es mit vertretbaren Gründen annehmen kann, er müsse sie noch nicht vornehmen, liegt kein „schuldhaftes Zögern“ vor. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Arbeitgeber die zuständigen Arbeitnehmervertretungen erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt beteiligt.
Die Kündigung ist im Sinne von § 174 Abs. 5 SGB IX „erklärt“, wenn sie dem schwerbehinderten Menschen gemäß § 130 BGB zugegangen ist.
Die Regelung in § 174 Abs. 5 SGB IX ist nicht so zu verstehen, dass sie nur Anwendung findet, wenn der Arbeitgeber die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB beantragt. Das kann – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die von einer „Ausdehnung“ der Frist des § 626 Abs. 2 BGB beziehungsweise einem „Aufschieben“ ausgegangen ist – nicht angenommen werden. Das BAG hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung beim Integrationsamt bestimmt sich nach § 174 Abs. 2 SGB IX. Die Einhaltung der Frist ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung der Zustimmung. Sie ist allein vom Integrationsamt bzw., im Falle der Anfechtung der Entscheidung, von den Verwaltungsgerichten zu prüfen. Liegt eine Zustimmung vor, haben die Arbeitsgerichte dies ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Die Arbeitsgerichte sind an eine erteilte Zustimmung gebunden und auf eine Prüfung der Unverzüglichkeit der Kündigung gemäß § 174 Abs. 5 SGB IX beschränkt.
Die Frist für die Erklärung der Kündigung beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände.
Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden.
Eine schlichte Untätigkeit des Arbeitgebers reicht grundsätzlich nicht aus, um den Beginn des Laufs der Kündigungserklärungsfrist zu verhindern. Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitnehmer aus Gründen der Rücksichtnahme auf dessen Genesungsprozess nur begrenzt zulässig. Der Arbeitgeber muss wegen seiner sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Pflicht, auf die Erkrankung des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, alles unterlassen, was dem Genesungsprozess abträglich wäre.
Wegen seiner eingeschränkten Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Arbeitnehmer und dessen fehlender Verpflichtung, den Grund und die Auswirkungen seiner Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, muss der Arbeitgeber regelmäßig nicht nachforschen, ob der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit an einer Anhörung teilnehmen kann.
Andererseits kann der Arbeitgeber auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit außerordentlich kündigen. Daher darf er, sofern er sich die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung offenhalten will, auch im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers nicht beliebig lang zuwarten, bis er versucht, mit diesem auch während der Arbeitsunfähigkeit die erforderliche Sachverhaltsaufklärung durchzuführen. Insoweit ist der Arbeitgeber nach einer angemessenen Frist gehalten, mit dem Arbeitnehmer Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob dieser gesundheitlich in der Lage ist, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken
Für die Dauer der „angemessenen Frist“, binnen welcher der Arbeitgeber an den erkrankten Arbeitnehmer zur Klärung seiner Fähigkeit herantreten muss, an der Aufklärung des möglichen Kündigungssachverhalts mitzuwirken, bestehen keine starren Grenzen. Das BAG hat in einer Entscheidung von 2019 einen Zeitraum von drei Wochen für die Kontaktaufnahme mit einer arbeitsunfähig erkrankten Zeugin wegen der Entbindung von einer Vertraulichkeitsvereinbarung noch als ausreichend angesehen und nicht beanstandet.
Dr. iur. Hans-Otto Blaeser, Köln