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Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst

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Garantiebetrag im Tarifbereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA); zusätzliche Zahlung zur Ausgangsentgeltgruppe

Orientierungssätze des Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16.06.2021 – 6 AZR 281/20

  1. Ein Beschäftigter, der im Tarifbereich der VKA bis einschließlich 28. Februar 2017 höhergruppiert wurde, ist nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für den Bereich Verwaltung (TVöD-V) a. F. eingruppierungsrechtlich und in Bezug auf die Stufenlaufzeit der Aufstiegsentgeltgruppe zugeordnet (Rn. 14).
  2. Allerdings erhält der Beschäftigte nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-V a. F. anstelle der Differenz zwischen dem jeweiligen Tabellenentgelt seiner Ausgangsentgeltgruppe und dem Entgelt der höheren Aufstiegsentgeltgruppe einen fixen Garantiebetrag zusätzlich zu seiner bisherigen Vergütung gezahlt. Insoweit beinhaltet die tarifliche Regelung für die Dauer der Stufenlaufzeit – jedenfalls solange das Entgelt der Aufstiegsentgeltgruppe das Entgelt aus der bisherigen Entgeltgruppe zuzüglich des Garantiebetrags nicht infolge Tariferhöhungen übersteigt – ein eigenes Entgeltregime (Rn. 14).

Eingruppierung; Beschäftigung als Ausbilder/in in einer Lehr-/ Ausbildungswerkstatt

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 02.06.2021 – 4 AZR 274/20

  1. Eine Lehr- oder Ausbildungswerkstatt im Sinne von Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a Teil I – Allgemeiner Teil – der Anlage 1 zum Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV) bzw. von Entgeltgruppe 9a Fallgruppe 2 Teil III Abschnitt 4 der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) ist gegeben, wenn deren Zweckbestimmung allein oder jedenfalls in erster Linie in der Wahrnehmung von Ausbildungsaufgaben liegt. Eine Werkstatt mit anderem arbeitsorganisatorischem Zweck, in der im Sinne einer Nebenfunktion auch Auszubildende ausgebildet werden, erfüllt diese Anforderungen nicht (Rn. 25 ff.).
  2. Erfolgt die Ausbildung in einer Lehr- oder Ausbildungswerkstatt anhand für die tatsächliche Verwendung vorgesehener Werkstücke oder im Rahmen von Projekten, in denen unter Anleitung ausbildungsorientiert „echte“ Aufträge abgearbeitet werden, steht dies der Einordnung als Lehr- oder Ausbildungswerkstatt nicht entgegen (Rn. 27, 29).
  3. Unterricht ist die eigenverantwortliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten. Diese kann in der betrieblichen Ausbildung auch bei der Herstellung von Werkstücken oder der Durchführung praktischer Übungen erfolgen (Rn. 33).
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Zuschuss zum Übergangsgeld nach § 22 Abs. 2 TVöD-V

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 29.04.2021 – 6 AZR 215/20

  1. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums erhalten die Beschäftigten nach § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V einen Zuschuss des Arbeitgebers zum Krankengeld oder einer „entsprechenden gesetzlichen Leistung“ in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den „tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers“ und dem nach § 22 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V zu berechnenden Nettoentgelt (Rn. 17).
  2. Das vom Träger der Rentenversicherung geleistete Übergangsgeld ist eine „entsprechende gesetzliche Leistung“ i. S. v. § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V (Rn. 15).
  3. Mit „Barleistung“ ist eine Sozialleistung gemeint, die keine Dienst- oder Sachleistung ist (Rn. 18).
  4. Die „tatsächliche“ Leistung ist die vom Sozialleistungsträger festgesetzte. Der Arbeitgeber muss die Sozialleistung nicht selbst berechnen (Rn. 18).
  5. Im Gegensatz zum Krankengeld hat der Beschäftigte bei Bezug von Übergangsgeld bis auf einen etwaigen Beitragszuschlag für Kinderlose in der Pflegeversicherung keine Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Bei der Bestimmung der Höhe des Zuschusses ist daher nicht auf ein „Bruttoübergangsgeld“ abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr die Differenz zwischen dem ausbezahlten Übergangsgeld (evtl. zuzüglich des genannten Beitragszuschlags) und dem Nettoentgelt i. S. v. § 22 Abs. 2 Satz 2 TVöD (Rn. 21).

Bewerbungsverfahrensanspruch; Schadensersatz

Orientierungssätze des Urteils des BAG vom 01.12.2020 – 9 AZR 192/20

  1. Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber des öffentlichen Diensts eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen (Rn. 28).
  2. Nach der Wertung des § 839 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) soll allerdings grundsätzlich nur der Stellenbewerber Schadensersatz erhalten, der sich im Vorfeld der absehbaren Auswahlentscheidung des Arbeitgebers bemüht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er seine Rechte aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) durch die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes wahrt. Dies entspricht dem schadensersatzrechtlichen Grundsatz, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat (Rn. 30).
  3. Die in § 839 Abs. 3 BGB geregelte Obliegenheit greift nicht zu Lasten des Stellenbewerbers ein, wenn es der öffentliche Arbeitgeber unterlässt, den Stellenbewerber über die Behandlung seiner Bewerbung und für den Fall, dass er ihn in den Bewerberkreis einbezieht, über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens in Kenntnis zu setzen (Rn. 35).
  4. Der Begriff der Zumutbarkeit i. S. d. § 839 Abs. 3 BGB ist ein Rechtsbegriff, bei dessen Feststellung den Tatsachengerichten ein Beurteilungsspielraum zusteht (Rn. 39 f.).

Keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch die Regelung von Mehrarbeit und Überstunden im TVöD-K

Pressemitteilung Nr. 34/21 zum Urteil des BAG vom 15.10.2021 – 6 AZR 253/19

Die für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände maßgebliche Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD-K) enthält für den Freizeitausgleich und die Vergütung von Stunden, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist.

Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen diese nicht und sind wirksam. Die sowohl für Voll- als auch für Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, verstößt jedoch gegen das Gebot der Normklarheit und ist deshalb unwirksam.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Wegen der Unwirksamkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K ist für sie allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich. Diese Bestimmung sieht keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten überschritt, vor.

Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD-K vorgesehenen Überstundenzuschlag hat sie deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten ist wirksam, weil sie für völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gilt.

Der Senat hält an seiner bisherigen, ausschließlich auf den nicht gezahlten Überstundenzuschlag gerichteten Rechtsprechung (BAG vom 23.03.2017 – 6 AZR 1612/16 –) ebenso wenig fest wie an dem in dieser Entscheidung sowie in der Entscheidung vom 25.04.2013 (– 6 AZR 800/11 –) gefundenen Auslegungsergebnis des Überstundenbegriffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit.

Die danach erforderliche Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K kann auch kein anderer objektiver Normbefehl entnommen werden.

Hinweis

Der Senat hat am gleichen Tag in zwei ähnlich gelagerten Verfahren, die allerdings keinen Fall von Wechselschicht bzw. Schichtarbeit betrafen, die Revisionen der Klägerinnen ebenfalls zurückgewiesen (6 AZR 254/19, 6 AZR 332/19)

Claudia Czingon

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