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Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst

In dieser Rubrik werden aktuelle Entscheidungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes relevant sind, wiedergegeben.

Lesezeit 2 Min.

Eingruppierung eines Leitstellendisponenten; Stellenbeschreibung und Bestimmung von Arbeitsvorgängen

Dies sind die Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 10.06.2020 – 4 AZR 142/19

  1. Eine vom Arbeitgeber erstellte Stellenbeschreibung kommt als Grundlage für die Bestimmung von Arbeitsvorgängen in Betracht, wenn sie die dem konkreten Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten sowie ggf. die verschiedenen Arbeitsergebnisse mit ihren jeweiligen Zeitanteilen hinreichend differenziert wiedergibt. Sie ersetzt jedoch weder die tatrichterliche Feststellung, dass die Tätigkeit tatsächlich auszuüben ist, noch die rechtliche Bewertung durch die Gerichte für Arbeitssachen zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen (Rn. 15).
  2. Die für einen Disponenten einer Rettungsleitstelle nach der Entgeltgruppe 9a Teil B Abschnitt XVIII der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA erforderliche Qualifikation richtet sich ausschließlich nach dem jeweiligen Landesrecht (Rn. 21, 31).
  3. Die Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 SächsLRettDPVO enthält eine unbefristete Sonderregelung für die nach dem Landesrecht des Freistaats Sachsen erforderliche Qualifikation eines Leitstellendisponenten (Rn. 23 ff.).

Annahmeverzugslohn; Auskunft hinsichtlich anderweitigen Erwerbs

Im Anschluss die Orientierungssätze zu 3. und 4. des Urteils des BAG vom 27.05.2020 – 5 AZR 387/19 –:

  1. Der Arbeitnehmer ist dem Arbeitgeber zur Auskunft über Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit und des Jobcenters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, wenn er Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert und die Einwendung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs wahrscheinlich begründet ist (Rn. 30 ff.).
  2. Der Arbeitgeber ist in entschuldbarer Weise in Unkenntnis über Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und des Jobcenters. Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Mitteilung gegen die staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen besteht im Hinblick auf das Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 SGB I nicht (Rn. 43).

Ruhegeld; Ablösung; Überversorgung

Aus der Pressemitteilung Nr. 35/20 zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.10.2020 – 3 AZR 410/19 –:

Liegt ein Fall der planmäßigen Überversorgung vor, können im öffentlichen Dienst die Anforderungen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung die Anpassung von Versorgungsregelungen, wie etwa die Einführung einer sog. Nettolimitierung, rechtfertigen. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit können die Änderung einer Anpassungsregelung stützen.

Einführung der stufengleichen Höhergruppierung nach § 17 Abs. 4 TVöD-AT; Stichtagsregelung

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 19.12.2019 – 6 AZR 59/19 –

  1. Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Gerichte für Arbeitssachen haben jedoch wegen des Schutzauftrags aus Art. 1 Abs. 3 GG tariflichen Regelungen die Durchsetzung zu verweigern, welche Freiheitsgrundrechte verletzen. Gleiches gilt hinsichtlich des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), der eine fundamentale Gerechtigkeitsnorm darstellt. Bei der gerichtlichen Prüfung ist allerdings der weite Gestaltungsspielraum zu beachten, der den Tarifvertragsparteien wegen der nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährten Tarifautonomie zusteht (Rn. 15 f.).
  2. Die Änderung eines tariflichen Vergütungssystems bedarf eines Stichtags für das Inkrafttreten der Neuregelung. Diesen können die Tarifvertragsparteien in den Grenzen des Vertrauensschutzes frei bestimmen. Es findet nur eine Willkürkontrolle statt (Rn. 18).
  3. Die Beschränkung der stufengleichen Höhergruppierung auf Höhergruppierungen ab dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 17 Abs. 4 TVöD-AT zum 1. März 2017 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (Rn. 19).
  4. Eine tarifliche Stufenzuordnung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG. Es handelt sich nicht um eine Auswahlentscheidung im Rahmen einer Stellenbesetzung, sondern um die Anwendung der tariflichen Entgeltregelungen bezogen auf eine bereits besetzte Stelle (Rn. 22).

Claudia Czingon

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