Verbreitung der Entgeltumwandlung : Eine deskriptive Analyse auf Basis der Verdienststrukturerhebung
Bei der Entgeltumwandlung kann der Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis einen Teil seines Bruttoeinkommens direkt in einen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge investieren. Über die Höhe des Betrags kann er selbst entscheiden. Der Arbeitgeber ist hingegen verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Möglichkeit zur Entgeltumwandlung einzuräumen.
Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit der Verbreitung des Instruments Entgeltumwandlung in der gewerblichen Wirtschaft. Dazu wird basierend auf der Verdienststrukturerhebung zum einen die Verbreitung der Entgeltumwandlung anhand des Anteils der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung und des Anteils der Entgeltumwandlung an der Bruttolohnsumme der Betriebe gemessen. Zum anderen wird der Anteil der Entgeltumwandlung am individuellen Bruttojahresverdienst bei Beschäftigten mit Entgeltumwandlung in den Mittelpunkt gestellt.
Hintergrund: Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung
§ 1a Absatz 1 BetrAVG regelt den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber wie folgt:
„(1) Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu vier vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Die Durchführung des Anspruchs des Arbeitnehmers wird durch Vereinbarung geregelt. …“
Mit dieser Gesetzesformulierung haben im Grundsatz alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Anspruch auf ein Angebot zur Entgeltumwandlung beim jeweiligen Arbeitgeber – mit folgenden Einschränkungen:
- Einhaltung des sogenannten Tarifvorranges: Nach § 17 Abs. 3 BetrAVG kann in Tarifverträgen u. a. von § 1a BetrAVG abgewichen werden. Beschäftigte, für die ein solcher Tarifvertrag unmittelbar oder über einzelvertragliche Vereinbarung gilt, können ihren Tariflohn nur umwandeln, wenn der Tarifvertrag das zulässt.
- Bei geringfügiger Beschäftigung haben ausschließlich rentenversicherungspflichtig geringfügig entlohnt beschäftigte Arbeitnehmer/-innen, die zum Zwecke des Erwerbs vollwertiger Rentenansprüche auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichtet haben, das Recht, von ihrem Arbeitgeber zu verlangen, dass künftige Arbeitsentgeltansprüche durch Entgeltumwandlung für ihre betriebliche Altersversorgung verwendet werden.
Erhebung der Entgeltumwandlung im Rahmen der Verdienststrukturerhebung
Angaben zur Verbreitung und Höhe der realisierten Entgeltumwandlung können auf Basis der Verdienststrukturerhebung (VSE) nachgewiesen werden. Bei der VSE handelt es sich um eine vierjährlich durchgeführte Statistik auf Basis einer geschichteten Stichprobe bei rund 60.000 Betrieben zu Verdienst- und Arbeitszeitangaben ihrer abhängig Beschäftigten. Mithilfe eines gebundenen Hochrechnungsverfahrens sind mit der VSE 2014 und der VSE 2018 Aussagen für die Gesamtwirtschaft darstellbar.
Die Entgeltumwandlung wird als Bestandteil des Bruttojahresverdienstes im Rahmen der VSE anhand nebenstehender Erläuterung für jeden zu meldenden Arbeitnehmersatz für das jeweilige Berichtsjahr erfragt. Dies bedeutet, dass bei Kleinstbetrieben die Meldung für jeden im April des Berichtsjahres beschäftigten Arbeitnehmer erfolgt, bei größeren Betrieben allerdings nur eine Stichprobe (z. B. bei Betrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten nur jeder 40. Arbeitnehmersatz) meldungsrelevant ist. Ein Großteil der Melder kann hierfür auf Statistikmodule der Lohn-Softwareanbieter zurückgreifen.
Ergebnisanalyse der Entgeltumwandlung auf Basis der Verdienststrukturerhebung
Für insgesamt 22,7 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse (einbezogen sind Beschäftigte im Alter von 18 bis 64, ohne Auszubildende, Beschäftigte in Altersteilzeit und geringfügig Beschäftigte) der Privatwirtschaft wurde für 2018 eine Entgeltumwandlung gemeldet.
Im Vergleich zu 2014 verringerte sich damit der Anteil geringfügig um einen halben Prozentpunkt. Hierbei ist der Rückgang des Anteils der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung in Ostdeutschland mit –1,2 Prozentpunkten größer als in Westdeutschland (–0,5 Prozentpunkte); die Schere zwischen West- und Ostdeutschland geht damit weiter auseinander.
Bezogen auf den Wirtschaftsabschnitt, in dem der Betrieb tätig ist, wird ersichtlich, dass in jedem Wirtschaftsabschnitt eine rückläufige Tendenz beobachtbar ist. Am stärksten ist der Rückgang in den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (-4,5 Prozentpunkte) und bei Kunst, Unterhaltung und Erholung (-3,8 Prozentpunkte). Letztgenannter Wirtschaftsabschnitt ist neben dem Gastgewerbe und der Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen ein Bereich mit einem besonders geringen Anteil an Beschäftigungsverhältnissen mit Entgeltumwandlung.
Neben dem Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung stellt Tabelle 1 den Anteil der Entgeltumwandlung an der Bruttojahresverdienstsumme dar. Durchschnittlich 0,74 Prozent der Lohnsumme insgesamt wurden 2018 als Entgeltumwandlung realisiert. Aus dem Wirtschaftsabschnitt Finanz- und Versicherungsdienstleistungen wurde wiederholt, auch 2018, der höchste Anteil der Lohnsumme zur Entgeltumwandlung (1,4 Prozent) gemeldet, gefolgt von der Energieversorgung (0,9 Prozent).
Die nachfolgende Abbildung stellt den Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung und den Anteil der Entgeltumwandlung an der Lohnsumme differenziert nach Betrieben in Ost- und Westdeutschland und nach Größenklassen für 2014 und 2018 dar.
Auffällig ist, dass:
- sich ein positiver Zusammenhang zwischen Entgeltumwandlung und Unternehmensgröße darstellt,
- sich der vergleichsweise geringere Anteil an Beschäftigungsverhältnissen mit Entgeltumwandlung in Ostdeutschland durch alle Größenklassen in beiden Berichtsjahren zieht,
- sich der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung in Ostdeutschland ausschließlich in der Größenklasse 1.000+ sowie in Westdeutschland lediglich in den beiden oberen Größenklassen 2018 im Vergleich zu 2014 leicht erhöht hat.
Absolut gesehen hat sich die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung 2018 um rund 314.000 bzw. 5,3 Prozent im Vergleich zu 2014 erhöht. Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse mit und ohne Entgeltumwandlung stieg im gleichen Zeitraum um 8,4 Prozent. Abbildung 2 zeigt die Verbreitung der Entgeltumwandlung parallel für Beschäftigungsverhältnisse ohne und mit Entgeltumwandlung nach dem Alter der Beschäftigten für die Berichtsjahre 2014 und 2018.
Es wird deutlich:
- Die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse in den Altersgruppen bis 42 ist 2018 gegenüber 2014 nahezu unverändert.
- In den Altersgruppen zwischen 43 und 48 ist 2018 vergleichsweise weniger Entgeltumwandlung zu verzeichnen.
- Eine (leicht) erhöhte Anzahl wurde ab einem Alter von 53 (bis 63) Jahren gemeldet.
Im Weiteren werden ausschließlich Beschäftigungsverhältnisse mit gemeldeter Entgeltumwandlung betrachtet. Bei diesen wurden im Jahr 2018 rund 2,84 Prozent des Bruttojahresverdienstes durchschnittlich als Entgeltumwandlung verwendet. Damit war der Anteil im Vergleich zu 2014 rückläufig. Diese Tendenz ist in allen in Tabelle 2 dargestellten arbeitsplatzbezogenen Merkmalen zu verzeichnen.
Durchschnittlich bezifferte sich die Entgeltumwandlung im Jahr 2018 auf 1.403 Euro. In Tabelle 2 wird darüber hinaus ersichtlich, dass ein deutlich geringerer Entgeltumwandlungsbetrag bei
- An- und Ungelernten (895 Euro bzw. 801 Euro),
- Beschäftigungsverhältnissen unter der Niedriglohnschwelle (803 Euro) und
- befristeten Beschäftigungsverhältnissen (938 Euro)
erkennbar ist. Insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen unter der Niedriglohnschwelle ist ein geringer Durchschnittswert der Entgeltumwandlung (803 Euro) bei einem gleichzeitig vergleichsweise hohen Anteil der Entgeltumwandlung am Gesamtjahresbrutto (4,74 Prozent) auffallend.
Charakteristisch ist zudem, dass tarifgebundene Arbeitnehmer im Durchschnitt einen geringeren Anteil für Entgeltumwandlung umsetzen als nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer.
Bezogen auf arbeitnehmerspezifische Merkmale lässt sich festhalten, dass:
- Frauen im Durchschnitt zwar einen höheren Anteil des Bruttojahresverdienstes umwandeln, aber dies im Vergleich zu Männern ein geringerer durchschnittlicher Betrag ist. Dies hängt damit zusammen, dass Frauen im Mittel weniger verdienen als Männer.
- Der Anteil der Entgeltumwandlung und auch der Durchschnittsbetrag mit steigendem Alter zunehmen.
- Mit einem höheren schulischen Abschluss tendenziell auch ein höherer durchschnittlicher Betrag in die Entgeltumwandlung einfließt (siehe Tabelle 3).
In den Altersgruppen „18 bis unter 25“ und auch „25 bis unter 35“ sowie bei den Beschäftigten „ohne Schulabschluss“ ist die durchschnittliche Entgeltumwandlung in Euro im Vergleich zu 2014 nahezu konstant geblieben, obgleich die durchschnittlichen Bruttojahresverdienste in diesen Altersgruppen um jeweils rund 11 Prozent gestiegen sind. Im Unterschied dazu ist die durchschnittliche Entgeltumwandlung bei Beschäftigten mit einem beruflichen Abschluss „Meister, Techniker bzw. Fachhochschulabschluss“ um 130 Euro bzw. 7 Prozent und bei einem Abschluss mit „Diplom, Magister bzw. Staatsexamen“ sogar um 260 Euro bzw. 10 Prozent angestiegen.
Infobox:
Die Niedriglohn- und Hochlohnschwelle wird vom Statistischen Bundesamt nach einem Ansatz, der unter anderem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) angewandt wird, auf Basis der VSE berechnet.
Nach der Definition wird von Niedriglohn gesprochen, wenn der Verdienst eines Beschäftigten kleiner ist als zwei Drittel des Medianstundenverdienstes. Die Hochlohngrenze ergibt sich aus dem 1,5-Fachen des Medianstundenverdienstes. 2014 betrug die Niedriglohnschwelle 10 Euro, 2018 waren es 11,05 Euro. Die Hochlohnschwelle lag im Jahr 2014 bei 22,50 Euro sowie im Jahr 2018 bei 24,87 Euro.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sowohl der Anteil der gemeldeten Beschäftigungsverhältnisse mit Entgeltumwandlung als auch der Anteil der Entgeltumwandlung am Bruttojahresverdienst im Berichtsjahr 2018 im Vergleich zu 2014 rückläufig ist.
Diese Tendenz ist in allen dargestellten arbeitnehmerspezifischen Merkmalen zu beobachten. Gleichzeitig zeigen sich aber auch 2018 starke Unterschiede sowohl bei der Höhe des durchschnittlichen Umwandlungsbetrags bei verschiedenen arbeitsplatzspezifischen und persönlichen Merkmalen als auch bei Anteilen der Beschäftigungsverhältnisse nach Regionen, Wirtschaftsabschnitten und Größenklassen. Die Strukturen ähneln jedoch denen aus dem Berichtsjahr 2014.
Zeichenerklärung in den Tabellen:
/ = Zahlenwert nicht sicher genug
( ) = Aussagewert eingeschränkt
Simone Scharfe und Matthias Racky Verdienststrukturerhebung, Arbeitskostenerhebung, Tarifstatistik Statistisches Bundesamt (Destatis)