Payroll im öffentlichen Dienst : Vielfalt mit Zukunft
Der Knackpunkt der Payroll im öffentlichen Dienst sind die unterschiedlichen Tarife, nach denen Kommunen, Vereine, Verbände, soziale Einrichtungen oder Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen entlohnen – und vor allem die Schlagzahl der diese beeinflussenden Veränderungen. Doch während hier verlässliche Technik helfen kann, drückt der Schuh anderorts: beim Fachkräftemangel.
Überlastete Gesundheitsämter, mangelhaft arbeitende Schulen, ineffiziente Kommunikationswege – all das offenbarten die vergangenen Monate. Doch während diese Befunde kein schmeichelhaftes Licht auf die Art und Weise werfen, wie hierzulande öffentliche Aufgaben erledigt werden, wurde gleichzeitig klar, weshalb der Staat eine ganze Reihe von Aufgaben nicht aus der Hand geben kann: um im Ernstfall für den Souverän schnell handlungsfähig zu sein.
Doch wie gelingt das, und wie ist es tatsächlich um die Qualität der Prozesse rund um die Eigenverwaltung der Verwaltung und der öffentlichen Hand bestellt?
72 Prozent der Behördenlenker sagten zuletzt, dass sie der IT-Fachkräftemangel in ihrem Bemühen um Modernisierung ausbremst, berichtet der „Branchenkompass Public Sector 2020“. In der Folge investiert die Verwaltung verstärkt in die Qualifizierung des eigenen Personals; ein Drittel der Behördenlenker sieht Schulungsbedarf in Innovationsmanagement und neuen, agilen Arbeitsweisen.
Jeder Zehnte in Diensten des Staates
Was nun für Behörden gilt, mag Kliniken oder Schulen zunächst einmal nicht weiter tangieren, doch auch sie haben ähnliche Probleme: ein schleppender Digitalisierungsprozess, starre Organisationsformen und ein hohes Maß an Arbeitsverdichtung nach dem massiven Abbau der Beschäftigungsverhältnisse von ehemals 6,7 Millionen zu Beginn der neunziger Jahren, mit einem Tiefststand zwischen 2005 und 2010, der etwa bei 4,6 Millionen lag. Heute sind laut Statistischem Bundesamt wieder 4,9 Millionen Beschäftigte und 1,7 Millionen Beamt*innen und Richter*innen in Diensten des Staates. Etwa jeder zehnte Erwerbstätige ist damit im öffentlichen Dienst beschäftigt, gut die Hälfte bei den Ländern, ein knappes Drittel im kommunalen Bereich, etwa 10 Prozent beim Bund und knapp 8 Prozent bei den Sozialversicherungen.
100 Jahre „demokratisierte Verwaltung“
Wie die künftige Entwicklung der Beschäftigtenzahlen aussehen wird, lässt sich momentan nicht prognostizieren. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Abteilung „Öffentlicher Dienst“ im Bundesinnenministerium (BMI) wollen „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konzeptionelle Vorstellungen zum öffentlichen Dienst der Zukunft mit Gästen diskutieren“, wie es auf dessen Website heißt. Dabei wären neben dem schon jetzt spürbaren Fachkräftemangel und seiner Bewältigung sicherlich auch der Punkt tarifliche Entlohnung und die Vereinfachung und Harmonisierung der Regelwerke ein dankbares Thema.
Schon vor hundert Jahren ging es schließlich laut BMI darum, „Bürgerinnen und Bürger für den öffentlichen Dienst zu gewinnen und die Verwaltung zu demokratisieren“. Waren für diese neue Aufgabe des Innenministeriums im Jahr 1920 zunächst drei Personen vorgesehen, arbeiten dort heute 77 Personen in sechs Referaten. Das ist nicht zuletzt der immer stärkeren Differenzierung der Regelungen für einzelne Gruppen von Beschäftigten geschuldet.
Tarifvielfalt mit kurzen Verfallszeiten
Zu den wesentlichen Tarifen des öffentlichen Dienstes zählen TVöD-Bund, TVöD-VKA, TV-Versorgungsbetriebe, TV-L, TV-L (Berlin), TV-Hessen sowie die tariflichen Regelungen sozialer Einrichtungen (Caritas, Diakonie, DRK) mit all ihren Spartenregelungen, Regionalkommissionen und der Integration von Regelungen aus den Ausbildungsverhältnissen. Während Personalämter damit meistens noch Schritt halten, erschließen sich für die Beschäftigten die Feinheiten der Bedingungen, an die ihre Gehaltsbestandteile geknüpft sind, oftmals gar nicht mehr.
Softwarehersteller, deren Produkte Rechtsänderungen abbilden müssen, beklagen in diesem Zusammenhang gern die knappe Zeit, die ihnen vom Bekanntwerden einer konkreten Änderung bis zum festgesetzten Einführungszeitpunkt zur Verfügung steht. Das ist auch hier nicht anders, im Tarifgeschehen des öffentlichen Dienstes betrage dieser Zeitraum teilweise nur ein paar Wochen, schreibt ein Hersteller. Auch in der Payroll des öffentlichen Betriebs kommen danach gegebenenfalls außerdem noch spezifische Anpassungen hinzu.
Outsourcing als Trend?
Da verwundert es nicht, dass Payroll-Dienstleister sich intensiv der öffentlichen Hand andienen. Dies mutet von außen betrachtet zunächst etwas paradox an, da der Staat ja eigens Beschäftigte in besonderen Bereich selbst entlohnt – diese jedoch dann nicht selbst abrechnet. Doch wie kann die Payroll des öffentlichen Dienstes dauerhaft intern zukunftssicher abgebildet werden? Und vor allem der durch die dezentrale Arbeitsweise vieler Ämter verursachten Ineffizienz entgegenwirken?
Tatsächlich bedarf es zunächst einmal des massiven Ausbaus der technischen Möglichkeiten, der sowohl Pandemie-Bedingungen standhält als auch – und das ist noch viel wichtiger – den zeitgemäßen Anforderungen der jüngeren Generation an ihren Arbeitsplatz mit der Möglichkeit zum flexiblen Arbeiten entgegenkommt.
„Drei Autokörbe voll Akten“
Noch sieht die Realität freilich anders aus: So schildert eine Studienteilnehmerin der im August 2020 veröffentlichten Untersuchung der Universität zu Köln „Homeoffice- und Präsenzkultur im öffentlichen Dienst in Zeiten der Covid-19-Pandemie“ ihre Erfahrungen nüchtern: „Die technische Ausstattung meines Arbeitgebers lässt im Hinblick auf einen Homeoffice Arbeitsplatz zu wünschen übrig. Ich nehme zum Beispiel dann drei Autokörbe voll mit Akten mit nach Hause, um arbeiten zu können. Notwendige Ausdrucke fertige ich über meine eigenen Drucker zu Hause an.“
Das lockt nicht unbedingt die Fachkräfte an, die auch die öffentliche Hand für ihre Digitalisierungsprojekte dringend benötigen würde und um die sie nicht nur im HR-Bereich mit der freien Wirtschaft konkurriert. Befristete Verträge, wie sie vielfach aufgrund der Sparpolitik üblich sind, berauben den öffentlichen Sektor seines ureigenen Vorteils: dem Versprechen von Job-Sicherheit.
Es liegt also an der Grundausrichtung der Politik, wie die Verwaltung sich künftig selbst verwalten kann oder will – insofern lohnt es sich in diesem Fall vielleicht doch, auf das zu schauen, was das Innenministerium nach seiner Jubiläumsfeier dazu verlauten lässt.
Alexandra Buba