Hallo Hoffnung? : Generation Alpha im „Anmarsch, um die Welt zu retten“?
Generation Alpha – das klingt so schön nach Aufbruch in allen Bereichen. Die Nachfolger der Generation Z umfassen als Gesellschaftsgruppe bereits die Kinder und heranwachsenden jungen Menschen, die es durch die Corona-Pandemie und Homeschooling besonders hart getroffen hat. Hinzu kommen Jahrgänge, die erst noch geboren werden (müssen).
„Gen Alpha“, wie man diese Generation auch nennt, wird insgesamt zwischen 2010 und 2025 geboren sein. Als das „Startjahr“ der angeblichen neuen „Generation Hoffnung“ wurde 2010 gewählt. Es war das Jahr, in dem das iPad zum ersten Mal auf den Markt kam, in dem Instagram an den Start ging und in dem „App“ das Wort des Jahres wurde.
In Zukunft (wieder) alles besser?
Man nennt sie international auch „The future of everything“: Schon 2025 wird sie weltweit die tonangebende Gruppe sein. So glauben manche, dass „sie die formal am besten ausgebildetste Generation aller Zeiten sein wird, da sie die am meisten mit Technologie versorgte Generation aller Zeiten darstellen wird“.
Das soll Alpha dann weltweit zur wohlhabendsten Generation aller Zeiten machen, weswegen sie jetzt schon im Fokus der Marketer der Big(gest) Player des Konsummarkts steht, so ganz nach dem Motto: „Gen Z ist old news – brands are moving in to Generation Alpha.“ Was bedeutet das alles insgesamt für Gesellschaft, Wirtschaft und (bald) vor allem für die Personalwirtschaft?
Wie „Gen Alpha“ angeblich tickt
Für die Generation Alpha könnte „Drone Delivery“ so normal werden wie heute der Lieferando-Radkurier für uns. Technologie wird allgegenwärtig sein, sie hat aber nicht mehr nur den Status von Tools und Apps oder ist eine Form des Lifestyles. Es ist einfach die Lebensweise, in welche sie sich gerade hin- und weiterentwickelt. „Realitäten“ werden zunehmend in neuen Räumen stattfinden.
Gebaut wird gerade schon an dieser Welt, in der autonomes Fahren und Roboter selbstverständlich sind, weil uns die Wirtschaft jetzt schon prophezeit, dass es ohne sie (in die Zukunft) nicht mehr geht. Kulturanthropologen sagen für die Generation Alpha eine ähnliche Werteorientierung wie die ihrer Elterngeneration, also der Millennials, voraus, mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, allgemeine Toleranz und Diversität.
Vorsicht vor falschen Ableitungen!
Fraglich bleibt aber, ob die angeblich heranwachsende Generation der Weltretter das später auch so will und vor allem umsetzen kann, wenn sie es nur gewohnt ist, in einer hochtechnisierten Welt zu leben, für die ihr gleichzeitig die Rohstoffe zu deren Erhaltung ausgehen.
HR darf sich nicht schon wieder synchron mit dem Marketing in einen positiven Hype auf die nächste Generation stürzen und (erneut) unterstellen, dass hier automatisch eine Generation von IT-Genies an Programmieren, Entwicklern und Big-Data-Spezialisten heranwächst, die nun „endlich“ vor allem den IT-Fachkräftemangel Geschichte werden lässt. Das hatte man sich ja bereits von den Digital Natives der Generation Y in höherem Maße erhofft und ist dann so nicht eingetreten.
Einige „Vorschusslorbeeren“ erhält Generation Alpha – wohl auch Greta Thunberg sei Dank – bereits als deren automatische „Nachfolger und Erben“, indem sie im Netz und in Social Media so schön „The generation #calling up upon the Millennials to change the world“ genannt und irgendwie auch hier schon „vorgefeiert“ wird. Es gibt aktuell aber auch Stimmen und Studien, die berechtigt davor warnen, dass gerade nicht nur die Verlierer der Pandemie heranwachsen, sondern die angeblich „traurigste Generation aller Zeiten“ entsteht.
Den Vorsprung schon eingebaut?
Seit Beginn der Corona-Pandemie erhebt das Institut für Generationenforschung wöchentlich bundesweite Daten zu aktuellsten Trends, Bewegungen und Haltungen und beschäftigt sich dabei auch mit dem Kohortenvergleich. Es stellt dabei unter anderem die nicht zu vernachlässigende Frage, ob es mittlerweile nicht sogar darauf hinauslaufen könnte, dass gerade sogar eine ganze „Generation lebensunfähig“ entsteht. In seiner aktuellen Publikation weist Generationenforscher Rüdiger Maas deutlich darauf hin, welche Veränderungen die Corona-Krise bereits jetzt am Arbeitsmarkt ausgelöst hat, die auch die künftigen Generationen betreffen werden. Er geht sogar so weit, zu sagen: Der vermeintliche „Vorsprung“ ist mittlerweile geschrumpft.
Zukunft als „traurige“ Wahrheit?
Die Kinder, die ab 2010 geboren worden sind, sollen es aktuell sogar schwerer haben als ihre Vorgängergenerationen: Besorgniserregend ist, dass bereits 40 Prozent der Kinder auffällig sind in ihrer sprachlichen Entwicklung, 19 Prozent in ihren motorischen Fähigkeiten und 30 Prozent im sozialen Bereich. Auch das wird etwas sein, womit Wirtschaft und Gesellschaft später umgehen müssen, wenn nicht entsprechend entgegengewirkt wird. „Noch nie waren Kinder so traurig wie heute“, das besagt die aktuelle Studie des Instituts für Generationenforschung.
Zugrunde liegen der aktuellen Studie von Studienleiter Rüdiger Maas Gespräche mit etwa 1.200 Pädagogen und 6.500 Eltern, so dass für das Ergebnis ein Kreis von über 22.500 Kindern herangezogen werden konnte, die bereits der Generation Alpha zugerechnet werden. Maas’ Fazit: Die Kinder sind weniger begeisterungsfähig als noch vor zehn Jahren. Viel zu wenige sind noch in der Lage, vertieft zu spielen, und das hat für die weitere Entwicklung verheerende Folgen, wie die Zahlen zeigen. Es wäre naiv, zu glauben, dass sich das einfach „verwächst“ und keine Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Corona wird hierfür allerdings als Katalysator und nicht als Ursache bezeichnet.
Hilfe für die Helden von morgen?!
Was nicht nur Studienleiter Rüdiger Maas und Generationenforscher an der Schulpolitik in Bezug auf die Kleinsten kritisieren: Sie wurden „ausgespart“: Schule wurde viel zu sehr funktional über einen Kamm geschert. Natürlich kann sich künftig noch etwas ändern und drehen, aber so einiges wird sich durchziehen. Es wird eben Folgen haben, dass Lesen, Schreiben und Rechnen zu kurz kamen.
Ebenso wie die Erhöhung der Nutzungsdauer der digitalen Medien, die sich bei den Kleinen vorher im Schnitt in einem Bereich von täglich 30 Minuten bewegt hat, was mit Homeschooling gar nicht mehr einzuhalten war. Generationenforscher Maas bemängelt auch, wie sehr die Eltern in ihrer Rolle im Stich gelassen wurden. Wie hätten sie ihren Kindern Ratschläge geben sollen, wenn sie selbst nicht wussten, wie es morgen weitergeht?
Achtung (vor) Alpha?
Maas warnt jedoch davor, dass Eltern, Pädagogen und Schulen die Kinder zu sehr „befeuern“. Seine Forschungen haben gezeigt, dass Überfürsorglichkeit gegenüber Kindern die gleichen Effekte haben kann wie Vernachlässigung. Als essenziell bezeichnet er, dass Kinder dringend zu analogen Spielformen zurückkehren müssen, um die Erfahrung zu erlangen, dass sie selbst etwas kitten (können).
Wenn sie jetzt und künftig nicht lernen, mit Disruptionen umzugehen, dann werden sie keine Bewältigungsstrategien entwickeln. Diese wird Generation Alpha später dringend für das Leben und die Arbeit brauchen – sonst wird das nichts mit den vielen Weltrettern, denn dafür wird es keine Tools oder Apps geben. Die Arbeitswelt darf sich also tatsächlich wappnen, die Frage ist allerdings: „Wie?“ …
Dr. Silvija Franjic, Onlineredakteurin und Jobcoach