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Back to New Future? : Das „versteckte“ Arbeitsmarktpotenzial der Bildungsträger (Teil 1)

Sie gelten in den Augen vieler – auch bei der Arbeitsagentur – oft als berufliche Ersatzbank oder vollständig vorurteilsbehaftet als absolutes Abschiebegleis. Bildungsträger tragen das harte Los ihrer Aufgabe und „Klientel“ oft mit. Dabei dürfen, sollen und müssen sie ständig Potenziale entfalten: bei sich, für den Auftraggeber und für die Teilnehmenden ihrer Maßnahmen.

Lesezeit 4 Min.
Eine Lupe, die über eine Menschenmenge gehalten wird und die Suche, Prüfung oder Auswahl innerhalb einer vielfältigen Gruppe im Kontext des Personalmanagements symbolisiert.

Die wichtige arbeitsmarktpolitische Aufgabe der Träger ist nicht nur an strengste Auflagen durch die Zertifizierung und die hohen Qualitätsauflagen geknüpft – ganz „nebenbei“ soll neben dem ganzen Engagement und maximalen Erfolg auch Geld erwirtschaftet werden. Dass dabei auch wertvolles „Arbeitsmarktkapital“ entsteht, haben Unternehmen zwar schon auf dem Schirm. Das gezielte Recruiting könnte aber durchaus gesteigert werden.

Im Rahmen der Maßnahmen werden Lücken geschlossen, Defizite gezielt aufgearbeitet – systemimmanente und allgemeine gesamtgesellschaftliche Job(findungs)probleme werden behandelt und behoben. Wie aus vermeintlichen „Rand-Gelegenheiten“ echte Job-Success-Storys werden und schlummerndes Potenzial – auch für Fachkräfte –, wird noch zu oft „verkannt“. Wie das aussehen könnte, hat mehr Möglichkeiten, als allgemein bekannt ist.

1. Welche Schlüsselkompetenzen werden gezielt gestärkt in den Bereichen im Vergleich zu anderen Bildungsinstitutionen?

Die Bildungsträger verstehen sich als „Schlüssel zum Arbeitsmarkt“ mit den Jobcoaches und Dozenten: Diese fungieren als Wegbereiter, Türöffner, Kompetenztrainer und Stärker. Aufgebaut wird die Arbeit der Bildungsträger auf einem speziell qualifizierten und vielseitigen Fachpersonal, das sich fundiert und gleichzeitig spontan und subtil auf die Gegebenheiten einlässt, so wie es die jeweilige Ausbildungs- und Qualifizierungssituation oder „Jobbiografie“ der Teilnehmenden des Unterrichts oder der Kurse erfordern.

Das Maßnahmen-Angebot der Träger unterliegt strengen ISO-Zertifizierungskriterien und wird genauestens geprüft, bevor es für die Ausschreibungen zugelassen wird. Dabei geht es natürlich ebenso darum, für die Hauptauftraggeber (Arbeitsagentur und Jobcenter, aber auch Privatkunden) attraktiv, nachhaltig wertvoll und gleichzeitig nachvollziehbar und zu sein.

Darüber hinaus sind Bildungsträger aber vor allem dazu da, die richtigen Brücken und Voraussetzungen zwischen den Suchenden auf allen Seiten zu schaffen – auch auf der Basis der richtigen oder verbesserten Qualifizierung. Die Bestimmung und das (langfristige) Ziel: das perfekte „Jobmatch“ – das kann auch bedeuten, dass im Vorfeld hierfür passende Gesundheitsangebote bereitgestellt werden oder die angepasste Schulabschluss- und oder spezielle Fortbildungsangebote. Welches Angebot vor Ort genau gegeben ist, kann sich innerhalb des Unternehmens, aber auch von Träger zu Träger unterscheiden. Um den Marktanforderungen gerecht zu werden und die Ausschreibungskriterien zu erfüllen, kommt auch zu Kooperationen. So können dann gemeinsam solche Themenbereiche, wie der Mangel an Pflegekräften im Helferbereich gezielt adressiert werden, indem „Fachfremde“ und Nichtqualifizierte herangeführt werden und die Träger die insgesamt benötigten fachlichen Spezialisierungen mit Praxisbezug anbieten.

Generell geht es zusätzlich um die berufliche Orientierungsfähigkeit durch eine vorausschauende Berufsplanung. Dabei können dann auch die Belastbarkeit und die Organisationsfähigkeit geschult werden, wenn dies Teil des Angebots ist. Da geht es dann auch mal um Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Idealfall sind die Teilnehmenden im Anschluss dann fit für die Arbeit und für das Leben, denn das ist nicht voneinander zu trennen. Solche Ergebnisse sind zudem ganz im Sinne der Auftraggeber.

Auch eine zusätzliche Sensibilisierung für bestimmte Arbeitszeitmodelle ist im Rahmen von Unterricht und Coaching möglich, da nicht jede Branche und jedes Unternehmen gleich tickt. Natürlich ist es zusätzlich sehr wichtig, im Vorfeld gut (auf möglichst alles) vorbereitet zu sein – mit einem weiteren Fokus auf die Teamfähigkeit, die Integration in das Arbeitsumfeld und insbesondere auf die Hard- und Soft-Skills für die Anwendung in der Praxis.

2. In welchem Bereich sind Bildungsträger längst unverzichtbar für den Arbeitsmarkt?

Viele Bildungsträger bedienen kontinuierlich – so wie sie in den Augen vieler vor allem wahrgenommen werden – die Nachfrage im Bereich von Sprachunterricht und Integrationsarbeit, gerade auch mit Geflüchteten. Eine ist eine unverzichtbare und immer wieder auftretende Anforderung an die Bildungsträger durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter – mit wertvollen Beiträgen und Ergebnissen durch die Sprachdozenten von gesellschaftlicher Bedeutung.

Dabei beseitigen diese Bildungsträger nicht nur „Sprachbarrieren“ oder gleichen Unkenntnisse und Unwissenheit bezüglich kultureller Kompetenzen aus. Oftmals stellen sie sich gemeinsam mit Teilnehmenden gezielt auch Themen wie Vermittlungshemmnissen aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit oder eingeschränkter Arbeitsfähigkeit, wenn dies Teil der Maßnahme ist. Die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, nicht nur das zu besprechen, was „gerade nicht da ist“, sondern ebenso positiv und progressiv daran zu arbeiten, gezielt zu aktivieren bzw. reaktivieren, bei dem, was bereits vorhanden ist und die Teilnehmenden von sich aus mitbringen.

Bildungsträger versuchen, vorhandene Kompetenzen zu stärken und negative oder in der Vergangenheit liegende nicht zielführende Erlebnisse und Ereignisse zu bearbeiten, wenn es die Form der Zusammenarbeit zulässt. Der Fokus liegt dabei oft auch wieder stark auf der Anwendbarkeit in der Praxis, denn letztlich geht es ja (langfristig) um die konkrete Vermittelbarkeit, und da kann der Unterricht bei Bedarf und entsprechendem Bildungsangebot durch die Träger sogar ins Handwerkliche führen.

Abstrakte Illustration von Humanressourcen, die in Reihen mit Schatten auf dem Boden stehen und ein Konzept sozialer Distanzierung oder organisierter Warteschlange darstellen.
Das „versteckte“ Arbeitsmarktpotenzial 2

Sogenannte „Vermittlungshemmnisse“ haben übrigens auch Arbeitssuchende, die nicht von den Arbeitsagenturen und Jobcentern zu uns geschickt werden. Nicht selten werden spätestens innerhalb der Maßnahmen, des Unterrichts und des Coachings entscheidende Anforderungsdefizite für eine erfolgreiche Beschäftigung offengelegt und anschließend grundlegend bearbeitet – denn dafür fehlen den vorher zuständigen Stellen schlichtweg die Zeit und die Ressourcen. Und das ist eben auch eine eindeutige Form der Stärke und ein absoluter Mehrwert der Arbeit und Leistungen der Bildungsträger.

Das „klassische Bewerbungstraining“ ist manchmal nur ein Teil von dem, was noch erforderlich ist und was Bildungsträger tun und leisten – ein anderes Mal ist es gerade das, was es dann vor allem noch benötigt wird, als entscheidender Baustein zum beruflichen und persönlichen Erfolg, von dem die Unternehmen dann anschließend profitieren können.

Vielen Dank für das Interview!

Teil 2 in der nächsten Ausgabe.

Das Interview führte Dr. Silvija Franjic, Online-Redakteurin + Jobcoach

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