Führungskräfte richtig versorgen : Betriebliche Altersversorgung für Geschäftsführer, Vorstände und leitendes Personal
Das Thema betriebliche Altersversorgung (bAV) für Geschäftsführer, Vorstände und Führungskräfte ist komplex und stets Veränderungen unterworfen, da arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und handelsrechtliche Regelungen zusammentreffen. Gerade aber für diesen Personenkreis ist eine betriebliche Altersversorgung notwendig, da gesetzliche Ansprüche nur unzureichend oder gar nicht vorhanden sind. Als Personalverantwortlicher gilt es deshalb – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzesänderungen –, wichtige Grundregeln zu beherrschen, um rechtssichere Zusagen zu erteilen und abzuwickeln.
Nicht nur ein Dienstwagen, eine Werkswohnung oder familiengerechte Sozialleistungen gehören heute zum „Gesamtforderungspaket“ bei Einstellungen von Führungskräften, sondern auch die betriebliche Altersversorgung.
Nach einer Kienbaum-Studie haben etwa 80 Prozent aller deutschen Geschäftsführer und 90 Prozent aller Vorstände von Aktiengesellschaften eine betriebliche Altersversorgung. Dies sind über eine Million Einzelpersonen. Leider beobachten die Arbeitsgerichtsbarkeit und das Finanzamt kritisch jede Form der Altersversorgung bei Führungskräften, da der Verdacht der Steuer- und Abgabenoptimierung sowie der Ausnutzung einer beherrschenden Stellung beim Arbeitgeber immer in der Luft liegt.
Dieser Beitrag soll Ihnen erste Anhaltspunkte zur rechtssicheren Gestaltung einer Zusage in Bezug auf eine betriebliche Altersversorgung für diesen Personenkreis liefern.
Sechs Basisregeln des Betriebsrentengesetzes und des Bundesfinanzhofs
Der § 1 des Betriebsrentengesetzes sieht Folgendes vor:
Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersvorsorge
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
Daraus resultieren u. a. folgende einfache Regeln:
- Die Zusage muss aus Anlass des Arbeitsverhältnisses erfolgt sein (betriebliche Veranlassung) und nicht nur z. B. aufgrund von Eigentumsoder Verflechtungsverhältnissen der Firma. Ansonsten wird eine verdeckte Gewinnausschüttung und keine absetzbare betriebliche Altersversorgung unterstellt.
- Die betriebliche Altersversorgung muss erdienbar sein, das heißt, der Geschäftsführer bzw. Vorstand sollte genügend Zeit zwischen Zusageerteilung und Leistungsbezug (sogenannte Wartezeit) haben. Auf jeden Fall ist die Zusage vor dem 60. Lebensjahr zu erteilen und bei beherrschenden Geschäftsführern eine Wartezeit von zehn Jahren einzuplanen, bei nicht beherrschenden Geschäftsführern genügt eine Wartezeit von drei Jahren, wenn mindestens 12 Jahre Betriebszugehörigkeit zu verzeichnen sind.
- Die Zusage muss – auch bei externem Träger – für das Unternehmen dauerhaft finanzierbar sein und nicht zu Liquiditätsproblemen führen.
- Die Zusage muss der Angemessenheitsprüfung standhalten. Das heißt, die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dürfen 75 Prozent der Gesamtbezüge der aktiven Dienstzeit nicht übersteigen, da sonst eine Überversorgung vermutet wird.
- Eine Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung muss stets einem Fremdvergleich standhalten. Kernfrage: Sind die Höhe und die Art der Zusage (branchen-)üblich und würde die bAV ggf. auch einem nicht mit Geschäftsanteilen ausgestatteten Funktionsinhaber gezahlt werden?
- Bei Neueinstellung eines Geschäftsführers oder Vorstands müssen „Schamfristen“ eingehalten werden, bevor eine bAV-Zusage erteilt werden darf. Ist das Unternehmen neu gegründet, müssen – auch aufgrund der Finanzierbarkeitsregel – fünf Jahre zwischen Einstellung und Zusage vergehen, bei etablierten Firmen reichen zwei bis drei Jahre Probezeit.
Gretchenfrage: Beherrschend oder nicht?
In der Praxis wird feinsinnig zwischen beherrschender und nicht beherrschender Stellung eines Gesellschafter-Geschäftsführers unterschieden. Handelt es sich beim Geschäftsführer oder Vorstand
- lediglich um einen normalen Angestellten ohne Firmenanteile oder
- um den Inhaber einer Minderheitsbeteiligung an der Unternehmung (z. B. aufgrund von Bonifikationsprogrammen mit Aktienbezugsoptionen),
gelten die normalen Regelungen für Arbeitnehmer, auch in Bezug auf das Recht auf Entgeltumwandlung, obwohl arbeitsrechtlich ein anderer Status unterstellt wird.
Handelt es sich beim Geschäftsführer oder Vorstand
- um den Inhaber der Mehrheit der Firmenanteile oder
- hat er gemeinsam mit anderen Geschäftsführern oder Inhabern Einfluss auf eine Stimmenmehrheit oder
- hat er eine Schlüsselstellung in der Firma inne,
werden strengere Regeln für die betriebliche Altersversorgung unterstellt. Dies sind beispielsweise zusätzlich:
Die erweiterte Schriftformerfordernis
Grundsätzlich muss die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung schriftlich erteilt werden, zum Beispiel innerhalb des Geschäftsführerarbeitsvertrags.
Um eine handels- und steuerrechtliche Anerkennung zu bewirken, bedarf es zusätzlich des dokumentierten Beschlusses des Aufsichtsrats (bei der Aktiengesellschaft) oder der Gesellschafterversammlung. Außerdem muss die Befreiung vom zivilrechtlichen Selbstkontrahierungsverbot (siehe § 181 BGB) beschlossen werden.
§ 181 BGB – Insichgeschäft
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Verpfändung von Ansprüchen
Um der fehlenden Insolvenzsicherung Rechnung zu tragen, müssen die Rückdeckungsmittel (z. B. eine Rückdeckungslebensversicherung) an den Begünstigten oder seine Hinterbliebenen von Beginn an verpfändet werden, um eine missbräuchliche Aushöhlung des Vertrags durch die Firma zu verhindern.
Kongruente Rückdeckung
Das Bilanzmodernisierungsgesetz verlangt die Saldierung einer erforderlichen Rückstellung mit der Rückdeckungsleistung, so dass im Idealfall kein steuerlich relevanter Überhang verbleibt.
Abfindung bei vorzeitigem Ausscheiden
Gemäß Betriebsrentengesetz sind grundsätzlich nur Kleinstrenten vorzeitig abzufinden. Bei beherrschenden Geschäftsführern ist eine Abfindung von Versorgungsansprüchen möglich, wenn zum Beispiel
- eine sogenannte Abfindungsklausel bereits im Zusagevertrag aufgenommen wurde.
- Diese Klausel darf keine jederzeitige, sondern nur eine anlassbezogene typische Abfindung (wie z. B. bei Auflösung des Unternehmens, Invalidität des Geschäftsführers, Eintritt in den Ruhestand) vorsehen.
- Außerdem muss ein nachvollziehbares Berechnungsverhältnis (z. B. Verhältnis zwischen möglichen und geleisteten Dienstjahren, versicherungsmathematisches Verfahren) vorgesehen sein, um Willkür auszuschließen.
Anpassungsklausel
Eine betriebliche Altersversorgung sollte, um die Versorgungslücke und den Kaufkraftverlust im Rentenbezugsalter auszugleichen, jährlich an die Inflationsrate angepasst – das heißt: dynamisiert – werden. Allerdings erkennt das Finanzamt eine Dynamisierung nur bis 3 Prozent pro Jahr als betrieblich veranlasst an.
CHECKLISTE FÜR EINE ZUSAGEERTEILUNG an Gesellschafter-Geschäftsführer
- Ist die Zusage schriftlich erteilt worden?
- Gibt es einen Gesellschafter- oder Aufsichtsratsbeschluss zur bAV-Zusage?
- Erfolgte die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot?
- Ist die Zusage transparent und für eine Dritten verständlich formuliert?
- Sind Probezeiten und Wartezeiten eingehalten?
- Erfolgte die Zusage nur für die Zukunft und nicht in die Vergangenheit?
- Ist die Angemessenheit (75 Prozent der Bezüge) geprüft?
- Ist eine gekappte Anpassung vereinbart?
- Hält die Vereinbarung einem Fremdvergleich statt (z. B. Bezugsalter, unübliche Regelungen)? 10. Ist die Insolvenzsicherung (z. B. durch Verpfändung der Leistungen) veranlasst?
Notwendige Inhalte einer Versorgungszusage
- Namen und Geburtsdatum des Versorgungsberechtigten (Geschäftsführer, Vorstand)
- weitere Begünstigte (wie hinterbliebene Ehegatten oder Kinder)
- Zusageart (ergänzend oder ersetzend zur gesetzlichen Rentenversicherung)
- Zusageform (Altersrente, Hinterbliebenenrenten, Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitsversorgung)
- Träger der Zusage (z. B. Rückdeckung, Lebensversicherung, Unterstützungskasse)
- Altersgrenze für Regelaltersgrenze (z. B. 65. oder 67. Lebensjahr)
- Abfindungsmöglichkeiten
- vorzeitiger Bezug von Versorgungsleistungen (z. B. krankheitsbedingtes Ausscheiden) und Abschlagsregelungen
- Anpassungsklausel an Kaufkraftverlust/-entwicklung
- Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zusage (stets zukünftige Vereinbarung)
Neues BGH-Urteil 2020
Am 15.07.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bei der Versorgung der Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) andere Regeln für den Versorgungsausgleich gelten (Aktenzeichen XII ZB 363-19). Bei normalen Arbeitnehmern, die unter das Betriebsrentengesetz fallen, ist eine interne Teilung der ehelichen Ansprüche auf Kapital- oder Rentenbasis – nach Wahl des Versorgungsträgers – möglich. Dies hat der BGH ausgeschlossen und eine Teilung eines zugesagten Rentenanspruchs nur auf Basis der Rente zugelassen. Dies führt zu höheren (bilanziellen) Kosten bei dem Versorgungsträger (also dem Unternehmen des GGF), u. a. aus biometrischen Erwägungen, weil beispielsweise die geschiedene Frau eine statistisch und tatsächlich höhere Lebenserwartung hat.
Eine Kapitalabfindung im Bereich der Unternehmer (u. a. GGF) gehört hingegen nicht zum Versorgungsausgleich (BGH vom 16.01.2014).
Zukunft der Absicherung
Im Moment sinken die Gesamtrenditen und auch die Beitragsgarantien der Lebens- und Rentenversicherungen stetig. Dies trifft die „normalen Entgeltumwandlungen“ genauso wie alle Sonderregelungen für Führungskräfte und Manager. Laut Angaben der Anbieter liegen die Gesamtrenditen (also inklusive Garantie- plus Überschussanteile) um die 3 Prozent (2019). Einige Versicherer (laut Angaben des Finanzministeriums jeder fünfte Anbieter am Markt) sind schon heute nicht mehr in der Lage, die Altverträge mit bis zu 4 Prozent Garantiezinsen zu bedienen, und greifen auf alle verfügbaren Reserven zurück, die natürlich auch endlich sind. In einigen Jahren sind die ersten Versicherer bei konstanter Lage am Kapitalmarkt so in Schieflage und dürften dann auch die Zahlung aller Zinsen/Überschüsse einstellen. Selbst eine Auffanglösung für insolvente Versicherer ist bereits seit 2002 vorhanden – die Protektor AG –, die mit dem interessanten Spruch wirbt: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“ …
Handlungsoptionen
Prüfen Sie Ihre Verträge, Zusagen und Anbieter auf Herz und Nieren und holen Sie sich dazu einen neutralen Berater; der Anbieter selbst und seine Vermittler können hier nur bedingt – im Rahmen der eigenen Interessenlage – helfen.
Auch die Änderung der Gesetzeslage mit erweiterten Entgeltumwandlungsbeträgen kann für Vorstände und Führungskräfte vorteilhaft sein. Beachten Sie die aktuellen höchstrichterlichen Urteile. Viele Unternehmen prüfen zudem inzwischen die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen aus der Bilanz. Hier ist Fingerspitzengefühl und Vorsicht geboten! Experten rechnen mit Umschichtungen von Kapital zwischen starken/solventen und weniger starken Lebensversicherern, was die Krise bei den schwachen Marktplayern verschärfen wird. Gehören Sie als kluger Manager nicht zu den Letzten, die aufwachen, denn das Knacken im Gebälk wird immer lauter …
Andreas Nareuisch, Betriebs- und Finanzfachwirt und Bundessachverständiger. Er berät Ministerien und Unternehmen in der Gestaltung und Umsetzung von Gesetzen sowie bei Ausschreibungen der betrieblichen Altersversorgung und ist dem Hause DATAKONTEXT als Seminarleiter und Fachautor verbunden. www.nareuisch.de