Im Blick: Sozialversicherungsrecht (Ausgabe 7/2021)
Grenzwerte 2022
Die voraussichtlich ab 01.01.2022 geltenden Grenzwerte in der Sozialversicherung bieten einige Überraschungen. Bedingt durch die Corona-Pandemie sind die der Berechnung der Werte zugrunde liegenden Entgelte der Beschäftigten im Jahr 2020 (Basis für die Entwicklung 2022) teilweise gesunken, was zu entsprechenden Auswirkungen bei den Grenzwerten führt.
(Voraussichtliche Zahlen aufgrund des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die Verordnung muss noch vom Bundesrat bestätigt werden, was aber in der Regel eine Formsache ist. Dies war bei Redaktionsschluss noch nicht geschehen.) Im Vergleich mit den Werten für 2021 zeigt sich, dass vieles unverändert bleibt. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung im Westen sinkt sogar geringfügig. Der entsprechende Wert im Osten steigt geringfügig, genauso wie die Bezugsgröße Ost.
Sachbezugswerte 2022
Die vom Arbeitgeber geleisteten Sachbezüge wie die kostenfrei zur Verfügung gestellte Verpflegung und Unterkunft (auch „Kost und Logis“ genannt) stellen einen geldwerten Vorteil dar und sind deshalb steuer- und beitragspflichtig.
Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge legt die Bundesregierung mittels einer Rechtsverordnung hierfür einheitliche Werte fest. Die Verordnung wird für jedes Kalenderjahr erneuert und die Werte werden an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst.
Bei der Verpflegung werden die Beträge differenziert nach dem Arbeitnehmer selbst und seinen Familienangehörigen und bei diesen wiederum nach dem Lebensalter.
Bei der Gestellung einer Unterkunft wird noch nach der Aufnahme in den Arbeitgeberhaushalt – das ist gelegentlich bei Lehrlingen und in der Landwirtschaft der Fall – und einer Gemeinschaftsunterkunft unterschieden. Bei der Gemeinschaftsunterkunft ist zusätzlich von Bedeutung, wie viele Personen zusammen untergebracht sind. Wird stattdessen eine Wohnung zur Verfügung gestellt, wird nicht der Sachbezugswert für die Berechnung von Steuern und Beiträgen zugrunde gelegt, sondern die ortsübliche Miete.
Die Werte für Unterkunft für 2022
Wird die Unterkunft nicht den vollen Monat zur Verfügung gestellt, wird der jeweilige Wert durch 30 geteilt und mit der Zahl der Kalendertage multipliziert.
Freie Verpflegung
Diese Werte gelten für alle Beschäftigten, also auch Auszubildende und Jugendliche. Wird Familienangehörigen ebenfalls freie Verpflegung gewährt, gibt es abgestufte Werte, abhängig vom Alter. Wird die Verpflegung nicht an allen Tagen zur Verfügung gestellt, wird der jeweilige Wert durch 30 geteilt und mit der Zahl der Kalendertage, an denen Verpflegung ausgegeben wurde, multipliziert.
Künstlersozialabgabe
Die Künstlersozialabgabe ist ein Beitrag zur Finanzierung der Künstlersozialversicherung. Unternehmen, die Leistungen von selbstständigen Künstlern oder Publizisten in Anspruch nehmen, müssen diese Abgabe an die Künstlersozialkasse (KSK) entrichten. Neben den Unternehmen, die typischerweise künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen selbstständiger Künstler/Publizisten in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Presseagenturen, Theater, Rundfunkanstalten, Galerien usw., sind auch alle anderen Unternehmen abgabepflichtig, wenn sie für ihre eigenen Zwecke Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dazu nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten vergeben. Die Entgelte eines Kalenderjahres müssen bis zum 31.03. des Folgejahres an die Künstlersozialkasse gemeldet werden. Der Abgabesatz wird jährlich neu festgesetzt. Für 2022 bleibt er unverändert bei 4,2 Prozent.
Anwartschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherte, die beruflich bedingt ins Ausland gehen, haben die Möglichkeit, ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer sogenannten Anwartschaftsversicherung aufrechtzuerhalten. Das garantiert bei einer späteren Rückkehr nach Deutschland das sofortige Wiederaufleben der Leistungsansprüche ohne weitere Voraussetzungen. Gleiches gilt für die Pflegeversicherung, bei der auch die Zeiten der Anwartschaft als vollwertige Versicherungszeiten angerechnet werden.
Grundsätzlich besteht zwar in Deutschland eine Pflicht zur Krankenversicherung, wodurch bei einer Rückkehr nach Deutschland in der Regel ein Krankenversicherungsschutz besteht. Dies kann aber unter Umständen dazu führen, dass eine private Krankenversicherung zuständig und erforderlich ist. Um eventuelle Nachteile zu vermeiden, ist daher in vielen Fällen eine Anwartschaft sinnvoll.
Für die Zeit der Anwartschaft wird der Beitrag einheitlich, also ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse, aus einem Betrag in Höhe von 10 Prozent der Bezugsgröße (2021 und 2022 sind das 329 Euro monatlich) berechnet.
Hinweis: Ist der Auslandsaufenthalt nicht beruflich bedingt, sondern privater Natur, ist eine Anwartschaft nur möglich, wenn die Aufenthaltsdauer im Ausland mindestens drei Monate beträgt.
In der Vergangenheit gab es bei den Krankenkassen unterschiedliche Auslegungen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Anwartschaft, insbesondere wenn es sich nicht um eine Entsendung handelte und deshalb die deutschen Sozialversicherungsregelungen nicht weitergalten.
Nun hat der Spitzenverband der Krankenkassen klargestellt, dass es für die Anwartschaft nicht darauf ankommt, dass die Ausstrahlung (Weitergeltung des deutschen Rechts) anzuwenden ist. Andernfalls wäre der Sinn der Regelung nicht mehr gegeben.
Besonderheiten gelten allerdings, wenn in einem EU/EWR-Staat eine Krankenversicherung besteht. Aufgrund der entsprechenden EU-Verordnungen werden solche Zeiten in der deutschen Kranken- und Pflegeversicherung als Vorversicherungszeiten anerkannt, so dass bei einer Rückkehr nach Deutschland eine (erneute) freiwillige Krankenversicherung in jedem Fall nahtlos möglich ist.
Homeoffice im Ausland auf Wunsch und Initiative des Arbeitnehmers
Bei einer vorübergehenden Entsendung ins Ausland gilt in vielen Fällen das deutsche Sozialversicherungsrecht fort.
„Entsendung“ ist üblicherweise so definiert, dass ein Beschäftigter auf Weisung seines Arbeitgebers ins Ausland geht und dort für diesen tätig wird. Durch die Corona-Pandemie und die damit explosionsartige Ausweitung der mobilen Arbeit, speziell im Homeoffice, wurden hier andere Zeichen gesetzt. So kommt es immer häufiger vor, dass ein Mitarbeiter von sich aus im Ausland arbeiten möchte, etwa im Homeoffice.
Unklar war bisher, wie sich eine solche Konstellation – bei Zustimmung des Arbeitgebers – auf den Erhalt der deutschen Sozialversicherung auswirkt.
Dazu hat sich jetzt die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung geäußert. Nach Auffassung der DVKA ist die Frage, von wem die Initiative für die Entsendung ausgeht, nicht entscheidend. Maßgebend ist aber, dass weiterhin das Direktionsrecht des Arbeitgebers ausgeübt wird und die Entsendung befristet ist. Diese Auffassung wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geteilt. Eine Aussage der zuständigen Verwaltungskommission der EU zu dem Thema gibt es bisher jedoch nicht.
Für den Arbeitgeber ist das allerdings nicht problematisch, da die A1-Bescheinigung, die natürlich auch bei dieser Konstellation erforderlich ist, für die ausländischen Behörden verbindlich ist. Eine unrechtmäßig ausgestellte A1-Bescheinigung muss formell von der ausstellenden Stelle aufgehoben werden. Bis dahin wirkt sie fort.
Jürgen Heidenreich